Man muss einem alten Elefanten teilweise neue Tricks beibringen

Von Stephanie Cengiz, 06. September 2018

Olmar Albers erzählt, wie es sich anfühlte, mit 55 auf Jobsuche zu sein und was ein Praktikum unter Digital Natives bewirkte.

Olmar, wenn man sich auf deinem LinkedIn Profil umsieht, denkt man: «OK, der kann alles.» Vor allem Vertrieb. Wie würdest du deine Kernkompetenzen beschreiben?

Ich denke, ich kann gut verkaufen. Mir liegt es, Menschen zu begeistern, Themen zu integrieren und Zusammenhänge zu schaffen. Vernetztes Denken spielt dabei eine wichtige Rolle. Auch bringe ich ein hohes Mass an Extrovertiertheit mit: Ich habe keine Probleme damit, auf Menschen zuzugehen oder vor einer grossen Menge etwas zu präsentieren. Das mache ich auch sehr gerne.

Du hast einen Teil der zurückliegenden Jahre damit verbracht, eine neue berufliche Herausforderung zu suchen. Wie bist du in die Situation «Jobsuche» gekommen?

Beim letzten Job ertappte ich mich immer wieder bei der Frage, worin der Sinn meiner Arbeit eigentlich besteht. Wenn das passiert, dann solltest du das ernst nehmen. Dazu kam der lange Arbeitsweg. Ich verbrachte täglich zweieinhalb Stunden im Auto. Das war enorm anstrengend. Rückwirkend kann ich bei mir folgendes Muster erkennen: Ich arbeite, dann merke ich, dass etwas bei meiner Arbeitsstelle nicht passt. Ich gehe auf Sinnsuche, halte aus. Werde getrieben von einem inneren Glaubenssatz, der mir sagt, dass ich durchhalten muss, auch wenn ich innerlich schon weiss, dass es für mich so nicht mehr geht. Dann werde ich gekündigt. Interessanterweise habe ich den Sprung nie selber gewagt. Trotzdem tat es jeweils weh, als es zur Entlassung kam.

... und wann hast du gemerkt, dass der Arbeitsmarkt nicht auf dich gewartet hat?

Das habe ich leider sofort realisiert. Diese Erkenntnis schmerzte natürlich. Ich war längere Zeit auf Stellensuche. Das RAV schickte mich nach einiger Zeit in das FAU-Programm: «Fokus Arbeit Umwelt», eine Massnahme für hochqualifizierte Menschen.

Mithilfe des FAU Coaches, meiner RAV Beraterin und den anderen Programmteilnehmern wurde mir klar, dass ich nicht ins «klassische» berufliche System passe! Tests zeigten: Meine Fähigkeiten und Wünsche passen in kein einziges Berufsfeld! Somit musste ich mich fragen, wohin will ich eigentlich, was passt wirklich zu mir? In der Berufswelt hatte ich mir jahrelang etwas vorgemacht. Ich habe Entscheidungen getroffen, die gar nicht zu mir gepasst haben. Dann wurde mir bewusst: Sobald ICH von einer Sache überzeugt bin, funktioniert es. Die eigene Motivation ist der Schlüssel.

Wenn eine Personalerin deine Bewerbung auf dem Tisch hat, was glaubst du, geht dann 1., 2, 3. in ihrem Kopf vor?

Wer stetige Arbeitstierchen (Steady Eddies) sucht, wird wohl eher abgeschreckt sein von meinem Lebenslauf. Vielleicht denkt die Personalerin, ich hätte meine Jobs viel zu oft gewechselt und sei jetzt zu alt. Sie könnte aber auch fasziniert sein von all den bekannten und grossen Firmen, in denen ich gearbeitet habe und von meinen Kompetenzen. Man könnte den CV aber auch so lesen, dass ich eigentlich ein «Blindgänger», ein «Misfit», bin. Hängt davon ab, wie tief und wie gut diese Personalperson ist. Es gibt leider noch viele Leute im Personalbereich, die nach altem Muster suchen, auf langfristige Beziehungen zwischen Arbeitgeber und -nehmer setzen und keine Risikobereitschaft aufweisen.

Gibt es etwas, was du in Bewerbungsgesprächen die letzten Jahre rückblickend betrachtet nicht richtig gemacht hast?

Ich wurde oft gar nicht erst zum Bewerbungsgespräch eingeladen! Das lag wohl daran, dass meine Bewerbung eher lauwarm zum Lesen war. Oft bemerkte ich nämlich schon während des Schreibens, dass mich die Stelle nur halb interessiert. Einmal gab es zwar einen Job, den ich sehr spannend und passend fand. Es ging um Kultur und Innovation. Da wurde ich dann auch eingeladen. Aber im Nachhinein stellten sie trotzdem jemanden ein, der sich schon in dieser Branche bewegte.

Bei einem anderen Gespräch war ich viel zu forsch und zu selbstsicher aufgetreten, aber eigentlich nur aus einer inneren Unsicherheit heraus, die ich überspielen wollte. Beim dritten Bewerbungsgespräch klappte es dann. Ich vermute, dass ich einen Bonus hatte, da diese Stelle über mein Netzwerk reingekommen ist. Auch weil ich gerade nicht zu den Standardbewerbern gehörte. Das Jobangebot kam gerade im richtigen Moment.

Du hast dich davor zehn Monate lang im Impact Hub Zürich bewegt. Die Leute dort waren zwischen Mitte 20 und 40 Jahre alt. Was denkst du: Haben die Generation Y und Z tatsächlich andere Werte und Treiber als Menschen nach langen Berufsjahren?

Ja. Ob das generationen- oder alterspezifisch ist, kann ich nicht beurteilen. Die Menschen, die ich beim Impact Hub getroffen habe, sind stark geprägt von jugendlichem Elan und motiviert, etwas zu bewegen. Mir begegneten da Einstellungen von «Make the world a better place» bis «Get rich quick - Ich mach jetzt mein Super-Startup und in fünf Jahren bin ich Milliardär». Dennoch hatten sie eine andere Work-Life-Balance. Viele der Leute, die sich im Impact Hub tummeln, haben jedenfalls kein Interesse an einem normalen Job mit 100%-Pensum. Sie brauchen mehr Zeit für sich. Die Welt ist heute digitaler und somit auch viel schneller geworden.

Meine Einstellung zu Beginn im Impact Hub war aber auch nicht unbedingt ideal. Ich war stolz auf meinen reichen Erfahrungsschatz und dachte, ich gebe den Jungen etwas mit auf den Weg. Darauf haben die Jungen aber nicht gewartet. Erst musste ich meine Einstellung ändern. Wieder zuhören lernen und mir etwas beibringen lassen. Belehrt werden, anstelle zu lehren. Ich musste erst vom hohen «Chef»-Ross steigen.

Und gibt es Punkte in der Zusammenarbeit zwischen Jüngeren und Älteren, wo Welten aufeinanderprallen oder wo du sagst, da funktioniert die Kommunikation nicht richtig?

Bei der Kommunikation mit Jüngeren war ich speziell gefordert, weil ich zusätzlich Vater bin. Da muss man enorm aufpassen, dass man seine Coworkers nicht als Kinder betrachtet und sie auch so behandelt. Nicht, dass man da als ältere Person plötzlich Verantwortung übernimmt, die einem gar nicht zusteht. Da fällt mir eine Situation mit einer Kollegin beim Impact Hub ein. Sie war für meine Einarbeitung zuständig in einer Situation, in der die Personaldecke richtig dünn war und sie hatte wenig Zeit. Ich sagte zu ihr: «Ich spüre, du bist irritiert. Was ist los?» Sie sagte: «Du bist so langsam!» Jemand anders bezeichnete mich sogar als «digitaler Grandpa!»

Wow. Das hat gesessen. Die jungen Coworkers spiegelten einfach meine eigene Ungeduld zurück. Genau das, was ich früher mit meinen ehemaligen Mitarbeitern falsch gemacht hatte… Ich fühlte mich unter Druck gesetzt, ich wollte mich ja beweisen und mich von meiner besten Seite zeigen. Aber ich kannte die Regeln nicht. Es war, wie wenn du als Fussballer plötzlich American Football spielst. Du kannst zwar athletisch sein, in der Praxis musst du aber ganz von vorne anfangen und dich erstmal mit den Regeln vertraut machen.

Irgendwann fiel bei mir der Groschen und ich merkte: «Ich kann nicht krampfhaft versuchen, sofort eine Bombenleistung zu erzielen. Aber ich kann versuchen, hier einfach Mensch zu sein.» So habe ich gelernt, mich und meine Gegenüber als Menschen zu betrachten. Ohne Erwartungen in ein Gespräch reingehen hilft da sehr. Als ich dann irgendwann gemerkt habe, dass das Problem bei mir lag und ich mich vom unrealistischen Leistungsdruck befreien konnte, hat sich die ganze Situation gedreht. Ich war ja Praktikant beim Impact Hub, somit bewegte ich mich in einer einigermassen geschützten Umgebung und bekam auch die Chance, Fehler zu machen.

Und Dos und Dont`s für Menschen 49+ auf der Jobsuche?

Wenn du was Neues machen willst, dann kannst du kein Wiederholungstäter sein. Man muss einem alten Elefanten teilweise neue Tricks beibringen! Jeder Neustart kostet Zeit, Energie und hat natürlich auch einen finanziellen Impact. Du musst dich fragen, ob du für diese Abenteuerreise bereit bist. Du solltest wirklich erst genau überlegen, was du willst. Du kannst für dich zum Beispiel ein Skills-Set entwickeln. Worin bist du gut, was machst du gerne, welche Aufgaben schiebst du am liebsten ab? Da muss man ganz ehrlich sein mit sich selbst. Und: unbedingt Hilfe zulassen und Widerstände abbauen. Das war für mich ein wichtiger Lernprozess. Ich suchte mir einen Coach, der mich unterstützte und mir diese wichtigen Fragen stellte. Ich lernte, dass ich meine Persönlichkeit nicht ändern muss, aber auf meine Verhaltensweisen achten sollte. Und vor allem durfte ich einiges auszuprobieren – und mich dabei Schritt für Schritt besser kennenlernen.

Es wird überall gesagt – und ich kann es nur bestätigen: Die Chance, dass du einen Job über dein Netzwerk findest, ist viel grösser, als wenn du dich auf ausgeschriebene Stellen bewirbst. Deswegen macht es Sinn, sich im Vorfeld zu fragen, in welche Richtung man gehen möchte und wie man sich dort möglichst schnell ein Netzwerk aufbauen kann, falls man es noch nicht hat. Es bringt nichts, wenn du im stillen Kämmerchen vor dich hin arbeitest. Man sollte unbedingt mit vielen Leuten sprechen, den Kontakt suchen und Feedback einholen.

Was waren für Dich die wichtigsten Schritte zum Erfolg?

Für mich waren die Erfolgsfaktoren:

  • Zeit – nimm Dir Zeit die richtigen Fragen zu stellen – die Unterstützung vom RAV/ALK und deren Programme haben mir das ermöglicht

  • Ausprobieren – die Möglichkeit, als Praktikant zu arbeiten, hat mir geholfen, einen Karrierewechsel zu vollziehen

  • Offenheit zum Lernen – auch wenn es weh getan hat. Vor allem tat die Erkenntnis weh: Was mich früher erfolgreich gemacht hat, zählte zum Teil nicht mehr.

  • Hilfe vieler Menschen, meine Familie, Coaches, ImpactHub, RAV/ALK, FAU, Freunde, letztendlich stellte sich meine individuelle Jobsuche als Teamarbeit heraus

  • Mir selber treu bleiben – auch wenn ich in dem Prozess öfter als einmal frustriert oder sogar verzweifelt war – der Prozess hat mir geholfen, meine wahren Werte zu erkennen und Vieles, was an meiner Einstellung zum Beruf nicht authentisch war, loszuwerden.

Nun arbeitest du seit neun Wochen in einem neuen Projekt. Um was geht es?

Die Mission vom Verband ist es nachhaltiges Wirtschaften im Management von Unternehmen zu etablieren.

Unser Verband wurde vor 30 Jahren gegründet. Auch hier ist es wichtig, dass wir einen Transformationsprozess in Gang setzen, damit wir auch in Zukunft unsere Mission erfüllen können. Das passt sehr gut zu mir. Denn jetzt geht es um ähnliche Herausforderungen, die ich während meiner persönlichen Orientierung auch schon hatte: Den Mut haben, vieles aus der Vergangenheit zu hinterfragen, einen Realitätscheck zu machen und einen Neustart zu wagen. Gemeinsam mit unseren Mitgliedern und unserem Netzwerk wollen wir etwas Neues entstehen lassen.

Nutzt du dein Netzwerk aus der Impact Hub-Zeit denn jetzt noch?

Ja, und wie! Es bringt mir sehr viel, denn die Coworkers haben einen frischen Blickwinkel auf die Dinge. Mit einigen tausche ich mich noch immer regelmässig aus. Wir sprechen über die Mission von öbu – oder sie machen Jobs für uns. Zusätzlich habe ich beim Impact Hub viele wertvolle Methoden kennengelernt, die ich täglich anwende – wie zum Beispiel die Software Toggl, die Design Thinking Methode oder weitere Innovations-Werkzeuge. Ohne den Impact Hub wäre ich in meinem jetzigen Job chancenlos.

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