In 4 Schritten zur kreativen Lösung

De René Kaufmann, 11. septembre 2017

Mit 50 orientieren sich viele Menschen nochmals neu. Einige, weil sie den Job verloren haben und darum dazu gezwungen werden. Andere weil sie einfach die Nase voll haben vom Chef und jetzt endlich ihr eigenes Ding durchziehen wollen. Man «erfindet sich neu» und das braucht neben Mut vor allem eins: Kreativität. Das Gute vorweg: Wir alle sind kreativ – auch wenn viele Erwachsene das nicht (mehr) glauben. Kreativität ist nicht angeboren oder ein «Geschenk des Himmels». In uns allen stecken Eigenschaften, die uns helfen, neue Lösungen zu finden.

Glaubt man einer kanadischen Studie, so sollen Menschen über 50 oft einen wahren Ausbruch an Kreativität erleben. Als Mittfünfziger schmeichelt mir die Aussage. Doch der Ansatz gefällt mir nicht: Der Grund für die Kreativität liege daran, dass sich Menschen über 50 nicht mehr so gut konzentrieren könnten wie ihre jüngeren Kollegen und Kolleginnen. Wenn’s bei mir auch stimmen mag: Das ist eine Verallgemeinerung, die man durchaus in Frage stellen kann.

Spannende Tatsache ist jedoch: Gute Ideen und Lösungen finden wir oft genau dann, wenn wir uns nicht aufs Problem konzentrieren. Denkblockaden im Lösungsprozess lösen sich, wenn wir uns ablenken lassen und etwas ganz anderes tun. Also ist doch was dran: Konzentrationsschwäche stärkt die Kreativität? Wir werden sehen, dass das «Sich-ablenken-lassen» zur richtigen Zeit durchaus kreativitätsfördernd sein kann.

Was ist Kreativität und wie geht das?

In Kreativität steckt das lateinische Wort «creare», was so viel bedeutet wie «etwas erzeugen, erschaffen, schöpfen». Diese Schaffenskraft ist immer wieder gefragt: In ästhetisch-künstlerischen Bereichen genauso wie in der Entwicklung von Produkten, Geschäftsideen, im zweckfreien Spiel mit Ideen ebenso wie beim Lösen von konkreten Problemen.

Jede neue Idee, Innovationen und auch der berühmte «Geistesblitz» sind das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Nach dem Modell des englischen Sozialpsychologen und Buchautors Graham Wallas (1858-1932) gibt es dabei 4 Phasen.

Phasen des kreativen Prozesses nach Graham Wallas

1. Vorbereitung

Zunächst einmal müssen Sie sich klar darüber werden, was die Aufgabe ist. Definieren Sie genau das Problem, das Sie lösen wollen oder müssen? Das können Sie im Kopf tun, doch meistens ist es hilfreich, die Gedanken aufzuschreiben. Schreiben Sie alles auf, was Ihnen zum Problem einfällt. Notieren Sie, was die Aufgabe ist, nach welcher Lösung Sie suchen, was genau Sie entwickeln wollen. Betrachten Sie die Herausforderung aus möglichst vielen Blickwinkeln. Assoziieren Sie frei und spontan. Jeder Gedanke ist erlaubt und ist es Wert, aufgeschrieben zu werden. Wenn Sie nicht nur einfach still vor sich hindenken, sondern Ihre Gedanken aufschreiben – oder auf ein Diktaphon sprechen – bleiben sie Ihnen erhalten für später. Sie können sie abhören, nachlesen, weiterdenken und vertiefen.

Kreativität entsteht ja nie aus heiterem Himmel. Zur Vorbereitung gehört auch, sich die nötigen Kenntnisse und Informationen anzueignen. Wer etwa ein Bild malen will, sollte die grundlegenden Maltechniken verstehen. Wenn Sie eine Maschine erfinden wollen, brauchen Sie das entsprechende Know-how dafür. Für jede Aufgabe die sich Ihnen stellt, müssen Sie so viele Informationen wie möglich sammeln – am besten schriftlich.

2. Inkubation

So einfach die folgende Phase ist, so entscheidend ist sie im kreativen Prozess: Hier tun Sie nämlich nichts. Sie lassen das Problem ruhen und kümmern sich um etwas anderes. Sie denken nicht einmal mehr an die Aufgabe. Auf jeden Fall nicht bewusst.

Denn diese Zeit nutzt Ihr Unterbewusstsein und verbindet die Aufgabe, das Problem mit Ihrem Vorwissen, den gesammelten Informationen. Diese Phase kann eine ganze Weile dauern und fordert Geduld. Manchmal überfällt uns hier das Gefühl, dass nichts mehr weitergeht. Die Gefahr ist gross, dass wir aufgeben und uns schon wieder einer neuen Idee zuwenden. Das wäre zu früh. Entspannen Sie sich. Vertrauen Sie in Ihre eigene Kreativität und lassen Sie Ihrem Unterbewusstsein Zeit, den «Geistesblitz» aufzuladen.

3. Erleuchtung

Beim Spazieren, unter der Dusche oder mitten in der Nacht im Bett: Die gereiften Ideen finden Sie und treffen Sie oft vollkommen unerwartet. Sie sitzen im Auto oder mit Freunden im Restaurant, meist sind Sie völlig entspannt und das Problem ist gar nicht präsent, da trifft Sie der Geistesblitz. Sorgen Sie dafür, dass Sie ihn sofort einfangen können – so abstrus und unrealistisch der Gedanke Ihnen im Augenblick auch vorkommt. Führen Sie immer ein Notizheft bei sich und schreiben Sie jede noch so kleine und scheinbar unbedeutende Idee auf. Ganz wichtig: Achten Sie auf Ihre Träume und halten Sie auch auf dem Nachttisch etwas zum Schreiben bereit. Damit Sie jederzeit bewahren können, was das Unterbewusstsein Ihnen mitteilt. Die Gedanken auf Nützlichkeit überprüfen können Sie im nächsten Schritt.

4. Überprüfung

Kreative Menschen wechseln spielend zwischen Offenheit und Geschlossenheit. Sie sind einerseits offen und empfänglich für alles, andererseits fokussiert und zielstrebig. Die ersten drei Phasen sind geprägt von Offenheit. Alles hat Platz, alles ist interessant und bemerkenswert. In der Phase der Überprüfung dürfen Sie zum ersten Mal kritisch sein. Jetzt gilt es, die neu entwickelten Ideen auf ihren Nutzen hin zu prüfen. Jetzt sollen Sie überlegen, ob Ihre Lösungsidee umsetzbar ist und wirklich das Problem löst. Geben Sie den neuen Ideen aber eine echte Chance. Manche Entdeckung, die Menschen gemacht haben, schien auf den ersten Blick unsinnig. Nehmen Sie auch hier wieder verschiedene Blickwinkel ein und prüfen Sie genau.

Wenn Sie die guten Ideen aussortiert haben, sollten Sie die schlechten sofort vergessen. Ihre Aufmerksamkeit muss jetzt konzentriert werden, um die vielversprechenden Ansätze entschlossen weiterzuentwickeln und umzusetzen.

Und wenn es sein muss: Alles von vorn.

Was tun, wenn keine Ihre Ideen sich umsetzen lässt und das Problem nicht gelöst wird? – Dann startet der kreative Prozess eben wieder von vorne. Vielleicht finden Sie heraus, dass Sie nicht die falsche Lösung gefunden, sondern das Problem falsch definiert haben. Auch das gibt’s.

Kreativität hat viel mit Geduld und Ausdauer zu tun. Neugier, Offenheit und die Fähigkeit, «über Ränder hinaus zu denken» sind weitere wichtige Merkmale von kreativen Menschen. Diese Eigenschaften besitzen wir alle – mehr oder weniger ausgeprägt. Doch lassen wir sie manchmal leider etwas verkommen und oft werden sie durch Bildung, gesellschaftliche Normen und starre Unternehmenskulturen unterdrückt. Doch die gute Nachricht lautet: Wir sind nie zu alt, um daran zu arbeiten und die kreativitätsfördernden Eigenschaften (neu) zu beleben.

Doch davon das nächste Mal.

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