Welche Generationen sind in der Arbeitswelt überhaupt unterwegs? Was unterscheidet die Generationen in der Arbeitswelt? Gibt es Erfolgsfaktoren für eine gute Zusammenarbeit in altersdiversen Belegschaften? Diesen Fragen ist Sofia Galan im Rahmen ihrer Bachelor Thesis auf den Grund gegangen und hat die Situation bei Lidl Schweiz unter die Lupe genommen. Der Output: konkrete Handlungsempfehlungen für das Managen und Nutzen der Generationen-Unterschiede – unter anderem zur Performancesteigerung in altersgemischten Teams. Wir von Loopings haben uns darüber gefreut, als Expertinnen zu dieser Arbeit beizutragen und sind ganz gespannt, was Sofia nach erfolgreichem Abschluss ihres Bachelors mit dem Schwerpunkt «Human Resources & Organisationsentwicklung» zu berichten hat.
Als erstes muss ich meinen Dank loswerden: Danke, dass ich heute hier sein darf und toll, dass ihr mich bei meiner Thesis unterstützt habt!
Und jetzt zu deiner Frage: Die verschiedenen Generationen in der Arbeitswelt sind mittlerweile ein Thema, um das man nicht mehr drum herumkommt. Der Wandel in der Arbeitswelt, die zunehmende Generationenvielfalt auf dem Arbeitsmarkt und damit einhergehend die unterschiedlichen Bedürfnisse, Kompetenzen und Sichtweisen der Generationen sind eine spannende Herausforderung, mit der sich die Unternehmen beschäftigen sollten. Im Vergleich zu anderen Diversity Dimensionen, wie zum Beispiel dem Geschlecht, ist der Dimension «Alter» bisher wenig Beachtung geschenkt worden – wobei das Alter zunehmend eine wichtige Rolle spielt, auch im Zuge (unternehmens-) politischer Diskurse.
Eine Generation ist eine Altersgruppe mit mehreren sogenannten «Geburtskohorten». Eine Kohorte schliesst alle Personen ein, die im gleichen Kalenderjahr geboren wurden. In meiner Arbeit habe ich die folgenden Generationen untersucht:
Baby Boomer 1946-1964
X 1965-1979
Y 1980-1995
Z 1996-2010
Meine Analysen und Befragungen liessen tatsächlich besonders Unterschiede in den Bedürfnissen und Ansprüchen erkennen, vor allem im Hinblick auf «Arbeit», ihre Bedeutung im Leben allgemein und auch auf die Führung in Teams. Eine vollständige Darlegung dieser Unterschiede würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Was ich aber sagen kann ist, dass es einige sogenannte «Generations-Motti» gibt, die eine Richtung zeigen:
Die Generation Baby Boomer lebt, um zu arbeiten.
Die Generation X arbeitet, um zu leben.
Die Generation Y ist die erste Generation, welche im Gleichklang lebt.
Die jüngste Generation Z definiert das Leben und Arbeiten als fliessenden Prozess.
Ich finde, diese «Generations-Motti» lassen erahnen, wie unterschiedlich die Haltung der Generationen gegenüber der Arbeit doch ist und dass sich vieles davon ableiten lässt.
Klar, das Alter ist nur eine von vielen Aspekten von Vielfalt. Ich empfehle allen Leserinnen und Lesern, «Diversity Wheel von Gardenswartz und Rowe» zu googeln. Hier sieht man auf einen Blick, dass es neben dem Alter noch sehr viele andere Persönlichkeitsdimensionen gibt, welchen Beachtung geschenkt werden sollte. Aber so oder so: Es ist eine Einordnung, sprich auch eine Art Schublade, in die man als Mensch gesteckt wird.
Jeder Mensch ist einzigartig. Und sobald es zum Beispiel um Massnahmen für Mitarbeitende geht, sollte unbedingt der Einzelfall betrachtet werden, um Stereotypisierungen zu vermeiden. Gerade beim Generationenthema entstehen schnell Vorurteile, wie zum Beispiel «die unzuverlässigen Jungen» oder «die unflexiblen Alten».
Ein ganzheitliches Generationen-Management im Rahmen von Diversity and Inclusion soll dies vermeiden und ein inklusives Arbeitsumfeld schaffen, in welchem Unterschiede zwischen den Generationen, aber auch innerhalb der Generationen gesehen und geschätzt werden – über alle Hierarchiestufen hinweg.
Definitiv. Das war ein grosser Punkt bei meinen Befragungen und war auch in der Literatur nachzulesen. Die Generation der Baby Boomer wünscht sich von der Führungskraft vergleichsweise mehr Anerkennung und beruft sich dabei stark auf ihre Individualität. Gerade deshalb erwarten sie auch, von der Führungskraft auf einer persönlichen Ebene behandelt und als Individuum wahrgenommen zu werden – und nicht nur als einen Teil einer definierten, statistischen Gruppe.
Die Generation Z hingegen wünscht sich eine transaktionale Führung, in der die Führungskraft eher die Rolle einer Mentorin oder eines Mentors übernimmt. Themen wie Umweltbewusstsein, Diversity, Ethik und Unterstützung gewichtet die Generation Z generell sehr hoch und erwartet vom Unternehmen und den Führungskräften, dass diesen Themen Beachtung geschenkt werden – vor allem dem Thema Diversity. So wünscht sich die Generation Z sogar, dass auch das Führungsteam heterogen ist und Inklusivität gelebt wird.
Da die Generation Z zudem mit digitalen Medien aufgewachsen ist, bevorzugen sie im Gegensatz zu den Baby Boomern die digitale Kommunikation. Aber auch hier gilt: das sind lediglich Tendenzen, die nicht als Stereotypen genutzt werden sollten. In jedem Fall hilft eine klare Kommunikation, um den Mix an passenden Führungsstilen zu finden. Und Geduld und Nachsicht auf allen Seiten braucht es natürlich auch.
In der Vergangenheit fokussierten sich D&I-Aktivitäten besonders auf Massnahmen zur Förderung der Frauen im Arbeitsalltag und der Laufbahnentwicklung. Aber das hat sich in den letzten Jahren verändert und das Generationenmanagement gewann immer mehr an Bedeutung. Ein Treiber des Themas ist der sogenannte «war of talents», der Kampf um Nachwuchskräfte. Von denen es bekanntermassen nicht so viele und in manchen Berufen sogar deutlich zu wenige gibt. Auch die Pluralität von Einstellungen und Werten der Arbeitnehmenden trugen dazu bei, dass dem Thema mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Studien fanden heraus, dass rund 75% der befragten Grossunternehmen und mehr als 65% der befragten KMUs Generationenmanagement als wichtig oder sehr wichtig empfinden, um dem demografischen Wandel, dem Fachkräftemangel und dem Wissensverlust durch das Ausscheiden einer grossen Anzahl älterer Mitarbeitender entgegenzuwirken.
Die Verankerung des Themas im Top-Management, die Sensibilisierung der Belegschaft für die Herausforderungen und ein auf die unterschiedlichen Lebensphasen abgestimmtes Personalmanagement sind aber immer noch wenig verbreitet – was natürlich sehr schade ist, besonders im Hinblick auf die vorhin erwähnten Punkte.
Meine Empfehlung wäre, das Ganze im Rahmen eines ganzheitlichen D&I-Konzeptes auf der normativen, strategischen und operativen Ebene aufzugleisen. Im ersten Schritt sollte das «Warum» geklärt und eine Vision für eine D&I-Kultur geschaffen werden. Nur mit einem gemeinsamen Zielbild und mit gegenseitigem Verständnis können sich Haltungen, Verhaltensweisen und Strukturen ändern. Um Generationenmanagement ins Führungsverständnis und den Alltag zu integrieren, würde ich alle Punkte, die in einer Organisation diesbezüglich wichtig sind, auf normativer Ebene im Führungsleitbild ausformulieren. Natürlich müssen auch die strategischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu muss das Thema Generationen im Unternehmen und alles, was damit zusammenhängt, in der Gesamtstrategie verankert sein. Das hört sich jetzt alles etwas generisch an, weil es eben im Einzelfall auf die Organisation individuell zugeschnitten werden muss.
Das Zielbild und die Strategien von Organisationen unterscheiden sich stark, je nach Branche, Grösse und zum Beispiel auch danach, ob eine Organisation bereits einen hohen Druck durch den Fachkräftemangel spürt oder nicht. Bei all diesen Themen ist es hilfreich, externe ExpertInnen oder BeraterInnen hinzuzuziehen, um der Betriebsblindheit entgegenzuwirken, fehlendes Know-how aufzubauen und von Good Practice und frischen Ansätzen zu profitieren.
Da wünsche ich mir nicht viel, ausser, was sich wahrscheinlich jede und jeder altersunabhängig wünscht: gegenseitigen Respekt, das Kommunizieren auf Augenhöhe und dass wir gemeinsam die Potenziale von generationsübergreifender Zusammenarbeit ausschöpfen können. Und ich bin zuversichtlich, dass das klappt.