Ute Büchmann hat ein neues Berufsprofil erfunden: die «Senioren-Assistenz». Mit ihrem Social-Startup schliesst Ute Büchmann gesellschaftliche Lücken, schafft Jobs für Ältere und ist wirtschaftlich erfolgreich damit.
Schon damals als Frauenbeauftragte war ich besessen von meiner Idee, die sich mittlerweile als Senioren-Assistenz etabliert hat. Nachdem ich im Rahmen meiner Gleichstellungstätigkeit eine Ausbildungskonzeption entwickelt und getestet hatte, stand ich vor der Frage, was nach dem Auslaufen der öffentlichen Förderung passiert. Es drohte einfach der Projektklassiker: das Projektende. Das wollte ich nicht und machte den Ausstieg.
Als Frauenbeauftragte steckte ich in vielen sozialen Themen. Ein Thema tauchte in den Schilderungen der ratsuchenden Frauen immer wieder auf. «Meine Mutter ist einsam, ich wohne weit entfernt, eine Heimlösung kommt nicht in Frage, was kann ich machen?»
In Deutschland war 2007 das Thema Einsamkeit der Älteren in der Öffentlichkeit lange nicht so virulent wie heute. So sagte mir damals ein Journalist: «Das Thema ist nicht sexy». Aber das Problem der fehlenden sozialen Begleitung war trotzdem da. Den letzten persönlichen Anstoss aktiv zu werden, bekam ich dann, als mein Vater nach dem Tod meiner Mutter in eine ähnliche Lage kam.
Überdies wusste ich aus meiner damaligen Tätigkeit ganz konkret, dass viele gut ausgebildete Frauen nach der Familienphase wieder ins Berufsleben einsteigen wollen, und zwar möglichst im sozialen Bereich. Sie wollen sich aber häufig ein Stück Zeitsouveränität erhalten und der Gedanke, sich in eine Firmenhierarchie einbinden zu lassen, ist für viele nicht attraktiv.
So band ich die Themen «Einsamkeit der Älteren» sowie «Arbeitspotenzial der Frauen» zusammen und konzipierte eine Kurzausbildung zur Selbständigkeit in der Senioren-Assistenz. Rückblickend gesehen war das eigentlich ganz einfach.
Zusammenfassend kann ich heute sagen: Wir bilden interessierte Menschen zu selbständig tätigen Senioren-Assistenten aus, diese gehen in das häusliche Umfeld der Senioren und helfen ihnen vor Ort.
Sie werden lachen: Spazierengehen! Nach einer gross angelegten Studie ist das der Wunsch Nr. 1. Es sind die sozialen Kontakte, die erhalten oder erweitert werden sollen, die Begleitungen zum Arzt, Tipps zu Smarthome und Smartphone, oder Hilfestellungen im häuslichen Umfeld, die das Leben schön machen. Auch unterstützen Senioren-Assistenten dabei, einen Antrag auf Pflegeleistungen zu stellen oder einen runden Geburtstag zu organisieren. Das sind nur einige Beispiele von vielen.
Wichtig ist vor allem, dass unsere Senioren-Assistenten genau hinschauen, was Senioren tatsächlich brauchen. Und so geht es nicht um ein «Betreuungsprogramm», welches älteren Menschen übergestülpt wird, sondern um eine Assistenz auf Augenhöhe. Aus diesem Grund bilden wir auch keine Seniorenbetreuer aus, sondern Assistenten und Assistentinnen, die partnerschaftlich agieren.
Nur bei körperlicher Pflege oder medizinischen Dienstleistungen müssen Senioren-Assistenten passen, diese bleiben den voll ausgebildeten Kräften vorbehalten.
Das Video erklärt ganz gut, was Senioren-Assistenten tun:
Elon Musk hat kürzlich angemerkt, «wer für seine Idee eine Anleitung sucht, wie man erfolgreich gründet, sollte lieber nicht gründen». Ich stimme zu und meine, die Gründungsidee sollte für sich so stark sein, dass sie den Gründer oder die Gründerin durch die Schwierigkeiten der Gründungsphase, die Rückschläge bei der Umsetzung und die finanziellen sowie zeitlichen Belastungen trägt. Wer von seiner Idee fest überzeugt ist, kann den Schritt wagen.
Von möglichen Weiterungen der Gründungsidee kann man beim Start zwar träumen, aber man sollte nicht darauf spekulieren. So stellten sich für mich günstige länderrechtliche Anerkennungen und Zertifizierungen erst viel später durch gesetzliche Änderungen ein, die ich gar nicht im Blick und auf die ich keinen Einfluss hatte.
Ehrlich gesagt der Zweifel an mir selbst. Glücklicherweise hat am Ende die Zuversicht gesiegt.
Meine Arbeitskollegen fanden das verrückt. Einen sicheren Job im öffentlichen Dienst zu verlassen, ist ja irgendwie auch ein bisschen verrückt – für Menschen, die das Risiko scheuen, auf jeden Fall. Die Meinung meiner Familie war ziemlich gespalten. Einer meiner Söhne meinte, er gebe dem Projekt eine 80-prozentige Chance, mein Mann gab sogar nur 20 Prozent. Diese gemeinsam hundert Prozent habe ich mir dann einfach genommen 😉
Wer feste Dienstzeiten braucht und auf die Sicherheit eines geregelten Einkommens nicht verzichten will, für den bieten sich feste Anstellungen bei einem Arbeitgeber an. Wer voll im Berufsleben mit allen Risiken der Selbständigkeit stehen und mit Leidenschaft «sein eigenes Ding durchziehen will», geht in die Selbständigkeit. Ich bin am richtigen Ort!
Gründen um der Gründung willen war nie mein Ding. Wenn Ältere gründen geschieht das mit mehr Vorsicht und häufig nachhaltiger als bei jungen Gründern oder Gründerinnen. Vielleicht liegt das an der limitierten Zeit, die weniger Raum lässt für weitere Versuche. Ich wollte ein soziales Projekt, das sich selbst trägt und bin sehr dankbar, dass ich es gefunden habe.
Die Tätigkeiten der Senioren-Assistenten unterliegen einem ständigen Wandel an neuen Anforderungen. Mein Hauptaugenmerk liegt darin, diese zu operationalisieren und in ein Unterrichtskonzept neu einzupassen. Damit bin ich gut ausgelastet.
Täglich ergeben sich in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen neue Herausforderungen, so dass ich nur ermuntern kann, mit wachem Blick Lösungen dafür anzubieten.