«Im Alter von 62 merkte ich, dass die Schule mich zu viel Energie kostete und habe überlegt, wie es wäre früher in Pension zu gehen. Aber für mich war immer klar, dass das Finanzielle stimmen muss.» Maya Lörtscher designt und produziert heute Taschen und Accessoires.
Es ist eigentlich keine Vorgeschichte, es ist mehr eine Entwicklung meiner selbst. Das ganze Leben ist die Vorgeschichte. Ich bin im Grunde meines Herzens Handwerkerin, aber eine intelligente (zwinkert), man will das, was man macht, ja auch an den Mann oder die Frau bringen. Mein Wunsch war immer ein eigenes Geschäft zu haben.
Die Realität ist ganz klar, man kann schwierig leben davon. Diesen Stress wollte ich nicht. Ich habe 2-3 Berufe, zuletzt war ich Lehrerin für textiles Gestalten, Zeichnen und Turnen mit allen Altersklassen von Schülern. Daneben konnte ich meine Dinge entwickeln. Nebst Allem arbeitete ich 30 Jahre in einem Kinderzirkus. Gegründet wurde der Zirkus 1960, ich habe die Leitung 1988-2004 übernommen und das auf Vordermann gebracht. Im Robinson Kinderzirkus war ich, obwohl ich angestellt war, absolut frei, da war niemand der sagte, wie es läuft. Ich war es gewohnt immer alleine zu entscheiden. Natürlich habe ich im Team gearbeitet, aber niemand hat für mich entschieden.
Im Alter von 62 merkte ich, dass die Schule mich zu viel Energie kostete und habe überlegt, wie es wäre früher in Pension zu gehen. Aber für mich war immer klar, dass das Finanzielle stimmen muss. Ich bin nicht risikofreudig und auch realistisch.
Ich musste dann meinen Mann damals überzeugen und bin dann 2 Jahre früher in Pension, um meine eigenen Dinge mehr zu machen. Ich hatte ja zuvor 2 Stellen, eine größere an der Berufsschule und eine kleine Stelle mit 1.-6. Klässlern. Mit den Kleinen da arbeite ich auch heute noch einen dreiviertel Tag in der Woche. Das macht mir einfach Spaß. Und ich hab den Vorteil, mir den Verdienst als Lehrerin einfach zur Seite zu legen zu können und zahle weiterhin in die AHV ein. Außerdem spare ich dadurch Steuern.
Im Sommer vor 4 Jahren, als ich wusste, dass ich aufhöre, ging ich auf die Suche nach einem Lokal. Weil zu Hause ist es etwas eng, und dann würde ich nicht rauskommen, wenn ich alles zu Hause mache. Dann habe ich überlegt, wieviel ich für einen Raum ausgeben kann. Ich wollte ja keine große Firma gründen. Mit ging es darum, etwas Gescheites zu tun haben. Das hier ist jetzt ideal, da ich zu Fuß hingehen kann. Aber es ist etwas groß. Also habe ich gedacht, dann vermiete ich eben einen Teil - da sitzt jetzt noch ein Neustarter mit drin. Der hat bei einer großen internationalen Firma gearbeitet und sich dann mit ca. 50 selbständig gemacht.
Einen Businessplan habe ich nie gemacht - ich habe nur eine Tabelle „was reinkommt, was rausgeht“. Ganz früher hatte ich 2.000 Franken Umsatz pro Jahr, als ich noch gearbeitet habe. Aber die letzten Jahre wurde das immer mehr. Ich habe nie 1 Franken vom Privathaushalt genommen, ich wollte immer, dass sich das trägt. Je mehr Aktivitäten ich mache, desto besser läuft es. Am Anfang vom Jahr schaue ich, wieviel ich auf dem Konto habe und am Ende des Jahres muss mehr drauf sein. Ich bin nicht so eine Basteltante, es muss schon was dabei rauskommen. Wenn es ausartet zur Beschäftigungstherapie, dann würde ich das nicht mehr machen (lacht).
Dann hatte ich also den Raum hier, ich hatte richtig Herzklopfen. 10.000 Franken hatte ich dann auf meinem Geschäftskonto. Dann musste ich 5.000 Kaution bezahlen und Möbel kaufen. Als nächstes brauchte ich eine Marketingstrategie: Wie trete ich auf? Wer sind meine Kunden? Ein Logo brauchte ich, einen Film, einen Internetauftritt. Dann musste ich überlegen, wo kaufe ich ein, da ich je jetzt mehr Material brauchte.
Die Familie musste hinter mir stehen, wenn der Mann immer sagt «was machst du denn da?», dann geht das ja nicht. Und grundsätzlich musste ich mir überlegen: «Was kann ich gut? Und was kann ich nicht so gut?». Dann habe ich mir überlegt, für all diese Sachen, die ich nicht gut kann und nicht gerne mache, muss ich mir eine Person nehmen, die das kann und die ich auch bezahle. Ich wollte nicht immer Kollegen fragen, das wird sonst irgendwann komisch. Zuerst musste ich, wie gesagt, eine Art Marketingkonzept haben. Das habe ich dann mit einer Frau gemacht, die ich damals kennenlernte. Es passieren viele Zufälle, wenn man eine Idee im Kopf hat, also wenn man ein Ziel hat. Es hat sehr geholfen, alles mit ihr zu durchdenken. Dann brauchte ich eine Grafikerin, die das Logo macht, eine Visitenkarten, einen Flyer mit den Produkten. Das sind dann schon Kosten, aber wenn man mit den Leuten spricht, dann bekommt man auch Preise die OK sind. Es ist besser, Dinge gleich von Profis machen zu lassen, sonst wird es noch teurer.
www.gründen.ch, da habe ich geschaut, was es für Möglichkeiten gibt und was ich beachten muss. Ich bin ja jetzt eine Einzelunternehmerin, also ich hafte mit meinen Einkünften. Dann habe ich mit einem Treuhänder gesprochen, wie das steuerlich ist. Das ist ja ein Nebenerwerb und man kann ja eine bestimmte Summe, wenn man pensioniert ist, dazu verdienen, ohne das zu versteuern. Ob ich einen Geschäftspartnerin dazu nehme, das habe ich kurz überlegt. Aber dann habe ich gefunden: nein, das machte ich allein.
Das schwierige ist, wenn man alles alleine macht. Das ist manchmal schon zu viel. Ich mache ja einfach alles komplett alleine. Man kommt gar nicht dazu, zu überlegen.
Was ich auch immer merke, das Produkt kommt an, aber es verkauft sich über mich, die Leute verknüpfen es mit mir. Wenn mein Mann mich am Verkaufsstand vertritt, dann verkauft er nicht so viel. Ich habe mittlerweile aber eine gute Lösung gefunden. Eine Dame oben aus dem Haus hier hat einen Webshop für mich gemacht. Sie hat das für mich gemacht und wenn ich etwas verkaufe, dann bekommt sie Provision. Und wenn jemand kommt, wenn ich nicht da bin, dann machen die auch den Laden auf.
Man muss die eigenen Ressourcen im Auge behalten. Deshalb mache ich eher kein Weihnachtsmarkt mehr, das ist mir zu kalt und zu anstrengend.
Eindeutig ja! Wenn ich es nicht schon gemacht hätte, würd ich es jetzt machen.
Am meisten freut mich nach wie vor, dass ich Sachen produziere, die den Leuten gefallen.
Erstmal braucht man ja eine Idee! Und muss die Frage klären, was man will. Dann auf dem Boden bleiben, realistisch bleiben. Es ist immer schwerer als man denkt. Wobei es natürlich auch ganz arg auf die Branche ankommt. Wenn es um Produkte geht, dann muss eine Geschichte dahinter stehen: Storytelling! Es gibt heute tausende von Produkten, warum soll jemand mein Produkt kaufen? Bei mir ist die Story „die Steine, der Steindruck“. Dass man sich abheben kann ist wichtig.
Es ist ein sehr grosser Unterschied. Mit 20 muss man ja direkt leben davon und mit 20 überlegt man ja noch wie man überhaupt zu einer beruflichen Karriere kommt. Natürlich hat man mit 20 auch viel mehr Energie. Wobei man auch als junger Mensch oft nicht so gut haushalten kann, mit der Energie.