Gräbers Grabreden

Von Stephanie Cengiz, 07. Januar 2019

Christiane Gräber überlegte nach einer Krise ganz genau, was sie will und vor allem, was sie kann. Sie machte sich im Jahr 2018 mit Grabreden selbständig. Wie es dazu kam, über die Phase des «Dazwischen» und was es heute für sie bedeutet, dass erste Mal im Leben Vertrieb zu machen – wir haben mit ihr gesprochen.

Christiane, du hast beim letzten Neustarter-Stammtisch deine Geschichte so wunderbar erzählt – bitte nochmal, wie kamst du auf die Idee, dass das Schreiben und Halten von Grabreden dein Ding ist?

Nach einer beruflichen Krise habe ich mich zurückgezogen, um meine Qualitäten und Fähigkeiten klarer zu sehen, die ich in meiner künftigen Tätigkeit verwirklichen wollte. Dieser Prozess hat mich weg vom Bisherigen und hin zu Neuem geführt. Ein Bild hat mich dabei geleitet: Der Streifen zwischen Acker und Wald als Ort grösster Artenvielfalt. Hier fand ich wesentliche Fähigkeiten, die ich bislang im Privaten oder in Teilen meiner Tätigkeit genutzt hatte. Es waren drei wesentliche Kompetenzen, die ich als Potential für eine Geschäftsidee erkannte.

Erste Qualität: Ich konnte Reden zu unterschiedliche Anlässe und Themen verfassen und so vortragen, dass Zuhörer*innen sich bedankten und den belebenden Vortrag, meine speech skills, genossen. Das Besondere erschien mir im Rückblick, dass die Reden für so unterschiedliche Anlässe waren wie Jubiläen, Sachthemen, Feste, einmal war mir sogar das «Geburtstagskind» beinah unbekannt.

Zuhören, Themen aufnehmen und zu einer Ansprache zu verarbeiten ist heute mein Handwerk. Ich benötige verschiedene Elemente dazu: Inhaltskenntnis, Themenbündelung, Kritisches erkennen und verarbeiten, Witziges und Eigenarten aus dem Leben des Verstorbenen aufnehmen. Eine gute Rede ist wie eine gute Erzählung, weise, witzig und nachdenklich.

Zweite Qualität: Ich bewahre Gelassenheit im Umgang mit Sterbenden und der Traurigkeit der Angehörigen. Ich durfte in verschiedenen Situationen erfahren, dass meine Anwesenheit gesucht wurde, dass es mir gelang, die richtige Zuwendung, das rechte Wort oder die passenden Fragen zu stellen.

Dritte Qualität: Mein Nachname, der heute selbsterklärend ist – bislang stellte ich mich vor: «Gräber – wie Goldgräber», um der Assoziation Totengräber vorzugreifen. Jetzt ist mein Name Konzept: Gräber-Reden.

Wurde dir der Name eigentlich in die Wiege gelegt oder hast du einen Mann gesucht, der Herr Gräber hiess und den geheiratet?

Das war nicht nötig, Gräber ist mein Geburtsname und bei unserer Hochzeit konnte ich meinen Mann überzeugen, dass er «Gräber» als Familiennamen annimmt. Mit unseren zwei gemeinsamen Töchtern trugen bereits drei Menschen unserer Familie diesen Nachnamen. Er liess sich gewinnen und durfte entsprechend des damaligen deutschen Rechts seinen eigenen Namen in Form eines Doppelnamens weitertragen. Er verwendet heute mit Ausnahme offizieller Unterschriften seinen «Mädchennamen» – gut gelöst.

Wie war diese Phase, in der es darum ging, dich für den neuen Weg zu entscheiden? Was waren Treiber und auf der anderen Seite Hürden, die du nur schwer überwinden konntest?

In meinem Prozessbuch, dass ich seit ca. 2 Jahren mit Notizen aus Gesprächen und Veranstaltungen fülle, habe ich anfangs notiert: «Ideen zu haben ist gut! Ideen zu verwirklichen ist besser und tut gut.»

Die Hürden waren die Finanzen und die Kundengewinnung. Nach viermonatiger Unterstützung durch das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) hatte ich die Geschäftsidee entwickelt, hatte Fragen nach Kunden, Nutzen, Vertriebskanälen, Kosten, Schlüsselpartnern und Finanzen bearbeitet – aber ich hatte keine Kunden! Diese zu finden, das ist Knochenarbeit und ich habe die Dauer unterschätzt.

Die Sache mit den Treibern ist ein interessanter Prozess. Ich suchte bewusst den Austausch mit jungen Menschen beim «Startzentrum Zürich», habe bei eurer Stiftung Neustarter-Anlässe besucht und mich dem «Verband Frauenunternehmen» angeschlossen. Ich erfuhr, wie Netzwerken geht. Mein Antrieb ist weiterhin der berufliche Neustart: raus aus dem bisherigen Umfeld, rein in die Begeisterung vom «Trauerreden schreiben & vortragen» und in deren Verwirklichung. Es ist die Sehnsucht nach einer erfüllenden Berufstätigkeit.

Was ist das Allerbeste an deinem Arbeitsalltag heute?

Das Beste ist, die Welt neu zu entdecken. Mein Blickfeld, meine Kontakte erweitern und voller Erstaunen festzustellen, dass es so viele unbekannte Menschen, Organisationen und Orte gibt – wow. Ich nehme Kontakte mit Menschen in diversen Situationen auf, stelle mich als Trauerrednerin vor und lande in unerwarteten Gesprächen. Das ist super! Ich bin zu Abdankungsfeiern gegangen und habe viele verschiedene Anlässe erlebt, habe um unbekannte Verstorbene geweint, habe mich gelangweilt, weil niemand von diesem Mensch sprach und nur religiöse Texte zu Leben und Tod auslegte. Das hat mich geärgert. Ich habe gelacht und Abschiedsfeiern erlebt, die wirkliche Feiern waren, mit Weinen und Lachen, Tiefsinnigem und Witzigem aus dem Leben vor dem Tod. Das ist mein Credo: der Abschied ist eine Feier.

In der aktuellen Arbeit ist das Betreten von Neuland etwas vom Allerbesten.

Gibt es Punkte, die du völlig unterschätzt hast?

Ich wusste, dass ich Klinken putzen müsste, doch mittlerweile ist klar, wie schwierig es ist, die richtigen zu wählen. Ich versuche, Kontakte aufzubauen – zu Altenheimen, Palliativstationen, zu Notaren, Bestattungsämtern und Verbänden für Alterfragen usw. Es braucht persönliche Begegnungen, um mein Angebot vorzustellen, hilfreich sind Empfehlungen von Türöffner*innen.

Heute muss ich selbst den Gründungsprozess entwickeln. Manchmal macht sich dabei eine Seite von mir bemerkbar, die ich die «Unterlasserin» nenne. Sie liebt dicke Bücher und Lesetage. Sie liebt es, ausführlich zu kochen oder im Garten und im Wald zu sein. Wenn die «Unterlasserin» den Prozess steuert, behindert sie mein Projekt. Ich muss mich immer wieder disziplinieren, damit es vorwärts geht….. voll verantwortlich für notwendige Schritte und für die Wissenserweiterung als selbstständige Unternehmerin.

Auch musste ich erkennen, dass viele Leute im Todesfall traditionell zum «Hauptanbieter Kirche» gelangen – u.a. weil sie sich im Todesfall schnell unter Zeitdruck wähnen. Doch es gibt genügend Zeit, den Verstorbenen zu verabschieden und Entscheidungen für die Abschiedsfeier sorgfältig zu treffen. Salopp gesagt: der Tote läuft nicht weg und die Asche nach einer Kremierung auch nicht.

Spielt dein Alter eine Rolle für dich und wenn ja, welche?

Mein Alter ist mein Vorteil. Kunden erkennen meine Lebenserfahrung und Gelassenheit, es entsteht schnell Vertrauen in meine Person. Meine Kund*innen suchen Kompetenz für eine stimmige Organisation und Ansprache, da wirken Lachfalten als Qualitätssignal.

In meiner Tätigkeit als Coach gehört «Sofortanhörung» zu meinem Angebot. Heute höre ich Menschen zu, die sich in einer emotionalen Extremsituation befinden. Da kann das Alter nur helfen.

Was sind deine nächsten Schritte mit Gräber Reden?

Ich stelle mich bei einem Unternehmer vor, der seit vielen Jahren im Geschäft ist. Er ist mir als Person sympathisch und seine Philosophie der Abschiedsgestaltung sagt mir zu. Ich könnte mir für die nächste Phase eine Anbindung als Freelancerin vorstellen. 2019 werde ich sicher monatlich mehrere Abschiedsfeiern durchführen und für andere Reden gebucht werden. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass Wünsche, die ich formuliert habe, Wirklichkeit werden.

Das heisst, in welchen Fällen können Menschen sich an dich wenden?

Man kann sich an mich wenden, wenn man selbst oder Menschen in seinem Umfeld einen Todesfall haben und eine konfessionsfreie Abschiedsfeier wünschen.

  • Gespräch zu allen Anliegen des Abschiedsanlasses

  • Entwurf von Umsetzungsmöglichkeiten und Abstimmung mit den Kund*innen

  • Recherche und Ablaufplanung; Entscheidung des Abschiedsortes

  • bei Bedarf Organisation und Catering

  • Verfassen und Vortragen der Rede

  • Organisation musikalischer Begleitung (Musiker oder Musikstücke)

  • Begleitung zum Bestattungsamt, zur Wahl von Sarg oder Urne

  • Durchführungen der Abschiedsfeier

Weitere Angebote

  • Reden zu unterschiedlichen Anlässen (Firmenjubiläum, Ehrungen, private und offizielle Feiern)

  • Live-Reden: Die Themenwahl-Inhalte werden während des Festes bei den Gästen abgeholt und mit Humor und Würze in eine Rede verwandelt Wenn im Januar 2019 der Neustarter Jahresauftakt stattfindet, dann kann die Stiftung eine Rede bei mir bestellen. Nach einem Vorgespräch lasst ihr euch von dieser überraschen und inspirieren. Es kann auch eine Live-Rede entstehen: während des Anlasses wird aus Mini-Interviews mit Anwesenden eine Rede geschrieben und als Überraschung zum Schluss vorgetragen ;-).

Wunderbar, danke Christiane – dann weiterhin viel Erfolg und Freude beim Schreiben und Reden.

Gräbers Grabreden im Web

graeber-reden.ch

Mehr lesen über