Wenn der letzte Arbeitstag naht und keine Anschlussstelle in Sicht ist, melden sich viele beim RAV. Wir haben Erika Bachmann, Leiterin des RAV Staffelstrasse in Zürich gefragt, was einen da erwartet und wie die Situation von Stellensuchenden ab der Lebensmitte aussieht.
Unser Alltag besteht primär aus Beratungsgesprächen. Dies sind einerseits Anmeldegespräche und dann Erstgespräche bei den Personalberatenden sowie Folgegespräche von ungefähr 30 Minuten. Ziel ist es, die Stellensuchenden so zu unterstützen, dass sie den Einstieg oder die Rückkehr in den Arbeitsmarkt finden. Inhaltich steigern wir mit den Stellensuchenden ihre Bewerbungskompetenzen, welche wir zusammen mit ihren Fachkompetenzen mit arbeitsmarktlichen Massnahmen fördern. Neben der Beratung gehören auch die Arbeitgeberunterstützung und Vermittlung von Stellensuchenden zum Alltag des RAV, sowie die Administration und der behördliche Gesetzesvollzug.
Die stellensuchende Person kann sich heute elektronisch oder physisch auf dem zuständigen RAV anmelden. Welches RAV zuständig ist und welche Unterlagen man für eine Anmeldung braucht, findet man auf der Internetseite des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich. Danach folgt eine Onlineinformation über die Rechte und Pflichten, eine Selbsteinschätzung mit Fokus auf den Bewerbungskompetenzen sowie ein Erstgespräch auf dem RAV. In diesem wird eine Standortbestimmung durchgeführt, Suchbereiche und Suchstrategien definiert und das Bewerbungsdossier sowie für Vorstellungsgespräche die Selbstpräsentation gemeinsam besprochen. Es werden in dem Erstgespräch auch die weiteren Schritte wie zum Beispiel Kurse, Einzelcoaching sowie Abmachungen und Aufträge für die Zeit bis zum Folgegespräch miteinander definiert.
Am besten meldet man sich möglichst früh – schon während der Kündigungsfrist – beim RAV an, so kann diese Zeit möglichst gut genutzt werden, um allfällige Kurse schon zu besuchen und Fehler zu vermeiden. Im besten Fall ist die Stellensuche damit schon so erfolgreich, dass die Arbeitslosigkeit gar nicht eintritt, sondern sich vorher eine Folgelösung ergibt.
Die Situation von Stellensuchenden ab der Lebensmitte unterscheidet sich nicht grundlegend von der Situation von jüngeren Stellensuchenden. Bei beiden Gruppen sind die Bewerbungskompetenzen und das Mindset die zentralen Elemente, die über den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt bestimmen. In der konkreten Ausgestaltung der Bewerbungsstrategie hingegen können und sollen auch Unterschiede festgemacht werden. Hier spielen aber neben dem Alter auch die Branche, die Ausbildung sowie der Umgang mit der Kündigung und Persönlichkeitsmerkmale eine grössere Rolle.
Studien zeigen, dass der Arbeitsmarkt prinzipiell offen ist für Stellensuchende ab der Lebensmitte. Entscheidend ist eher, dass man sich kontinuierlich weiterbildet, wobei dies heutzutage nicht ganze Studiengänge sein müssen. Ebenso sollte das Mindset eine Offenheit und Flexibilität zulassen. Wer die genau gleiche Funktion und Position sucht, die er innegehabt hat, erschwert sich möglicherweise das Finden einer Stelle.
Festhalten kann man auch, dass es durch die Digitalisierung und Automatisierung für unqualifizierte Stellensuchende schwieriger wird, eine Folgelösung zu finden. Hier kann das Alter ein zusätzlicher Faktor sein. In der jetzigen Situation mit dem demographischen Wandel sowie einer sehr tiefen Arbeitslosenquote ist der Arbeitsmarkt jedoch sehr offen gegenüber Stellensuchenden. Und Initiativen wie Focus50+ zeigen, dass man sich auch seitens Arbeitgeber stark um Stellensuchende über 50 bemüht.
Im Prinzip werden alle Stellensuchende gleich beraten, nämlich individuell auf ihre Situation bezogen. Das Alter macht hier keinen Unterschied. Es ist aber im gesamten Zusammenspiel als ein Faktor miteinzubeziehen. Die Strategie im Bewerbungsprozess muss somit sicherlich auch auf das Alter der stellensuchenden Person angepasst werden. Wir haben daher im Kanton Zürich bezüglich den Bewerbungskompetenzen eine spezifische Massnahme für Stellensuchende mit viel Berufserfahrung.
Am besten fängt man nicht erst bei der Stellensuche an, sich für den Arbeitsmarktmarkt und die eigene Arbeitsmarktfähigkeit zu interessieren. Viele Berufsjahre heissen auch viel praktische Erfahrung, da sollte die Aus- und Weiterbildung nicht vergessen werden.
Ist man in der Situation, dass man zur Stellensuche gezwungen ist, ist es wichtig, die sogenannte «Trauerphase», die jede und jeder durchlebt, rasch abschliessen zu können. Dies fällt nach vielen Berufsjahren und vielleicht noch im gleichen Unternehmen meist etwas schwerer. Des Weiteren sollte man sich der Gefahr bewusst sein, dass man anfänglich oft das Gleiche oder etwas sehr Ähnliches sucht und sich an dem alten Stellenprofil orientiert und sich auch so definiert. Alle von uns können aber sehr viel mehr und bringen viel mehr transversale Fähigkeiten mit. Man darf hier ruhig auch mit einem gewissen Stolz in den Bewerbungsprozess eintreten, ohne sich aber bezüglich Lohnvorstellungen im Weg zu stehen. Ein sicherlich wichtiger Punkt ist auch, sich bezüglich den Bewerbungskanälen nicht auf reaktive Bewerbungen zu fixieren. Die meisten Stellen sind im verdeckten Arbeitsmarkt zu finden, das heisst über Initiativbewerbungen und aktives Networking.
Der Stammtisch für hochqualifizierte Stellensuchende aus der Finanzbranche hatte die Absicht, dieser Gruppe die Möglichkeit zur Vernetzung und zum gegenseitigen Austausch der Best Practice im Bewerbungsprozess zu bieten. Networking ist ein zentraler Aspekt der Stellensuche. Die Branche sowie der branchenspezifische Arbeitsmarkt und die Kenntnisse darüber sind weitere wichtige Punkte. Der Stammtisch war deshalb ein ideales Gefäss, damit sich die Stellensuchenden informell austauschen und sich gegenseitig inspirieren konnten.
Die Gruppe der Stellensuchenden aus der Finanzbranche als solche hat einige Besonderheiten, wie die Umstrukturierung der Branche, hohe Spezialisierungen oder Besonderheiten bei den Löhnen. Ausserdem ist es für diese Stellensuchenden nicht einfach, in anderen Branchen Fuss zu fassen. Diese Umstände beeinflussen die Suchstrategie stark. Ein Austausch unter diesen Stellensuchenden hat sich entsprechend angeboten und wird sich hoffentlich als zielführend erweisen.
Mein wohl bedeutendster Looping war mein Wechsel von der selbständigen Gastronomin zur RAV-Beraterin. Gelernt habe ich dabei, dass es zentral im Berufsleben ist, offen zu sein für Neues, sich verabschieden zu können von Vorstellungen, Vorurteile wegzuschieben und sich auf neue Ideen einzulassen. Geholfen bei diesem Looping hat mir aber auch eine gewisse Weitsicht, so habe ich meine Ausbildung zur Personalfachfrau schon begonnen, als ich noch selbständig war, um für den Arbeitsmarkt interessant zu bleiben.