«Ich kenne viele Pensionierte, die sich auch in der digitalen Welt gut auskennen.»

Von Bernadette Höller, 16. September 2019

Alexis Weil wollte schon immer selbstständig sein. Vor zwei Jahren hat er sein Start-up «seniors@work» gegründet und ist nun erfolgreich und happy unterwegs mit seiner Jobplattform für Seniorinnen und Senioren in der Schweiz.

Alexis, gab es ein bestimmtes Erlebnis, das dich dazu brachte, die digitale Jobplattform seniors@work für Ältere ins Leben zu rufen?

Mein Ziel war schon immer selbständig zu sein. Sogar im Gymnasium habe ich mit Schulkollegen eine eigene Firma während des Projekts «YES» gegründet. Es hat mich fasziniert, selber für den Erfolg verantwortlich zu sein.

Als dann vor zwei Jahren mein Vater pensioniert und mir bewusst wurde, dass es eigentlich keine Möglichkeit gibt, die ganze Lebens- und Arbeitserfahrung der älteren Generation weiter einsetzen zu können, war die Idee von seniors@work als Job-Netzwerk für pensionierte Talente geboren.

Ich kenne viele Pensionierte, welche sich jung und fit fühlen und sich auch in der digitalen Welt gut auskennen. Gleichzeitig liest man jede Woche in den Medien über den Fachkräftemangel und dass viele KMU’s und Start-ups nach Unterstützung suchen, aber niemanden finden. Daher stellt die Plattform eine Win-Win-Situation für die Seniorinnen und Senioren sowie die Auftraggeber dar. Die Plattform soll einerseits Arbeitseinsätze ermöglichen und andererseits den Austausch der jungen und älteren Generation fördern. Wir können nämlich sehr viel voneinander lernen.

Angenommen, ich bin 66 und habe Lust 2-3 Tage pro Woche meine Arbeitskraft einem Unternehmen zur Verfügung zu stellen – was muss ich tun und wie unterstützt ihr mich?

Zu allererst erstellt der Senior oder die Seniorin ein Profil von ihrer Person und ihrer Erfahrung – wie eine Art LinkedIn-Profil. Anschliessend können Auftraggeber aktiv nach Senioren suchen. So kann mit Hilfe eines Suchfilters nach Senioren mit spezifischen Kenntnissen wie z.B. «Buchhaltung» in der Nähe gesucht werden. Ist ein geeigneter Senior gefunden, kann er vom potenziellen Auftraggeber via Kontaktformular kontaktiert werden. Falls ein Auftrag zu Stande kommt, vereinbaren der Auftraggeber und der Senior die Termine und Preise für die gewünschten Dienstleistungen. Die Bezahlung, Garantieleistungen und Versicherungen ist Sache der Parteien. seniors@work ist zum heutigen Zeitpunkt eine Vermittlungsplattform.

Gleichzeitig haben die Auftraggeber auch die Möglichkeit, einen Auftrag zu veröffentlichen, also zum Beispiel «Projektleiter für Startup gesucht (20%)». Auf diesen Auftrag können sich dann die Senioren bewerben und mit dem potentiellen Auftraggeber in Kontakt treten.

Falls Probleme bei der Erstellung des Profils aufkommen oder sonstige Hilfe benötigt wird, können sich die Senioren und Auftraggeber natürlich jederzeit bei uns melden.

Und über die Jobvermittlung hinaus?

Wir wollen nicht nur eine digitale Jobplattform anbieten, sondern eine Community aufbauen. Dies beinhaltet Workshops oder auch Events. Diese Aktivitäten wollen wir mit Partnern wie z.B. der Neustarter-Stiftung durchführen. Denn für viele Menschen ist die Pensionierung eine grosse Herausforderung und sie brauchen aktive Unterstützung dabei, sich im neuen Lebensabschnitt zurechtzufinden.

Du sprichst viel mit Unternehmen, um diese für den temporären Einsatz von Menschen über 60 zu sensibilisieren – rennst du da offene Türen ein?

Es gibt sicherlich Unternehmen, welche noch Vorurteile gegenüber Seniorinnen und Senioren haben. Einige denken, dass sie nicht mit digitalen Medien bewandert sind. Statistiken zeigen aber, dass sich schon über 2/3 der Senioren mit den digitalen Medien auskennt, Tendenz steigend.

Die meisten Unternehmen sehen aber den Mehrwert in einem Senior und sind offen, diesen auch einzustellen. Vor allem die zeitliche Verfügbarkeit und die Erfahrung der Senioren ist für viele Unternehmen sehr interessant. Zudem gibt es neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit pensionierten Talenten.

Für welche Art von Unternehmen eignet sich euer Angebot besonders?

Vor allem für Startups, KMU’s oder Vereine, welche zum Teil nicht so viele Ressourcen besitzen, können Senioren einen wertvollen Beitrag zur Wertschöpfung beitragen. Senioren üben nämlich die Tätigkeiten oftmals nicht aus finanzieller, sondern aus intrinsischer Motivation aus. Dies sind perfekte Bedingungen für solche Organisationen. Zudem bringen die Senioren ja sehr viel Erfahrung mit, von der die jüngere Generation extrem profitieren kann.

Für Start-ups mit oftmals jungen und vielleicht unerfahrenen Gründern und Mitarbeitern im Unternehmen bringt eine ältere und erfahrene Person einen grossen Mehrwert. Sie kann einerseits normale Tätigkeiten wie Buchhaltung oder Administration übernehmen aber auch als eine Art Mentor mit grosser Erfahrung fungieren. Zudem sind Personen im offiziellen Ruhestand zeitlich flexibler und können schnell mal kurzfristig einspringen.

Gibt es ein besonders schönes Erlebnis der vergangenen Wochen, wo du sagst, das war so ein tolles Match…wo die Seniorin oder der Senior happy war, genauso wie das Unternehmen?

Im Sommer kam ein Unternehmen auf uns zu, da sie kurzfristig wegen eines Weggangs eine personelle Lücke im Qualitätsmanagement hatten. Sie mussten dringend ein Anerkennungsverfahren für den Kanton durchlaufen und brauchten erfahrene Unterstützung. Am Anfang dachte ich, dass ich so kurzfristig niemanden finden würde. Doch tatsächlich gab einen Senior auf der Plattform, der auf die Anforderungen passte. Der Auftraggeber war begeistert und der Senior war froh, sein Wissen weitergeben zu können.

Schlussendlich ist aber jede auch so kleine Vermittlung für mich eine Motivation, die Plattform weiterzuentwickeln, sodass noch mehr Senioren und Auftraggeber vom Angebot profitieren können.

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