Catherine Leu war schon Gärtnerin, Trampilotin, Familienfrau. Und dann? Hat sie die Karten nochmals neu gemischt – nach einer intensiven Standortbestimmung bei der Erwachsenenbildungsstätte (EB) in Zürich. Mit 50 nahm sie ein Studium im Bereich Soziale Arbeit in Angriff. Das hat Mut gebraucht, klar, und sich gelohnt. Ein Interview.
Seit April 2023 arbeite ich in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich in der Sozialberatung. Ich berate Patient:innen zu den Lebensthemen Wohnen, Arbeit, Rechtliches, Finanzen und Administratives. Im Februar 2023 habe ich das Studium Soziale Arbeit an der ZHAW Zürich mit dem Bachelor abgeschlossen.
Ich bin vierfache Familienfrau und hole momentan die Matura an der Berufsmaturitätsschule Zürich nach. Aufgrund der Familien- und Hausarbeit besuche ich die zweijährige Teilzeitvariante. Bis vor Kurzem bin ich in Zürich als Trampilotin angestellt gewesen.
Es beschäftigte mich während den vielen Jahren als Trampilotin und Familienfrau, dass ich gerne noch etwas Herausforderndes machen wollte. Zudem war es mir wichtig, noch eine Ausbildung auf der tertiären Stufe zu erreichen. Von den Interessen her hätte es auch andere Gebiete gegeben, welche mich für ein Studium gereizt hätten. Vernünftigerweise musste ich aber eine Richtung einschlagen, bei der ich in meinem Alter auch noch Chancen sah auf dem Stellenmarkt. So entschied ich mich für die Soziale Arbeit, in Zürich ein generalistischer Studiengang für Soziale Arbeit, Sozialpädagogik und Soziokulturelle Animation.
Im fortgeschrittenen Alter weiss man schon ungefähr, welche Interessen und Stärken vorhanden sind. Je nach Vorbildung kann statt einem kompletten Neuanfang auch etwas Aufbauendes gewählt werden. Wichtig ist natürlich auch eine Güterabwägung: Was traue ich mir zu? Was lohnt sich noch? Wo finde ich nach der Ausbildung eine Stelle? Ist der Verdienst während und nach der Ausbildung wichtig oder nicht? Wie teuer ist die Ausbildung? – Ich hatte die Chance, statt einer Berufs- oder Studienberatung gleich ein ganzes Jahr Standortbestimmung bei der Erwachsenenbildungsstätte (EB) in Zürich besuchen zu können. Jeweils freitags fand der Kurs statt für Frauen während oder nach der Familienphase, um rauszufinden, was noch möglich ist und was frau will.
Wenn der Neuanfang wirklich gewünscht und wichtig ist, wird sich auch ein Weg finden, um die Finanzierung zu regeln. Jeder Weg ist einzigartig und die Umstände auch, daher kann ich da keine allgemeingültige Antwort geben.
Es brauchte tatsächlich Überwindung. Allerdings kannte ich bereits eine «Mitstreiterin» – wir konnten uns gegenseitig Mut machen. Andererseits waren da meine Familie und viele Freund:innen, die interessiert und stolz an meinem Weg Anteil nahmen. Ausserdem sagte ich mit immer, wenn die Jungen das schaffen, dann schaff ich das sowieso. Gerade in der Berufsrichtung der Sozialen Arbeit wird Lebenserfahrung hoch gewichtet und einige Themen während dem Studium waren nicht neu für mich.
Dazu habe ich mir ehrlich gesagt keine Gedanken gemacht. Für mich stand im Vordergrund, dass ich etwas Sinnvolles tun wollte, etwas, dass mir selber auch nochmals einen Sinn und Herausforderung geben sollte.
Ich habe gelernt, dass ganz vieles möglich ist, wenn man sich darauf einlässt. Dass ich eine hohe Leistungsfähigkeit habe, war mir schon bewusst, obwohl ich das eigentlich immer als normal eingestuft habe. Ich habe aber gelernt, Hilfe anzunehmen. Das ist mir ganz schön schwergefallen, da unsere Generation auch so erzogen wurde, alles selber zu machen. Im Studium bin ich gute Lernpartnerschaften eingegangen und habe davon sehr profitiert. Nun kann ich es auch bei der Arbeit schätzen, wenn wir uns im Team gegenseitig unterstützen und helfen.
Da würde ich auch gerne zuhören. Ich kann ja nicht für sie antworten. Sie haben aber immer Anteil genommen und sind stolz auf mich. Es war mir auch ein Bedürfnis, ihnen ein gutes Vorbild zu sein. Ich war ja die ganzen Jahre als Mutter für sie da und habe nebenbei gearbeitet. Nun habe ich mir nochmals ein Standbein geschaffen für den nächsten Lebensabschnitt. Sie haben sich zwischendurch darüber gewundert, dass ich all die Ansprüche vom Studium an mich einfach so erfüllt habe. Es ist ja nicht nur so, dass ich als ältere Person einen besonderen Effort geleistet hätte, sondern auch, dass die Struktur des Studiums für junge Personen gemacht ist und ich dadurch teils auch unterfordert war. Ich habe mich darauf eingelassen, hätte mir aber schon eine Erwachsenenbildung gewünscht.
Alles klar.
….voll eingespannt im durchorganisierten Leben. Das hält jung.
….eher angekommen, vielleicht aber auch um ein paar Illusionen ärmer.
….noch viel erleben. Ich kann mir noch nicht vorstellen, nicht nochmals etwas Neues zu beginnen.