Von der Steuerfachangestellten zur Seniorenbetreuerin

De Stephanie Cengiz, 21. juillet 2021

Sabine Köpke ist gelernte Steuerfachangestellte und war die letzten Jahre als Assistentin der Geschäftsleitung tätig, bevor sie beschlossen hat, sich zur Seniorenassistentin ausbilden zu lassen und ihre eigene Firma zu gründen.

Woher kam die Motivation, etwas ganz Neues zu beginnen?

Zu meinem Beruf als Steuerfachangestellte bin ich zufällig gekommen. Die Jobvielfalt aus meiner Jugend war eine andere als heutzutage. Somit erlernte ich das, was mein direktes Umfeld glaubte, dass es gut für mich sei. Obwohl ich nie in einem klassischen Bürojob arbeiten wollte, hielt mich dieser fast 30 Jahre fest. Eine Mischung aus Gewohnheit und Angst, etwas Neues zu wagen, verunsicherten mich zunächst, neue Wege einzuschlagen. Ich wohnte lange Zeit mit meiner Familie in einem kleinen 400-Seelen Dorf. Meine zwei Kinder wurden dort gross und die Ausgangslage, etwas verrücktes Neues auszuprobieren war nicht möglich.

Aber meine damalige Nachbarin Luise, geboren 1925, half mir, wenn auch unbewusst, zu dem zu finden, was ich wirklich liebe: Menschen zu zeigen, wie schön das Leben sein kann. Wir freundeten uns an, ich half ihr im Garten, wir spielten Karten, tranken Kaffee und fuhren zusammen einkaufen. Luises Dankbarkeit und die vielen Gespräche mit ihr zeigten mir, dass viele ältere Menschen sehr einsam sind. Das Leben sollte sich im Alter nicht auf Schlafen, Essen und Pflege reduzieren. Das Leben sollte nicht grau und langweilig, sondern bunt und fröhlich sein!

Hast du dich von 0 auf 100 von deiner sicheren Anstellung verabschiedet? Oder hast du schrittweise reduziert, um nebenbei dein Start-up «Frieda’s Aktive Senioren» aufzubauen?

Ich habe mich tatsächlich von 0 auf 100 verabschiedet. Mir war bereits länger bewusst, dass ich einen neuen und anderen Beruflichen Werdegang einschlagen möchte. Dank meiner herzlichen Nachbarin wurde es mir immer offensichtlicher.

Die Idee kam mir im Juni 2019, zum Oktober des Jahres habe ich in meiner alten Firma gekündigt, machte eine Ausbildung zur Seniorenassistentin nach dem Plöner Model und im November 2019 gründete ich meine neue wundervolle Firma, in der mein ganzes Herzblut steckt.

Während meiner Ausbildungszeit wurde ich von fantastischen Menschen begleitet und konnte mir umfangreich Wissen diesbezüglich aneignen. Weiterhin stehe ich nach der Absolvierung mit anderen Assistentinnen im Austausch.

Und welche Dienstleistungen bietest du bei «Frieda’s Aktive Senioren» an?

Runter vom Sofa, aktiv sein und gute Laune haben. Eine Vielzahl von Senioren möchte mehr erleben, als den eintönigen Alltagstrott. Bei einem klassischem Seniorentreff haben sie jedoch das Gefühl fremdbestimmt und “alt” zu sein.

Aus diesem Programm möchte ich mit meinen Senioren ausbrechen. Ich biete eine individuelle Betreuung an. Das heisst: der Kunde entscheidet. Meine Kunden dürfen sich aussuchen, wonach ihnen ist. Entspannte Spaziergänge in der Umgebung, schwimmen im Bodensee, Velotouren, einen gemütlichen Nachmittag mit Kaffee und Kuchen oder Hilfe bei alltäglichen Aufgaben.

Ausserdem biete ich regelmässig wundervolle Gruppenausflüge an. Wir besuchen Galerien und Ausstellungen, unternehmen Wanderungen, hören uns Konzerte an.

Zu diesem Zweck habe ich mir einen Mercedes Sprinter gekauft. Um maximalen Komfort für meine Kunden zu ermöglichen, ist dieser mit neun komfortablen Einzelsitzen, einer Einstiegshilfe und einer Klimaanlage ausgestattet.

Frieda´s steht für neue Freundschaften, Abwechslung und aktive Freizeitgestaltung.

Wurdest du von deiner Familie und Freunden/Bekannten bei deinem Neustart unterstützt?

Ja. Mein Mann und meine Familie stehen natürlich voll und ganz hinter mir. Einige Freunde fanden es sehr mutig, in meinem «Alter» einen sicheren Job aufzugeben und ein Unternehmen zu gründen. No risk no fun 😉

Es stimmt, man braucht für den ersten Schritt immer etwas Mut, aber der lohnt sich und zwar für uns alle. Ich wusste einfach, genau jetzt war die Zeit gekommen, um es zu wagen! Ich werde mein Glück selbst in die Hand nehmen.

Was waren die grössten Hürden auf dem Weg in die Selbstständigkeit?

Hürden gab es eigentlich nicht. Aber es gab viele Herausforderungen. Eigentlich sollte meine Firma bereits im November 2019 an den Start gehen. Das musste dann aber verschoben werden, weil es keinen freien Ausbildungsplatz mehr gab.

Der nächste Termin war somit der 02.01.2020. Plötzlich gab es Lieferschwierigkeiten mit meinem Mercedes. Die Firma für die Innenausstattung war abgebrannt. Ich hatte zwar bereits ein weiteres Fahrzeug, aber ich wollte erst starten, wenn alles 100%ig ist.

Dann war es endlich soweit, am 01.03.2020 konnte ich meine Kunden „glücklich” machen. Und dann kam der Lockdown….Leider konnten die Ausflüge nur begrenzt unternommen werden, aber wir waren alle optimistisch und hatten trotzdem schöne gemeinsame Erlebnisse und viel Spass.

Wenn du an deine Zeit als Steuerfachangestellte zurückdenkst: Was sind die Vor- und Nachteile vom Angestellt-Sein im Vergleich zur heutigen Selbstständigkeit?

Es war eine schöne Zeit. Wir waren ein tolles Team und hatten ein super Arbeitsverhältnis. Trotz allem habe ich meine Entscheidung nicht einen Tag bereut. Meine Aufgabe erfüllt mich mit so viel Freude.

Meine Kunden sind die jüngsten «Alten», die wir je hatten. Sie haben so viel erlebt, vom Wideraufbau bis zur Erfindung des Fernsehers. Manchmal ist es eine Win-Win Situation. Ich bekomme die spannendsten Geschichten erzählt und der Senior fühlt sich endlich mal wieder gehört.

Die dankbaren Senioren oder auch die Angehörigen, zeigen mir immer wieder, dass ich alles „richtig gemacht“ habe. Es erfüllt mich mit Stolz und Freude, einer Tätigkeit nachzugehen, die Wünsche, Träume, Ziele und vieles mehr erfüllen kann. Dies alles kann mir ein 8 Stunden Tag im Büro einfach nicht geben.

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Wie geht es weiter bei Dir?

Anfang des Jahres haben wir uns entschlossen, Deutschland zu verlassen und in die Schweiz auszuwandern. Nun leben wir seit Mai im Thurgau am schönen Bodensee. Das heisst für mich, wieder einen Neustart zu wagen.

Ich möchte hier mein Unternehmen genauso gut etablieren, wie ich es schon in Deutschland geschafft habe. Meine dortigen Kunden habe ich im Übrigen nicht allein gelassen! Ich habe eine wundervolle Mitarbeiterin, die sich um die Belange der Senioren kümmert.

Ich wünsche mir hier von den Senioren oder den Angehörigen auch etwas: nämlich Mut! Mut, mich einfach zu kontaktieren. Mut, mich einfach um Hilfe zu bitten. Mut, mich einfach zu begleiten in eine Welt, die uns allen gehört!

Gerne würde ich mit einem Zitat von Albert Schweitzer enden:

«Jugend ist nicht ein Lebensabschnitt – sie ist ein Geisteszustand. Sie ist Schwung des Willens, Regsamkeit der Phantasie, Stärke der Gefühle, Sieg des Mutes über die Feigheit, Triumph der Abenteuerlust über die Trägheit. Niemand wird alt, weil er eine Anzahl Jahre hinter sich gebracht hat. Man wird nur alt, wenn man seinen Idealen Lebewohl sagt. Mit den Jahren runzelt die Haut, mit Verzicht auf Begeisterung aber runzelt die Seele. Du bist so jung wie deine Zuversicht, so alt wie deine Zweifel, so jung wie dein Selbstvertrauen, so alt wie deine Furcht, so jung wie deine Hoffnungen, so alt wie deine Verzagtheit. Solange die Botschaften der Schönheit, Freude, Kühnheit und Grösse dein Herz erreichen, solange bist du jung.»

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