Selbstständigkeit

Bis zur Pensionierung ausharren oder etwas Eigenes wagen? Wer sich für eine Gründung entscheidet, bereut es in den seltensten Fällen. Allerdings sollte man die Sache bedacht angehen und sich Unterstützung holen.

Endlich die eigene Chefin sein

Das Angestellten-Dasein hat durchaus einige Vorteile: Man kann auf einen regelmässigen Lohn zählen und braucht sich lediglich um den eigenen Arbeitsbereich zu kümmern. Trotzdem hegen viele Menschen den Wunsch, irgendwann ihr eigenes Ding aufzuziehen. Nicht mehr für ein Unternehmen zu arbeiten, dessen Ziele man oft nur halbwegs teilt, sondern einer eigenen Leidenschaft nachzugehen und die Fäden selber in die Hand zu nehmen.

Corona-Krise für Neuorientierung genutzt

In der Schweiz werden jährlich mehr als 40 000 Firmen neu gegründet – Tendenz stetig steigend. Im Jahr 2020 befeuerte die Corona-Pandemie den Trend zusätzlich: Mit einem Rekord von fast 47 000 Neueinträgen im Handelsregister nahmen die Gründungen im Vergleich zum Vorjahr um ganze 5.3% zu. Der Schluss liegt nahe, dass viele Neuunternehmerinnen und -unternehmer die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen genutzt haben, um eine Geschäftslücke zu füllen.

Den Angaben des «Instituts für Jungunternehmen» zufolge handelt es sich bei den Neugründungen meist um Handwerksbetriebe. Doch auch Branchen wie Beratung, Detailhandel, Immobilienwesen, Finanzen und Informationstechnologie erlebten einen Boom, denn die Nachfrage etwa nach Sport- und Freizeitartikeln, digitalen Geräten, Streaming- und Lieferdiensten stieg deutlich an. Gleichzeitig konnten Beschäftigte in Branchen wie etwa der Kultur oder Reisen nicht oder nur reduziert arbeiten. Manche sahen diese schwierige Situation als einmalige Chance, den lang gehegten Traum einer eigenen Firma zu realisieren – oft zunächst einmal vorsichtig, als zweites Standbein.

Die hybride Gründung des eigenen kleinen Startups – also erst mal parallel angestellt bleiben – ist eine gute Option. Vor allem für Personen, die über das Pensionsalter hinaus arbeiten möchten, aber dies in ihrem angestammten Job nicht können. Die Teilzeit-Selbständigkeit erlaubt zudem, bei gesichertem Einkommen einfach mal auszuprobieren, ob die Geschäftsidee funktioniert. Dabei kann man sich der Marktsituation laufend anpassen und bei Bedarf nachjustieren.

Wer etwas Neues wagt, kann Unterstützung gebrauchen. Bei den Loopings Stammtischen treffen sich Gleichgesinnte zum Austausch über neue Ideen, berufliche Veränderung und die Zukunft.

Selbständigkeit macht freier

Wer sich selbstständig macht, kann seine Zeit freier einteilen, nach eigenem Gutdünken schalten und walten und muss niemandem mehr Rechenschaft ablegen. Gleichzeitig steigen aber auch die Anforderungen: Um ein Unternehmen zu leiten, braucht es ein hohes Mass an Organisationstalent, Selbstmotivation und Disziplin. Statt einfach den Helpdesk der Firma anzurufen oder die spezialisierten Kolleg:innen zu beauftragen, müssen sich Firmeninhaber:innen um alles selber kümmern. Besonders gross ist die Verantwortung, wenn man Mitarbeitende beschäftigt. In der Anfangszeit kann das mit schlaflosen Nächten verbunden sein.

Yalenka Gustafsson ist das Wagnis 2020 eingegangen. Mitten in der Corona-Zeit hat sie mit 50 Jahren in Wallisellen die Privatschule Bambus für Kinder mit besonderen Bedürfnissen gegründet. Die Idee ist eng mit ihrer Geschichte als dreifache Mutter verbunden: Bereits im Kindergarten erhielt ihr Sohn die Diagnose Hyperaktivität. Medikamente wollte Gustafsson ihrem Kind nicht geben. Stattdessen sorgte sie für klare Strukturen, viel Bewegung an der frischen Luft und setzte sich intensiv mit anderen Ansätzen auseinander. «Es hat gut funktioniert», sagt Gustaffson. «Mein Sohn konnte bis in die Oberstufe die Regelschule besuchen.»

Dieser Erfolg motivierte die gelernte Werbefachfrau, sich zur Lerndidaktikerin sowie Legasthenie- und Dyslexie-Trainerin weiterzubilden. Mit diversen Praktika sammelte sie erste Erfahrungen in Schulen und kam zum Schluss, dass es zu wenige Angebote gebe für Kinder mit Hyperaktivität und Störungen aus dem Autismus-Spektrum. So gründete sie die Privatschule Bambus und beschäftigt mittlerweile bereits elf Personen. «Der Anfang war harzig», blickt die Gründerin zurück: Im ersten Semester unterrichtete die Schule nur ein einziges Kind. Gustaffson bemühte sich daraufhin, das Angebot bei den Schulen der Region bekannter zu machen und konnte bald 13 von 18 Plätzen besetzen. Inzwischen ist die Angst vor dem Scheitern geschwunden. «Ich gehe jeden Tag glücklich zur Arbeit», sagt sie. Die Gründung der Schule war für sie gleichzeitig der Wiedereinstieg ins Erwerbsleben nach der Familienphase.

Für die Einrichtung und die ersten anfallenden Kosten erhielt Yalenka Gustaffson einen Kredit sowie fachliche Begleitung vom Verein GO! Mikrokredite. Die Nonprofit-Organisation unterstützt Selbstständige und solche, die es werden wollen, mit Fachwissen und Krediten bis maximal 40 000 Franken. Loopings hat bei der Co-Geschäftsführerin Nadine Caprez nachgefragt, was für eine Geschäftsgründung wichtig sei.

«Wir wollen Herzblut spüren»

Frau Caprez, was braucht es, um Sie von einer Geschäftsidee zu überzeugen?

In erster Linie wollen wir Herzblut spüren. Zudem sollte die Person einen belastbaren Eindruck hinterlassen sowie finanziell und sozial in einigermassen stabilen Verhältnissen leben.

Es kommt also mehr auf die Persönlichkeit und das Engagement an als auf die Idee selber?

Natürlich sollte man vorher abchecken, ob eine Idee Marktchancen hat. Doch in der Regel hat es immer noch Platz für einen neuen Coiffeursalon oder ein weiteres Café. Man muss einfach besser sein als die bestehenden Angebote und etwas Spezielles bieten. Zudem braucht es einen gewissen Rucksack an Erfahrung.

Zum Beispiel?

Wenn jemand bereits in der Vermarktung von Briefkästen tätig war und nun auf Garagentore umstellen will, ist das eine gute Voraussetzung. Auch ein Hochbauzeichner, der nun selbstständiger Energieberater werden will, kann seine Kenntnisse und Kontakte weiter brauchen, da es sich nicht um einen kompletten Branchenwechsel handelt.

Was motiviert die Menschen, die bei Ihnen anklopfen?

Die schönste Motivation für eine Firmengründung ist, wenn sich jemand einen lange gehegten Traum erfüllen will, der auch mit der Lebensgeschichte zu tun hat. Etwa, wenn jemand sein Hobby zum Beruf machen will oder kulinarische Spezialitäten aus seiner Heimat anbieten möchte.

Wie stehen die Chancen, wenn man sich nach längerer Arbeitslosigkeit selbständig machen will oder weil man seines angestammten Berufs überdrüssig ist?

Auch so etwas kann mit einer guten Idee gelingen. Sie sollte mit Vorteil an das frühere Leben anknüpfen. Günstig ist, wenn jemand auf eine Lücke im Angebot gestossen ist, die er füllen möchte.

Sie vergeben seit 12 Jahren Kredite für Firmengründungen. Wie viele davon sind erfolgreich?

Wir gehen davon aus, dass etwa 85 Prozent der Gründungen mindestens für einige Jahre Bestand haben. Bei denjenigen, die aufgeben, spielen oft auch persönliche Gründe mit – zum Beispiel eine Krankheit oder Scheidung. Die gute Bilanz hat natürlich auch damit zu tun, dass wir genau vorsondieren. Normalerweise kommt bei uns etwa einer von fünf Antragsstellern zu einem Kredit. Zudem begleiten wir die Leute bis zur vollständigen Rückzahlung mit einem kostenlosen Mentoring.

Und wie steht es um die Lebensqualität der Neuunternehmerinnen und -unternehmer?

Fast alle sagen, dass es die richtige Entscheidung war und sie zufriedener sind als vorher.

Weiterführende Informationen

Spielst auch du mit dem Gedanken, dich selbständig zu machen? Auf folgenden Portalen findest du hilfreiche Tipps & Tricks:

Auf der Suche nach Verbündeten?

In der Loopings Landkarte findest du ebenfalls Expert:innen und Anlaufstellen, die dich bei deinen Fragen rund um die Selbständigkeit kompetent beraten können.
Zur Loopings Landkarte

Geschichten beruflicher Veränderung