Eine Sackgasse für 50plus?

Von Brigitte Reemts, 17. September 2018

Kürzlich erhielt eine Klientin von mir sinngemäss folgende Absage von einem Personalberater: «Im Quervergleich hat man Kandidaten weiterverfolgt, die von der Erfahrung her eher eine Stufe tiefer als Sie angesiedelt sind und sich noch entwickeln können und wollen!»

Das anschliessende Gespräch bei mir in der Beratung verlief, wie diese Gespräche häufig verlaufen: «Das ist doch ein Witz! Warum schreiben die nicht gleich, dass ich zu alt, zu teuer, überqualifiziert bin?». Ja, warum? Einerseits sicherlich, weil sich Unternehmen einen Haufen Ärger einhandeln, wenn sie so etwas schreiben würden. Und dieser Art Ärger lieber aus dem Weg gehen. Anderseits aber vielleicht auch, weil dies aus Sicht des Unternehmens auch wirklich nicht der Grund für die Absage ist. Vielleicht sucht dieses Unternehmen ja tatsächlich eine Person, für die die ausgeschriebene Stelle noch eine echte Herausforderung ist, an der sie mit den Jahren wachsen kann. Natürlich kann der Grund hierfür auch sein, dass das Budget für die Stelle nicht so hoch ist («billiger») oder auch, dass die Stelle nur ein eingeschränktes Mass an Erfahrung und Qualifikation erfordert, um überhaupt spannend zu sein. Natürlich kann ich mich darüber ärgern, wenn ich gerne in diesem Unternehmen gearbeitet hätte. Aber wen bringt das weiter? Und andererseits: Ist es nicht das Recht jeden Unternehmens, die Stellen so zu besetzen, wie es will?

Aus meiner Sicht als Beraterin beginnt das Problem früher: Die Stelle war in grossen Anzeigen in den Printmedien und natürlich online ausgeschrieben, Ansprechpartner war ein bekanntes Personalberatungsunternehmen und die Bewerberin, 55plus, eine sehr qualifizierte und erfahrene Kandidatin, die einiges zu bieten hat. Eine Traumkombination könnte man denken…

Mich hat diese Absage nicht erstaunt. Provokativ formuliert hatte ich eine Absage erwartet. Die Chance, dass ein Bewerber oder eine Bewerberin eine Stelle über den offenen Stellenmarkt bekommt ist klein. Ist die Person 50plus ist sie sogar sehr klein.

Nur zirka 30% (sehr grosszügig gerechnet) der Stellen werden in der Schweiz über den offenen Stellenmarkt vergeben. Auch Unternehmen haben mittlerweile festgestellt, dass sie über Active Sourcing zu schnelleren und passenderen Resultaten gelangen als über offen formulierte Stellenausschreibungen, die eine grosse Anzahl von nicht ganz passenden Bewerbern generieren. Der offene Stellenmarkt ist also vergleichsweise klein und zusätzlich ist die Konkurrenz durch andere Bewerber überproportional gross. Dies deshalb, weil sich sehr viele Bewerber aus unterschiedlichen Gründen bewerben: Stellensuchende, die meinen, dem Profil zu entsprechen. Dazu Arbeitnehmer, die eine Stelle haben, sich aber eventuell verbessern wollen oder einfach ihren Marktwert testen wollen. Und es bewerben sich auch Personen, die gar nicht in Frage kommen, es aber trotzdem probieren, weil sie hoffen, dass sich sonst niemand bewirbt, oder auch nur, weil sie beim RAV ihre Bemühungen nachweisen müssen.

Die Chance in der Flut dieser Bewerbungen zu bestehen ist gering, besonders wenn man in dem einen oder anderen Punkt nicht ganz den Anforderungen entspricht. So werden zum Beispiel in vielen Inseraten Altersangaben gemacht, die nicht wirklich durchdacht sind. Oder es werden Anforderungen an höhere Abschlüsse definiert, die es zum Teil vor zehn Jahren überhaupt noch nicht gab. Hat ein Recruiter aber dreissig Bewerber, die allen Anforderungen entsprechen, wird er sich kaum die Mühe machen, die Bewerbung von jemandem zu überprüfen, der in einem Detail abweicht. Und das Gleiche gilt für ein Personalberatungsunternehmen. Dieses besetzt auf Mandat eines Kunden eine offene Position und versucht selbstverständlich, den Anforderungen des Kunden in allen Teilen gerecht zu werden.

Die Arbeit eines «Recruiters» – sei dies in Unternehmungen oder auch in Beratungsfirmen – besteht darin, sehr schnell eine grosse Anzahl von Bewerbungen zu prüfen und nach gewissen Kriterien zu filtern. Gerade in Grossunternehmen wird diese Arbeit in sehr vielen Fällen technisch durch Recruiting-Tools unterstützt, die genau vorgeben, welche Unterlagen in welchem Umfang überhaupt erwünscht sind. Nach vordefinierten Keywords wird dann gesiebt und eine genaue Sichtung der Unterlagen kann nur erwartet werden, wenn diese Hürde überwunden wurde. Diese Art von Rekrutierung hat für das Unternehmen den Vorteil, effizient zu sein. Für ältere Arbeitnehmer hat sie aber den grossen Nachteil, dass gerade ihre Assets – breite Erfahrungen, vielleicht auch Brüche im Lebenslauf, vielfältige Kenntnisse und Erfahrungen, vielleicht Ausflüge in andere Bereiche oder Selbstständigkeit – hier eher zum Hindernis werden. Der Eindimensionalität eines standardisierten Bewerbungsprozesses steht die Mehrdimensionalität eines «gelebten Lebens» gegenüber.

Diesen Widerspruch kann man auf dem offenen Stellenmarkt nicht überwinden. Dies gelingt nur über den verdeckten Stellenmarkt, welcher, richtig bearbeitet, Chance eröffnet, sich mit all seinen «Farben» gut vorbereitet einem interessierten Gegenüber persönlich zu präsentieren.

Obwohl bei einer gezielten Bearbeitung des verdeckten Stellenmarktes die Erfolgsquote gerade für Ältere ungleich höher ist, suchen leider immer noch viele dort, wo alle suchen. Nach meiner Beobachtung liegt der Grund dafür darin, dass es auf den ersten Blick einfacher ist, sich quasi hinter seinem PC/Laptop zu verstecken und von dort aus sicherem Abstand den Stellenmarkt mit sorgfältig formulierten Bewerbungsbriefen und schön getunten Bewerbungsunterlagen zu bearbeiten. Es lassen sich so massenweise Bewerbungen generieren und damit auch das angenehme Gefühl, sehr aktiv zu sein. Und das Beste: Man muss keinerlei Schwellenängste überwinden, um mit Fremden ins Gespräch zu kommen. Zugegeben sind das auf den ersten Blick Vorteile.

Doch leider führt diese Strategie selten zum Erfolg. Erfolgsversprechend wäre das Gegenteil: Aktiv das eigene Profil erarbeiten, Anforderungen an die zukünftige Stelle definieren, recherchieren, Unternehmen identifizieren, die den eigenen Zielen entsprechen, Gespräche führen, sich Entscheidern präsentieren. Aufhören mit «Ich suche», starten mit «Ich biete»! Dieses Vorgehen ist nicht nur erfolgversprechender, es befreit sie auch vom passiven Warten auf das richtige Inserat und Sie bleiben im «Driver Seat».

Wenn ihr den Austausch mit Gleichgesinnten sucht, seid ihr am Loopings Stammtisch für Stellensuchende oder Selbstständige herzlich willkommen. Wir freuen uns darauf, euch kennenzulernen!

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