Arbeiten im Pensionsalter

Immer mehr Menschen arbeiten heute über das Pensionsalter hinaus – sei es im bisherigen Betrieb, im eigenen Geschäft oder ehrenamtlich. Unabhängig vom Alter ein aktiver Teil der Gesellschaft zu bleiben, gibt Struktur, stiftet Sinn und hält fit.

Trotz Pensionsalter einen Fuss im Arbeitsleben behalten

Bis 65 voll Power arbeiten und dann plötzlich im Schaukelstuhl sitzen und Kreuzworträtsel lösen? Ein derart abrupter Übergang vom Arbeits- ins Pensionsleben ist selten befriedigend, auch wenn sich manch eine/r in stressigen Zeiten die Pension sehnlichst herbeibeschworen hat. Das Alles- oder Nichts-Prinzip entspricht nicht der heutigen Realität: Viele Frauen und Männer sind mit Mitte 60 topfit und leistungsfähig, besonders, wenn man einen körperlich weniger anstrengenden Beruf ausgeübt hat. Wer sich länger im Berufsleben hält, beugt ausserdem der häufig gehegten Angst vor dem Verlust an sozialen Kontakten und geistiger Herausforderung vor. Und: Aktiv bleiben hält gesund.

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«Die Arbeit sorgt häufig für einen Sinn im Leben», weiss Roland Storrer, Leiter von Pensionierungsseminaren bei der Fachstelle Avantage von Pro Senectute der Kantone Bern und Zürich. «Im Job erfahren wir das Gefühl, gebraucht zu werden, und im besten Fall auch etwas Wertschätzung.» Rückt der neue Lebensabschnitt näher, müsse man sich rechtzeitig überlegen, wie sich diese Lücke füllen lässt. Eine gute Möglichkeit sei ein ehrenamtliches Engagement in einem Verein oder einer gemeinnützigen Organisation, empfiehlt Storrer. Nicht vergessen sollte man zudem die finanziellen und rechtlichen Verhältnisse. Zu diesem Thema bieten die meisten Versicherungs- und Finanzinstitute Beratungen an.

Während einige ältere Beschäftigte die viele frei werdende Zeit mit Hobbys verplanen, werden andere mit der Betreuung von Enkeln oder Familienmitgliedern eingespannt. Es entscheiden sich allerdings auch immer mehr, länger berufstätig zu bleiben oder den lang gehegten Wunsch der Selbständigkeit zu verwirklichen. Besonders dort, wo Fachkräftemangel herrscht, sind die Erfahrungen und Kompetenzen älterer Arbeitskräfte noch lange gefragt und werden dringend benötigt.

Interne Bewerbung mit 64

Bei der Versicherung Swiss Life zum Beispiel arbeiten aktuell rund 30 Personen, die das ordentliche Rentenalter bereits überschritten haben. Einer davon ist Ulrich Weber, der dem Unternehmen seit der KV-Lehre treu geblieben ist. «Meine Frau arbeitet auch immer noch. Was soll ich allein daheim herumsitzen?», fragt der 67-Jährige. Mit 65 hat er sein Vollzeitpensum auf 60% reduziert. «Drei Tage arbeiten, vier frei – das ist fast wie Ferien», lacht Weber. «Die Arbeit macht mir nach wie vor grossen Spass.» Zudem sei das Modell auch finanziell interessant, weil er die AHV damit auf später aufschieben könne.

Ohne seine Eigeninitiative wäre er jedoch vermutlich bereits pensioniert. Weil Ulrich Weber in seiner damaligen Abteilung nicht weiterarbeiten konnte, wurde er selber aktiv. Mit 64 brachte er seinen Lebenslauf auf Vordermann und bewarb sich im Vorsorge-Bereich der Swiss Life. Mit Erfolg: Heute kümmert er sich um die Zahlungseingänge und Austritte einer Pensionskasse. Weber kann sich gut vorstellen, diese Aufgabe noch auszuüben, bis seine Frau in Rente geht.

Auch Arbeitgebende profitieren

Dass Ulrich Weber noch arbeiten kann, verdankt er seiner Arbeitgeberin. Die Swiss Life bietet ihren Mitarbeitenden ab 58 Jahre mit verschiedenen Arbeitsmodellen auch sanfte Übergänge in die Pensionierung an. Zum Beispiel kann man das Arbeitspensum reduzieren oder Führungsfunktionen abgeben, ohne eine gekürzte Rente befürchten zu müssen. Denn sowohl Arbeitgeberin als auch Arbeitnehmende zahlen ihre Beiträge in gleicher Höhe weiter. Diese Modelle erlauben es Mitarbeitenden, ihr Rentenalter flexibel zu gestalten oder, wenn das betrieblich möglich ist, bis zum Alter von 70 Jahren weiterzuarbeiten.

«Als Anbieter von Vorsorgelösungen wollen wir auch auf die individuellen Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden in der späteren Berufsphase eingehen», sagt Mediensprecherin Fabienne Schneider. Zudem profitiere gleichzeitig das Unternehmen: Die Erfahrungen und das Netzwerk langjähriger Mitarbeitender gehen nicht von einem Tag auf den anderen verloren, der Wissenstransfer auf Kolleginnen und Kollegen jüngerer Generationen wird sichergestellt, und Nachfolgeregelungen können besser angegangen werden.

Auch die SBB bietet ihren Mitarbeitenden an, über die Pensionierungsgrenze hinaus weiterzuarbeiten. Mit dem Modell Activa haben Mitarbeitende im gegenseitigen Einvernehmen mit ihrer Führungskraft die Möglichkeit, vor der ordentlichen Pensionierung ihren Beschäftigungsgrad zu senken und maximal drei Jahre darüber hinaus reduziert weiterzuarbeiten. Die Höhe der Alterspension ist einerseits abhängig davon, um wie viel der Mitarbeitende seinen Beschäftigungsgrad reduziert und andererseits, wie lange er über das ordentliche Pensionierungsalter hinaus weiterarbeitet. Dies ist individuell mit dem oder der Vorgesetzten zu vereinbaren. Die Ausgestaltung des Modells kann somit die Höhe der Pension in beide Richtungen beeinflussen. «Ich gebe mein Wissen auch mit 65 noch gerne weiter.», sagt Willi Lehmann, Fachspezialist bei der SBB in Bern.

Den Traum in die Wirklichkeit umgesetzt

Maya Lörtscher denkt auch mit 70 noch lange nicht an Pension. Ihren gelernten Beruf als Handarbeitslehrerin hat sie mit 62 an den Nagel gehängt. «Das Unterrichten war sehr anstrengend. Obwohl ich nur noch 60% arbeitete, wurde von mir erwartet, dass ich immer verfügbar bin», so Lörtscher. Doch so entschloss sie sich, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. In ihrer eigenen Firma näht sie heute selbst entworfene Handtaschen. Die mit einem speziellen Schiefermuster bedruckten Unikate sind gefragt. Bis zu 150 Taschen verkauft Lörtscher jährlich auf Märkten und über ihren Webshop.

Leben muss Lörtscher von ihren Einkünften nicht – es ist ein Nebenverdienst, mit dem sie sich ein paar Extras leisten kann. Vor allem aber bleibt sie durch die Arbeit in Kontakt mit anderen Menschen, unter anderem in ihrem Atelier in der Nähe von Eglisau, das sie sich mit anderen teilt. «Regelmässig aus dem Haus zu kommen, ist mir extrem wichtig», sagt die Start-up-Gründerin. «Ich will noch voll im Leben stehen.»

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