Von Vorurteilen lösen und Chancen erkennen

Von Vanessa Zeilfelder, 27. Februar 2023

«Ein wichtiger Aspekt ist die Grundhaltung gegenüber älteren Mitarbeitenden, die sich ändern sollte. Beginnen sollten wir damit, dass wir uns von den Klischees über ältere Mitarbeitende lösen – zum Beispiel ‘nicht veränderungswillig-/fähig’, ‘teuer’», sagt Michael Hasler im Interview mit Loopings. Michael setzt sich seit zwei Jahren mit seiner Organisation newplace intensiv für Arbeitnehmende in Veränderungsprozessen ein und berät Unternehmen, wie sie ihre soziale Verantwortung gezielt wahrnehmen können.

Lieber Michael, erzähl uns doch zu Beginn etwas über deinen Alltag bei newplace.

Wir von newplace AG beraten und begleiten Unternehmen und Mitarbeitende in Veränderungsprozessen. In meinem Berufsalltag begleite ich Firmen, Führungskräfte und Personalverantwortliche in Trennungsprozessen, die häufig belastend und anspruchsvoll sind. In meiner Expertenrolle und als neutraler Partner stehe ich Unternehmen zur Seite und helfe ihnen dabei, ihre soziale Verantwortung gezielt wahrzunehmen – von der Planung einer Veränderung bis zur Umsetzung.

Betroffene unterstütze ich im Rahmen ihrer Neuorientierung ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Trennung. Im Zentrum stehen dabei Themen wie der Umgang mit der Trennungssituation, Standortbestimmungen zur Auslotung individueller Optionen für den künftigen Weg sowie die zeitgemässe, professionelle Vorbereitung und Begleitung im Zuge von Bewerbungsprozessen.

Sehr häufig sind Betroffene, die wir begleiten dürfen, im Alter 45+. Diesen Persönlichkeiten zu helfen, neue Perspektiven zu finden und auf dem Arbeitsmarkt neue Wege zu gehen, bereitet mir persönlich viel Spass und ist für mich ein Stück weit auch erfüllend.

Mit welchen Themen und Fragestellungen wenden sich Klient:innen 45+ oder ihre Arbeitgebenden an dich?

Meiner Erfahrung nach sind es sehr viele und vor allem auch verschiedene Themen und Fragestellungen, die insbesondere Klient:innen und Arbeitgebende beschäftigen:

Arbeitgebende

  • Wie kann ich bei einer Trennung meine soziale Verantwortung wahrnehmen und wertschätzend und respektvoll mit dieser Situation umgehen?

  • Wie können wir Mitarbeitenden trotz Trennung neue Perspektiven bieten?

Klient:innen

  • Mir ist gekündigt worden – wie geht es jetzt weiter?

  • Ich bin in einem kritischen Alter für den Arbeitsmarkt – habe ich auf dem Arbeitsmarkt noch nennenswerte Chancen?

  • Meine letzte Bewerbung liegt Jahre oder teils Jahrzehnte zurück – wie kann ich mich überhaupt zeitgemäss auf Jobsuche begeben?

  • Welche Job- und Karriereoptionen habe ich noch im letzten Drittel meiner Arbeitszeit?

  • Ich bin unschlüssig, ob mein Job der richtige für mich ist – bin ich noch im richtigen Job und wie finde ich Erfüllung?

In welchen Situationen hältst du ein Laufbahncoaching für besonders sinnvoll? Und in welchen Abständen?

Generell ist es immer gut, für sich persönlich immer wieder einen Boxenstopp einzulegen und eine Standortbestimmung durchzuführen. Obwohl man sehr viele Instrumente und Ratgeber hat, ist es oft lohnend, das unter Inanspruchnahme eines Coaches und einem begleiteten Blick von aussen zu tun. Erfahrene Arbeitsmarkt-Coaches sind in puncto Chance und Möglichkeiten up to date und können einem Perspektiven zeigen.

Den richtigen Rhythmus gibt es an sich nicht – das ist etwas äusserst Individuelles. Ich empfehle meinen Klient:innen, sich alle zwei bis drei Jahre zu reflektieren und eine Standortbestimmung durchzuführen. Häufig kristallisiert sich heraus, dass man nach wie vor am richtigen Ort ist – und das ist in den meisten Fällen dann auch gut so.

Der Fachkräftemangel ist aktuell in aller Munde und verändert die Situation auf dem Stellenmarkt mehr und mehr. Profitieren davon auch erfahrene Bewerber:innen?

In gewissen Branchen und bei gewissen Jobs herrscht ein Fachkräftemangel – das führen uns unterschiedliche Statistiken auch ungeschönt vor. Einen generellen Fachkräftemangel nehme ich an sich nicht wahr.

Und ja, aufgrund der aktuellen Fachkräftesituation in so mancher Branche profitieren insbesondere erfahrene Bewerber:innen – verglichen zu früher – deutlich mehr. Gewisse Hürden bleiben aber weiterhin bestehen. Eine davon sehe ich darin, dass Unternehmen immer noch sehr beschränkt auf Quereinsteiger:innen setzen. Zwar sind neuesten Studien zufolge immer mehr Unternehmen gegenüber Quereinsteiger:innen offen, aber bei Weitem nicht in dem Ausmass, dass zum Beispiel erfahrene Bewerber:innen noch viel stärker davon profitieren könnten.

Eine weitere Hürde sehe ich in den zunehmend bis stark digitalisierten Rekrutierungsprozessen. Einerseits lassen sich Unternehmen viel Zeit, andererseits stehen ältere Arbeitsuchende mit stark digitalisierten und auch teils «entmenschlichten» Prozessen vor neuen Hürden.

Wie können Bewerber:innen diese Chance bestmöglich für sich nutzen? Und kann es sich auch lohnen, nach vielen Berufsjahren einen Quereinstieg in Branchen mit Fachkräftemangel in Erwägung zu ziehen?

Unabhängig von der gegenwärtigen Situation lohnt sich ein fortwährender Blick auf den Job- bzw. Arbeitsmarkt – auch links und rechts vom bekannten Umfeld. Ein kompletter Quereinstieg kann, so chancenreich dieser sein kann, auch ganz andere Herausforderungen bedeuten, zum Beispiel komplett andere oder ungewohnte Arbeitsmodelle und -kulturen, neue Aufgaben und Herausforderungen mit entsprechend neuen Skills, neue Lohn-/Vergütungsmodelle und so weiter. Sofern man offen für eine – teils starke – Veränderung ist, kann sich ein Quereinstieg durchaus lohnen.

Du kennst dich in der HR-Welt ja bestens aus. Welche Rahmenbedingungen stehen deiner Erfahrung nach der (Weiter-)Entwicklung älterer Mitarbeitender im Wege und was könnten wir tun, um sie anzupassen?

Für mich sind dies nicht nur Themen der HR-Welt – dies sind insgesamt und ebenfalls Unternehmens- und Führungsthemen.

Ein wichtiger Aspekt ist die Grundhaltung gegenüber älteren Mitarbeitenden, die sich ändern sollte. Beginnen sollten wir damit, dass wir uns von den Klischees über ältere Mitarbeitende lösen – zum Beispiel «nicht veränderungswillig-/fähig», «teuer», etc. Unternehmen tendieren immer noch häufig dazu, dass sie sich bei Kostenabbaumassnahmen meist zuerst von dem «teureren, älteren» Mitarbeitenden trennen. In den «Entwicklungspools» der meisten Unternehmen sind weiterhin eher jüngere Mitarbeiter:innen proportional stark vertreten – nach wie vor gehen ältere Mitarbeiter:innen vor allem ab 45 oder 50+ im Rahmen von Weiterentwicklungsaktivitäten «vergessen».

Dabei zeigen mittlerweile viele Studien auf, dass zum Beispiel generationendurchmischte Teams grossen Mehrwert in puncto Zusammenarbeit, Kreation und Produktivität bieten. Daher sollten Unternehmen meiner Erfahrung nach mehr in solcherlei Perspektiven denken, Erfahrung, Know-how und Kapazitäten von älteren Mitarbeitenden gezielt als Chance für Unternehmen zu sehen, zu schätzen und einzusetzen und ältere Mitarbeiter:innen nicht aufs Abstellgleis zu stellen – das sind vertane Chancen, für alle.

Aus diesen Gründen haben wir von newplace gute Erfahrungen gemacht, indem wir für und mit Unternehmen zum Beispiel ein «Fit for Future» Programm insbesondere für ältere Mitarbeitende realisiert haben, von welchem mittel- und langfristig alle Seiten profitieren. In diesem Programm wurden allen 50+ in einem Workshop ermöglicht, sich mit der Vergangenheit, Gegenwart und der Zukunft auseinanderzusetzen und für sich dann eine persönliche Roadmap für die Zukunft zu entwickeln.

Und zum Schluss: Was verbindest du mit Loopings?

Die Unterstützungsangebote für 45+ sind sehr vielfältig und gleichzeitig auch aus unserer Erfahrung für viele Betroffene eine Herausforderung. Loopings als ausgesprochen wichtige «Landkarte» organisiert wertvolle Events und Stammtische, kommuniziert relevante Inhalte und bietet der Zielgruppe 45+ die genau erforderliche Orientierung.

Auch ich habe in meiner Karriere viele Loopings gemacht. Mein bedeutendster Looping war sicher der Schritt in die Selbständigkeit. Ich hatte den getroffen, obwohl alle Vernunftssignale auf Rot standen. Bis jetzt habe ich es nicht bereut.

Vielen Dank, lieber Michael!

newplace auf der Loopings Landkarte

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