Als Dozentin und Studienleiterin am Institut Alter der Berner Fachhochschule beschäftigt sich Prof. Susanne Kast (63) intensiv mit dem Leben und Tätigsein über das Pensionierungsalter hinaus. Dabei wünscht sie sich mehr Potenzialorientierung und weniger Angstmacherei, auch in Bezug auf die demografischen Veränderungen in unserer Gesellschaft. Ein Gespräch über die Chancen des Älterwerdens, ihre Forschungstätigkeit und «Your Stage – Das Festival zu Arbeitswelten 60plus».
Alter hat für mich eine gewisse Ambivalenz. Finde ich das Alter toll oder nicht? Mit 63 Jahren sind Lebensphasen vorbei, die Zeit, welche bevorsteht, wird kürzer. Gleichzeitig freue ich mich auf eine Zeit mit viel Gestaltungs- und Entwicklungsraum. Persönlich stehe ich kurz vor diesem Lebensabschnitt.
Der Mensch, seine Entwicklung, sein Lernen stehen im Zentrum meiner beruflichen Tätigkeit. Diese Themen betreffen alle Lebensphasen. In meinem Erstberuf beschäftigte ich mich mit dem Lernen und der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Später war ich in der Aus- und Weiterbildung von Erwachsenen tätig. Einhergehend mit meinem persönlichen «Altern», ist meine heutige Tätigkeit am Institut Alter der Berner Fachhochschule die logische Fortsetzung meiner beruflichen Interessen.
Persönlich faszinieren mich die unterschiedlichsten Phänomene des Alters. In den letzten Jahren häuften sich zum Beispiel Ausstellungen hochbetagter Künstlerinnen. Oder wenn der Schriftsteller Peter Bichsel feststellt, das Alter sei geprägt von abnehmender Dringlichkeit, so regt das mein Interesse an. Im Alter steckt eine immense Vielfalt an Aspekten: Wir beschäftigen uns am Institut Alter der Berner Fachhochschule mit dem Arbeitsmarkt 45+ und mit dem Übergang in die Pensionierung. Wir begleiten Gemeinden bei der Gestaltung ihrer Alters- und Generationenpolitik. Wir unterstützen Gemeinden beim Aufbau von Caring Communities. Wir entwickeln Unterstützungsangebote für Angehörige von Menschen mit Demenz. Wir forschen zu intergenerationellen Beziehungen und zum Lebensende. Ich könnte fast endlos aufzählen.
Wir leben in einer Gesellschaft des langen Lebens. Es gilt, das Potenzial der meist gesunden Lebensphase nach der Pensionierung mit Blick auf die Gesellschaft zu nutzen. Potenzialorientierung anstelle von medialer Angstmacherei. Wenn ich zum Beispiel den Begriff Überalterung der Gesellschaft lese, so kann ich nur den Kopf schütteln.
Ich wünsche mir Potenzialorientierung anstelle von medialer Angstmacherei. Wenn ich den Begriff Überalterung der Gesellschaft lese, so kann ich nur den Kopf schütteln.
Susanne KastAlter ist weder besser noch schlechter als andere Lebensphasen. Im Zusammenhang mit langem Leben diskutieren wir heute über die Chancen des Älterwerdens und über neue gesellschaftliche Rollen älterer Menschen.
Wir beschäftigen uns mit individuellen Entscheidungsfaktoren für eine Weiterarbeit nach der Pensionierung. Wir erarbeiten Anregungen für staatliche oder unternehmerische Anreize zur Weiterarbeit nach der Pensionierung, wie z.B. Bildungsmassnahmen oder Massnahmen der Unternehmenskultur. Vor allem wollen wir mit unseren Aktivitäten die Debatte zum Thema Erwerbstätigkeit im Rentenalter anregen.
Als Fachhochschule haben wir den Auftrag an die Öffentlichkeit zu treten. Speziell in diesem Projekt. Das hat etwas mit dessen Charakter zu tun. Wir wollen mit «Your Stage – Das Festival zu Arbeitswelten 60plus» unser Publikum partnerschaftlich einbinden und untereinander vernetzen. Wir möchten eine Plattform bieten, wo individuelle und unternehmerische Visionen Gestalt erhalten, diskutiert und konkretisiert werden.
Wir möchten mit dem Festival eine Plattform bieten, wo individuelle und unternehmerische Visionen Gestalt erhalten, diskutiert und konkretisiert werden.
Susanne KastEs inspirierten uns Menschen, welche nach ihrem Referenzalter unterschiedliche Formen der Erwerbstätigkeit ausprobieren und praktizieren. Unternehmen aus Branchen mit Fachkräftemangel zeigten uns ihre Lösungen, wie und mit welchen Modellen sie motivierte Arbeitnehmende nach dem Referenzalter weiterbeschäftigen und wie diese darauf reagieren.
Sicher darf ich feststellen, dass die Relevanz des Themas unvermindert hoch ist, möglicherweise hat sie sogar zugenommen. Im persönlichen Umfeld stelle ich fest, wie sehr der Gestaltungswille für das Leben nach 65 zugenommen hat. In Form von teilzeitlicher Erwerbsarbeit, Freiwilligenarbeit, Engagement in der Familie, neuen und alten Freizeitbeschäftigungen.
Menschen ab 55 / 60 / 65 Jahren, die ihre berufliche Vision vorantreiben und diskutieren wollen sowie Arbeitgebende, welche Modelle der Weiterbeschäftigung präsentieren oder entwickeln möchten.
Zufrieden bin ich, wenn unser Festivalprogramm ankommt und genutzt wird und wenn wir Erkenntnisse und Kommunikationsinstrumente aus dem Forschungsprojekt in den Arbeitsmarkt transferieren können. In die Hände klatsche ich, wenn die Teilnehmenden mit ihrer Neugier, mit Freude und Engagement interessante und nachhaltige Begegnungen erleben und sogar weiterführen.
Dass Unternehmen zusammen mit älteren Menschen Formen und Modelle der Weiterarbeit ausprobieren und ihre Erkenntnisse kommunizieren.
Ich freue mich auf den Gestaltungsraum! Glücklicherweise ist er noch wenig verplant. Platz haben sollen Erwerbsarbeit, wieder musizieren, ausgiebig freie Zeit für Begegnungen und für ganz Neues.