Arbeitseinsatz in einer sozialen Institution

Von Vanessa Zeilfelder, 16. Januar 2023

Fünf Tage in einer Suchtklinik, einer Behindertenwerkstatt oder einem Pflegeheim aktiv mitarbeiten. Warum das alle mal machen sollten? Um den Horizont zu erweitern, aus der Komfortzone zu kommen, um die Selbst- und auch die Mitarbeitendenführung weiterzuentwickeln und, und, und… SeitenWechsel ist ein Programm der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft SGG, welches so eine Erfahrung ermöglicht. Wir haben mit Valerie Brockhaus, der Stv. Programmleiterin, gesprochen.

Liebe Valerie, was steckt hinter dem SeitenWechsel Programm?

SeitenWechsel ist eine aussergewöhnliche Weiterbildung zur Persönlichkeitsentwicklung. Teilnehmende lernen, indem sie ihre eigene Komfortzone verlassen und reale Situationen und Menschen von sozialen Institutionen begegnen. Es ist eine Horizonterweiterung mit sozialem Aspekt. Führungskräfte, Mitarbeitende 50plus und Interessierte können in einer Intensivwoche einen begleiteten Arbeitseinsatz erleben und so neue Skills entwickeln.

Wie können wir uns so eine Intensivwoche vorstellen und in welchen Betrieben kann man das Programm absolvieren?

Die Teilnehmenden arbeiten als Laie für eine Woche in einer sozialen Institution aktiv mit. Wir bieten Einsätze in über 100 sozialen Institutionen in der Schweiz an: von Drogenentzugsstationen über Psychiatrien oder Integrationswerkstätten zu Kinderheimen.

Die Woche in der Institution startet mit einem Einführungsgespräch mit der Person, die die SeitenWechser:innen durch den Einsatz begleitet. In diesem Gespräch werden auch die persönlichen Ziele für die Weiterbildung definiert. Danach arbeiten die SeitenWechsler:innen in Begleitung im normalen Betrieb mit und erhalten Einblick in den Arbeitsalltag in verschiedenen Bereichen. Am Ende des Einsatzes findet ein Abschlussgespräch statt. Der Einsatz ist in eine Vor- und Nachbereitung von SeitenWechsel eingebettet.

Valerie Brockhaus, Stv. Programmleiterin SeitenWechsel

Was motiviert die Teilnehmenden, ihr bekanntes Umfeld zu verlassen und in eine völlig neue Welt einzutauchen?

Die Gründe sind vielfältig. Am häufigsten hören wir aber, dass die Weiterbildung durch ein intensives und praktisches Erlebnis in einer anderen Lebenswelt überzeugt. Sie ermöglicht einen Einblick in eine soziale Institution, man kommt raus aus der eigenen Komfortzone und kann so eigene Vorurteile abbauen. Weiter werden die eigenen Menschen- und Weltbilder überprüft. Durch SeitenWechsel nimmt man andere Blickwinkel ein, erhält neue Inputs für den Arbeitsalltag oder kann lernen, sich besser abzugrenzen.

Und was bewegt Arbeitgebende dazu, ihren Mitarbeitenden einen SeitenWechsel zu ermöglichen?

Die Unternehmen ermöglichen ihren Mitarbeitenden durch einen SeitenWechsel ihre Sozial- und Führungskompetenzen zu erweitern. Die SeitenWechsler:innen kehren motiviert und mit neuen Ideen in den Arbeitsalltag zurück. Der Einsatz sensibilisiert auf soziale und gesundheitliche Themen im Unternehmen und in der Gesellschaft. Dies hat einen positiven und nachhaltigen Einfluss auf die Führungs- und Unternehmenskultur und auf die Übernahme der gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens.

Mit welchen Eindrücken und Learnings kehren die Teilnehmenden zurück in ihre bekannte (Arbeits-)Welt und was verändert sich für sie unter Umständen?

Die Teilnehmenden nehmen auf jeden Fall neue Inputs für den Umgang im Team mit. Oft erwähnt wird, dass das Zuhören eine viel bedeutendere Rolle einnimmt als vor dem Einsatz. Sie lernen sehr viel über sich selbst und manch eine:r kann noch Jahre später erzählen, wie die Erfahrung ihn oder sie ganz persönlich geprägt hat. Die Teilnehmenden kehren sensibilisiert für soziale und gesundheitliche Themen in ihre Arbeitswelt zurück und sind motiviert, diesbezüglich Veränderungen im beruflichen und privaten Alltag anzupacken.

Inwiefern ist das Programm auch besonders spannend für ältere Mitarbeitende?

SeitenWechsel bietet auch Personen, die schon an vielen Programmen und Weiterbildungen teilgenommen haben oder sich bereits ein grosses fachliches Know-how aufgebaut haben, eine neue Herausforderung und eine neue Sichtweise. Deshalb gewinnt SeitenWechsel mit fortschreitender Arbeitserfahrung noch mehr an Attraktivität.

Hast du in der Vergangenheit auch schon einen SeitenWechsel gemacht und wenn ja, was waren deine Erfahrungen und Highlights? Wenn nein, wo würdest du gerne einen SeitenWechsel machen?

Ich habe bis jetzt noch keinen SeitenWechsel gemacht, habe es aber auf jeden Fall noch vor. Meine Kollegin, die seit 10 Jahren bei SeitenWechsel ist, hat ihren SeitenWechsel in der Palliativstation gemacht. Ich habe mir schon überlegt, ob ich vielleicht in eine Institution für Menschen mit Behinderungen gehe. Da spüre ich innerlich einen kleinen Widerstand und deshalb denke ich, dass ich da am meisten lernen könnte.

Vielen Dank für die Einblicke, liebe Valerie!

Über SeitenWechsel

SeitenWechsel ist ein Programm der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft SGG. Das Pilotprojekt wurde zur 700-Jahr-Feier der Schweiz lanciert und ist seit 1994 operativ. SeitenWechsel ist ein individuell gestalteter Arbeitseinsatz in einer sozialen Institution. Die Teilnehmenden entwickeln ihre Sozial- und Führungskompetenzen, verbessern ihr Stress- und Konfliktmanagement und leisten soziales Engagement. Bis heute haben über 3700 Führungskräfte einen SeitenWechsel gemacht.

SeitenWechsel auf der Loopings Landkarte

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