Selbstvermarktung auf dem Prüfstand – wie viel Eigenlob ist erlaubt?

Von Katja Geis, 28. Februar 2018

Wer am Markt positioniert sein will, muss auf sich aufmerksam machen. Klappern gehört nun mal zum Handwerk. Das war schon im Mittelalter so. Den Marktschreier mag heute kaum einer noch spielen; zu negativ besetzt ist der alte Berufsstand, Quacksalbern und Scharlatanen zugeschrieben. Mit zurückhaltender Bescheidenheit kommt man allerdings auch nicht weit. Wo liegt das rechte Mass?

Kürzlich durfte ich über den Jahresauftakt 2018 der Neustarter berichten. Die Veranstaltung kam sehr gut an, meine redaktionelle Nachlese offenbar ebenso. Grossartig das Feedback. Weil’s so schön und die Journalistin in mir geschmeichelt war, habe ich dieses Erfolgserlebnis meinem sozialen Umfeld nicht vorenthalten. Aber wie viel nach aussen getragene Selbstgefälligkeit ist eigentlich erlaubt, wer will es hören, lesen, wissen? Eine Frage, die auch für Neustarter grundsätzlich relevant ist. Wer sich beruflich verändern oder etwas zu Markte tragen will, muss sich beziehungsweise seine Dienstleistung nun mal positiv ins Gespräch bringen. Aber die Werbetrommel zu rühren, das fällt den wenigsten leicht. Kein Wunder: Die psychologischen Aspekte der Selbstvermarktung haben so ihre Tücken.

Eigenlob stinkt, sagt der Volksmund. Im Umkehrschluss müsste Selbstkritik also duften? Das wohl kaum. Immerhin ist Selbstkritik ein gesellschaftsfähiger Begriff, ein anerkanntes internes Korrektiv für das eigene Agieren. Um ihr Gegenteil ist es vergleichsweise schlecht bestellt: Leute, die bei jeder Gelegenheit ausgiebig von ihren Fähigkeiten und Errungenschaften schwärmen, gehen uns eher auf die Nerven. Aber insbesondere im geschäftlichen Gebaren kommt man oft nicht umhin, sich ins beste Licht zu rücken: Bewerbungsgespräche, Gehaltsverhandlungen oder Kundenakquise vertragen keine falsche Bescheidenheit. Weder Übertreibung noch Understatement führen zum Ziel. Wie immer kommt es auf das rechte Mass an. Um dieses auszuloten, ist vorab eine realistische Selbsteinschätzung gefragt. Dafür genügt es im Idealfall, einfach mal aus der eigenen Haut zu schlüpfen und sich (möglichst neutral) von aussen zu betrachten. Oder Freunde und Bekannte zu fragen. Beides bringt oft verblüffende Erkenntnisse.

Lektion 1: Sicheren Boden unter den Füssen gewinnen

Am besten übt man die Disziplin der Selbstdarstellung vorab im stillen Kämmerlein, oder vielleicht gegenüber einem nahestehenden Menschen. Sich loben und stolz auf sich zu sein, ist dabei völlig legitim. Und förderlich fürs Selbstwertgefühl. Es verleiht Zuversicht, Motivation und stärkt die eigene Ausstrahlung. Fazit der Kommunikationsexperten: Nur wer sich für die eigene Sache begeistert, kann auch andere mitreissen. Alles gut? Mitnichten. Denn freilich geht der Schuss schnell nach hinten los – Genosse Prahlhans lässt grüssen!

Dabei ist es nicht allzu schwer, den unvermeidlichen Ich-Bezug etwas zu relativieren. Zum Beispiel mit eingestreuten Respektbekundungen ans Gegenüber. Der Stellenbewerber findet erst einmal die Firma cool, der um Aufstieg bemühte Mitarbeiter lobt die Führungsqualität seines Vorgesetzten, der Händler den guten Geschmack des Kunden. Freilich muss man dabei auch wirklich meinen, was man sagt. Also bloss keine falschen Komplimente! Und schon müffelt das Selbst-Marketing gar nicht mehr so verdächtig nach einem aufgeblähten Ego – der Weg ist gebahnt, um auch die eigenen Vorzüge klar und sicher herauszustellen.

Lektion 2: Persönliche Meilensteine setzen

Eine hervorragende Gelegenheit für eine positive Selbstdarstellung bietet jedwedes Jubiläum (lateinisch: annus jubile; deutsch: Jubeljahr). Kaum eines kommt ohne Laudatio aus, und kaum einer käme auf die Idee, sich am allgemeinen Jubilieren zu stören. Oder gar zu sagen: «50 Jahre? Gut und schön. Aber jetzt reicht’s dann auch mal.» Die Selbstbeweihräucherung erfreut sich hier einer absoluten Akzeptanz. Bei Jubiläen wird auf das Gelingen geschaut, das Erreichte, die Leistung. Das gilt sowohl für berufliche wie auch für private Errungenschaften, etwa sich rundende Hochzeitstage.

Naturgemäss haben die meisten Neustarter (sprich: Gründer) zwar keine erfolgreichen Dekaden auf dem Buckel. Aber vielleicht den ersten Jahrestag der Umsetzung ihrer Geschäftsidee. Das erste Quartal, in dem sie schwarze Zahlen schreiben. Oder diejenigen, die sich nach langen Jahren innerhalb eines Unternehmens just ganz neu positionieren wollen, können sich auf das soundsovielte erfolgreich umgesetzte Projekt berufen. Ja, dergleichen kann und darf man stolz in die Welt hinaustragen, sich feiern und feiern lassen. Auch kleine Erfolge verdienen Applaus.

Lektion 3: Tue Gutes und rede darüber – oder überlass es anderen

Im Idealfall findet sich ein Aussenstehender, der uns das Loben abnimmt. Es muss nicht unbedingt eine teure Agentur sein. Vielleicht ein Kunde, ein Geschäftspartner, ein Journalist oder auch einfach nur der nette Bursche von nebenan. Zitieren Sie getrost all diejenigen, die Ihnen Bewunderung zollen. Auf der Website, im Anschreiben, in Social-Media-Auftritten oder wo auch immer. Überhaupt bieten interaktive Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitter & Co. ideale Foren, um Bestätigung von aussen zu generieren. Der «Gefällt mir»-Button ist diesbezüglich eine geradezu geniale Erfindung.

«Tu Gutes und lass andere darüber reden» empfiehlt auch der Hamburger PR-Experte Dietrich Schulze van Loon. Der hat den 1961 erschienenen Branchenratgeber «Tu Gutes und rede darüber» von Georg-Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim, damals Kommunikationschef der BASF, gründlich studiert und nicht nur den Buchtitel sinnig erweitert. Wo das ursprüngliche Bonmot herkommt, weiss keiner mehr so genau. Aber es greift. Gute Ideen gehören ausposaunt. Von wem auch immer.

Viel Lärm um nichts?

Der Spruch «Klappern gehört zum Handwerk» stammt übrigens aus dem Mittelalter. Überlieferungen zufolge veranstalteten die Handwerker damals mit hölzernen Klappern mächtig Radau, um für ihre Dienstleistungen zu werben. Die frühzeitlichen Kastagnetten standen sinnbildlich für die Arbeitsgeräusche von Mühlen, Webstühlen oder diversen Werkzeugen. Das war aussagekräftig genug, es bedurfte keiner ausgefeilten Marketing-Strategie. Die Marktschreier hingegen mussten sich viel mehr anstrengen, Wunderheiler ihre erklärungsbedürftigen Tinkturen wortgewaltig anpreisen. Wohl haben die Holzklappern die Stimmbänder der Anbieter geschont, nicht aber die Ohren potenzieller Kunden …

Um dieselben heute gezielt zu erreichen, braucht es weniger Lärm als vielmehr eine überzeugende Darstellung der eigenen Leistungen. Ehrlich, direkt und mit allen Vorteilen auf den Punkt gebracht. Eine gesunde Portion Eigenlob ist dabei durchaus drin, sofern die Inhalte im Vordergrund bleiben. Merke: Ein leeres Fass dröhnt lauter als ein gefülltes. Aber es klingt nicht unbedingt besser.