Silvana Mombelli Thommen hat mit 58 Jahren die Geschäftsführung der Fondation ART-THERAPIE übernommen – einer Stiftung, die sich für die Förderung von Kunst- und Musiktherapie-Programmen einsetzt, um die Genesung schwer erkrankter Neugeborener, Kinder und Jugendlicher in Schweizer Spitälern zu erleichtern. Ein Interview.
Ich habe damals nicht erwartet, dass mir in meinem Alter eine solche Möglichkeit angeboten wird. Eine lange Lebens- und Berufserfahrung, ein breites Know-how, eine grosse Flexibilität– verbunden mit dem Willen, Neues zu lernen – sind jedoch ausgezeichnete Voraussetzungen, um die Herausforderung zu meistern und Spass an der Aufgabe zu haben.
Meine Aufgaben waren seit Eintritt im Februar 2021 klar definiert, unter anderem der Aufbau eines Teams, die Reorganisation der internen Strukturen, die Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen im Stiftungssektor und die Bekanntheit von Kunsttherapie und der Stiftung zu erhöhen.
Ich bin eine positiv eingestellte Person und erachte jede Hürde als eine Chance für eine Veränderung und Verbesserung. Auch in schwierigen Situationen sollte jeder Mensch versuchen, das Beste herauszuholen. Den «Horizont zu erweitern», sich andere Kompetenzen und Fähigkeiten anzueignen und Neues zu lernen, ist für mich essenziell. Nicht nur das Leben, sondern auch die berufliche Laufbahn sind ständig in Bewegung.
Im Jahr 2020 habe ich mir zwei wichtige Fragen gestellt: Welche voraussichtlich letzte Berufserfahrung strebe ich an? In welche Aufgabe möchte ich mein Fachwissen, meine Energie und meine Leidenschaft stecken? Die zweite Frage habe ich mir im Laufe meines Lebens regelmässig gestellt. Die war also nicht wirklich neu für mich. (lacht)
Das Wichtigste ist, sich der eigenen Fähigkeiten und Bedürfnisse bewusst zu sein. Das gewünschte Tätigkeitsfeld und die Rahmenbedingungen zu definieren, gehört ebenfalls dazu. Gezielt und doch breitflächig zu suchen und sich nicht von Absagen entmutigen lassen.
Das ist eine gute Frage. Wenn man sich nicht sicher oder selbst nicht in der Lage ist, diese zu erkennen, hilft ein gut gewähltes Coaching oder Mentoring. Und das in jedem Alter und in jeder beruflichen Situation.
Arbeitgebende müssen verstehen, dass ältere Mitarbeitende eine Bereicherung für ein Team sind. Auch wenn der Lohn etwas höher ausfällt. Berufserfahrung, vertiefte Fachkenntnisse und eine gewisse Gelassenheit zahlen sich meiner Meinung nach aus und ergänzen die Eigenschaften von jüngeren Mitarbeitenden in den Teams.
Auf der anderen Seite müssen die Älteren auch bereit dazu sein, Neues zu lernen und aus der Komfortzone zu treten. Damit meine ich nicht nur, dass sie Weiterbildungen machen sollen, sondern dass es auch Kompromisse braucht. Ich stelle fest, dass manche Personen an ihren Aufgaben, ihrer Funktion, ihrer Stellung in der Firma, ihrem Gehalt und so weiter festhalten und nicht bereit sind, Kompromisse einzugehen. Bricht man diese starren Denkmuster auf, ist auch ein Stellenwechsel meiner Meinung nach besser machbar.
Meine Kolleginnen sind alle jünger als ich, wir ergänzen uns gerade darum sehr gut. Jede Generation bringt ihr Know-how, ihre Ansichten und Anregungen in verschiedenen Bereichen mit, die wir in die tägliche Arbeit integrieren. Weil ich jedoch über eine längere Berufserfahrung verfüge, kann ich die Strategie festlegen, das Team unterstützen und führen. Eine optimale Konstellation.
Auf ehrenamtlicher Basis weiterhin spannende, sinnstiftende Projekte umzusetzen.
Als ich in Frankreich eine Stelle im Musikbereich mit einer Lohneinbusse von rund 50% gegenüber meiner vorherigen Stelle in Zürich angenommen habe. Bei dieser Herausforderung in einem für mich komplett neuen Bereich konnte ich mir ein grosses Fachwissen aneignen und sehr viel hinter den Kulissen des Musikbusiness erleben. Das bleibt bis heute unbezahlbar.