Beste Ausfahrt «Selbstständigkeit»

Von Stephanie Cengiz, 26. Dezember 2017

Eine Karriere in führenden Managementpositionen und in der Geschäftsleitung hinter sich, 55 Jahre alt und die Kündigung auf dem Tisch. Was jetzt? Ueli Niederer hat kurzerhand seine Leidenschaft (das Schenken) zum Beruf gemacht und mit der Boutique Butterfly einen Neustart gewagt.

Warum wollten Sie selbstständig werden?

Als mein Vater 33 Jahre alt war, übernahm er das Unternehmen seines Vaters und führte es bis zu seinem frühen Tod mit 55 Jahren erfolgreich. Zu der Zeit war ich in der Lehre und natürlich noch nicht in der Lage, das Unternehmen zu übernehmen. Davor erlebte ich am Beispiel meines Vaters tagtäglich was es bedeutet, «Unternehmer» zu sein. Mit allen Vorzügen und Annehmlichkeiten auf der einen Seite, und mit den Entbehrungen und dem Verzicht auf der anderen.

Der Drang, das Familien-Unternehmertum weiterzuführen, begleitete mich während meiner beruflichen Laufbahn mal mehr, mal weniger. Als meine Stelle aufgrund einer Firmen-Fusion abgebaut wurde, sanken die Aussichten auf den Wiedereinstieg als 55 Jahre junger Mann rapide. Ich fiel in ein tiefes Loch, aus dem es keinen Ausweg zu geben schien. Aufgeben ist aber nicht mein Ding und so erinnerte ich mich zurück an meine Wurzeln. Es gab nur noch ein Vorwärts und eine Zukunft! In dieser Zeit frönte ich meinen kreativen Hobbys und dabei kam die zündende Idee; eine Boutique eröffnen und mich damit selbstständig machen. So konnte ich den eingeschlagenen Weg meiner beiden Vorahnen wieder aufnehmen, das war für mich immer ein grosser Traum. Das dies nun im «zarten» Alter von 56 Jahren erfolgte, war eine Mischung aus Hobby, Reisen, Jobverlust und «Jetzt erscht rächt»!

Wie kamen Sie auf die Idee, eine Geschenk-Boutique zu eröffnen?

Mit unseren Reisen in allerlei Länder waren am Schluss immer welche Geschenke für Freunde und Familie im Gepäck. Meine Frau und ich schenken gerne. Dabei war immer wieder auffällig, dass gerade Schweizer in ihren Ferien Sachen kauften, die es bei uns nicht gibt oder gab. Dies brachte mich auf die Idee, eine Geschenk-Boutique mit besonderen Geschenkideen in meiner Heimat zu eröffnen. Solche Läden gibt es aber viele. Es sollte schon etwas Besonderes sein. Mit einem durchdachten Konzept ging es an den Businessplan.

Und was ist Ihr besonderes Angebot in der Boutique Butterfly?

Das Konzept umfasst das Angebot mit einer Geschenkboutique, einem Treffpunkt zum Geniessen in Form eines Bistros, einem Künstlerecken für kreative Köpfe und Kunstschaffende sowie ein Onlineshop. Mein Ziel ist, dieses Angebot in zwei bis vier Jahren zu erreichen. Basis ist die Boutique mit einer Kaffee-Bar und einer Künstlerecke.

Weiter umfasst das heutige Angebot rund 1600 Artikel zum Schenken, Wohnen und Geniessen. Auch meine Eigenmarke ist mit an Bord. Im Vordergrund stehen Produkte, zu denen es etwas zu erzählen gibt, bzw. die eine Geschichte haben. Story Telling aus der Region, Swiss Made. So traf ich auch die Neustarterin Maya Lörtscher an einer Messe…. Ihre tollen Produkte sind heute in meiner Boutique erhältlich.

Was haben Sie beruflich genau gemacht, bevor Sie Ihre Boutique eröffnet haben?

Als gelernter Mechaniker zog es mich schnell in die Industrie, ich lernte verschiedene Funktionen und erste Führungsaufgaben kennen und absolvierte über 15 Jahre lang berufsbegleitend Aus- und Weiterbildungen. Diese boten mir die Möglichkeit, interessante und verantwortungsvolle Jobangebote zu bekommen. In den letzten 20 Jahren war ich meist verantwortlich für Bereiche des Supply-Chains grosser Firmen in führenden Managementpositionen, auch als Geschäftsleitungsmitglied. Zuletzt schied ich nach einer Firmen-Fusion mit 55 Jahren aus.

Was waren Ihre ersten Schritte, nachdem Sie die Idee hatten?

Mit viel Schwung wollte ich die Idee greifbar, machbar machen. Dazu diente ein Businessplan. Während mehreren Monaten stöberte ich in allen möglichen Geschenk-Boutiquen von Zürich bis ins schöne Bündnerland, besuchte Messen und potentielle Lieferanten. Nächtelange analysierte ich das Geschenkartikelangebot im Internet. Nachdem die Eckpunkte meines Businessplans standen und die Machbarkeit das Okay erhielt, ging es an die Umsetzung.

Wie lange hat es dann bis zur Eröffnung der Boutique gedauert?

Die Idee, eine eigene Boutique zu eröffnen, war schon lange vorhanden, das heisst zirka 3 Jahre. Der Zeitraum vom Entscheid, dass ich das wirklich machen möchte, bis zur eigentlichen Boutique-Eröffnung am 4. Juni 2016 war dann aber doch ziemlich kurz, 7-8 Monate.

Wie haben Sie Ihre Boutique bekannt gemacht?

Zu Beginn waren es Zeitungs- und PR-Berichte, verbunden mit Flyerwerbung, meiner Homepage und vereinzelten Mailings. Mittlerweile ist die Mund-zu-Mund-Werbung für die Neukundengewinnung sehr wichtig geworden und auch den Social-Media-Kanal Facebook nutze ich je nach Kundensegment.

Was empfanden Sie als grösste Schwierigkeit auf Ihrem Weg zur Selbstständigkeit?

Als Kleinunternehmer ohne Kundenstamm und als Quereinsteiger tanzt man auf einigen Hochzeiten. Ich frage mich des Öfteren: «Mache ich immer das Richtige und Wichtige? Was sind die Erfolgsfaktoren? Welche USPs heben die Boutique von den anderen ab? Habe ich die Machbarkeit genug realistisch beurteilt?» Gleichzeitig empfinde ich die eigenen Erfolgserwartungen als grosse Herausforderung.

Was hätten Sie ganz am Anfang niemals gedacht, was Sie im Laufe des Neustarts gelernt haben?

Das Kaufverhalten der Kunden und dass sich «alles» um meine Boutique drehen würde. Beim Kaufverhalten sind es (um ein paar Aspekte zu nennen): der Einfluss des Online-Einkaufens, die Kaufmentalität in unserer Region und das «Geiz-ist-geil»-Kaufverhalten.

Die Boutique nahm und nimmt stets viel Zeit in Anspruch. Da steht das eine oder andere im privaten oder familiären Umfeld hinten an. All dies hatte ich in diesem Ausmass nicht erwartet.

Wo sehen Sie die Butterfly Boutique in 5 Jahren?

Die Frage kann ich heute noch nicht beantworten. Mein Fokus liegt (sportlich betrachtet) beim Gewinnen der einzelnen Etappen, nicht beim Gewinnen der Meisterschaft. Aber im fünften Jahr will ich auf jeden Fall zurückblicken und mir sagen können: «Du hast das Richtige getan, hast einen guten Job gemacht und warst erfolgreich!»

Was würden Sie möglichen Neustartern empfehlen, wenn sie so ein Projekt angehen wollen?

Jeder macht seine eigenen Erfahrungen und kommt mit unterschiedlich gefülltem Rucksack in ein solches Projekt.

Was ich aber wirklich empfehlen kann: Sich vor dem Start ein gutes Netzwerk aufzubauen, «Anlaufstellen» für etwelche Problemstellungen oder Sparringspartner an seiner Seite zu haben und die Fähigkeit besitzen, das eigene Projekt aus anderer Perspektive zu betrachten. Auch sollte man Feedback und/oder Kritik geben und einstecken können.

Worauf sind Sie heute am meisten stolz?

Es ist mir (und allen, die mich unterstützt haben – vor allem meiner Frau) gelungen, einen tollen Start hinzulegen. Ich habe mich in kurzer Zeit in die Themenfelder der Branche einarbeiten können. Auch sehr stolz bin ich auf den erfolgreichen Aufbau der eigenen Homepage mit verknüpftem Onlineshop und der Vernetzung mit Social Media.

Die schönsten Erfolgsmomente sind jedoch die vielen zufriedenen Kunden und die tollen Kunden-Feedbacks.

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