Es hat sich rumgesprochen: Der Königsweg zu einem neuen Job, insbesondere für ältere und erfahrenere Jobsuchende, ist Networking. Der offene Stellenmarkt mit Inseraten, Ausschreibungen auf Homepages, Posts von Personalberatern in den (sozialen) Medien ist ein schwieriges Pflaster für Menschen, die meist einen gefüllten Rucksack an Erfahrung und Wissen tragen, der selten hundertprozentig mit den Anforderungen in klassischen Stelleninseraten «matcht».
«Einige Jahre Erfahrung» im Inserat stehen fünfunddreissig Jahren Berufstätigkeit gegenüber, «unser dynamisches Team» klingt nach Durchschnittsalter fünfunddreissig, statt dem verlangten «Master of» hat man eine Ausbildung aus der Vor-Bologna-Ära (ja die gab es!) und so weiter und so fort.
Aber da gibt es ja noch den verdeckten Stellenmarkt. Und da jede Absage schmerzt, wenden sich ältere Jobsuchende früher oder später diesem zu. Die berufliche Neupositionierung gelingt auf dem verdeckten Stellenmarkt nicht nur mit grösserer Wahrscheinlichkeit, sondern auch bedeutend schneller. Voraussetzung ist jedoch, dass er systematisch und professionell bearbeitet wird. Und dieses «richtig bearbeiten» beinhaltet in der Praxis drei Schritte: Kenntnis darüber, was der verdeckte Stellenmarkt überhaupt ist, Netzwerkfähigkeit und Kenntnis des eigenen Profils.
Unter dem verdeckten Stellenmarkt versteht man alle potenziell offenen Stellen, die nicht oder noch nicht ausgeschrieben sind. Gründe hierfür gibt es viele: Beispielsweise rekrutiert ein Unternehmen nicht öffentlich, weil dadurch eine strategische Ausrichtung erkennbar wird, es wird ein Nachfolger für eine noch besetzte Position gesucht oder eine Pensionierung steht an – um nur einige Gründe zu nennen. Alle Positionen auf dem verdeckten Stellenmarkt haben gemeinsam, dass nur derjenige sie bekommt, der zur rechten Zeit am richtigen Ort ist. Glücksache? Nein – oder höchstens zum kleineren Teil! Vielmehr kann man sein Glück dahingehend beeinflussen, dass man über die entsprechenden Informationen verfügt.
Und an diese Informationen kann man nur gelangen, wenn man gezielt und intensiv netzwerkt. Nur übers Netzwerken – und das erfordert primär die Pflege von persönlichen Kontakten in Kombination mit Aktivitäten in elektronischen Netzwerken – ist ein Zugang zum verdeckten Stellenmarkt möglich.
Jetzt tun sich viele Menschen – dies ist zumindest meine Erfahrung mit Beratungsklienten – mit nichts so schwer, wie mit dem Thema Netzwerk. Irgendwie sind sich zwar alle einig, dass es wichtig sein könnte. Andererseits verstehen alle etwas anderes darunter und wiederum andererseits gibt es eine grosse Abwehrhaltung, ja fast Scham – insbesondere bei arbeitssuchenden Klienten –, die erst einmal überwunden gehört.
Es beginnt bei dem Thema Netzwerk: «Ich habe kein Netzwerk», «Ich kann meine Bekannten doch nicht um einen Job anbetteln». Es geht weiter beim Thema Social Media: «Da mache ich nicht mit», «ich will nicht, dass alle sehen, was ich so gemacht habe» und endet beim «networking» selbst: «Ich bin kein Small Talk Typ», «worüber soll ich denn da reden» etc. Alle diese Aussagen haben mit Netzwerkarbeit nicht wirklich etwas zu tun. Echte Netzwerkarbeit ist im Grunde nichts anderes als «Nutzen der vorhandenen Marktintelligenz». Vielleicht hilft es, wenn man das Thema mal in einen ganz anderen Zusammenhang stellt.
Stellen Sie sich vor, Sie wollten auswandern. Nicht in die Toskana, die die meisten Schweizer besser kennen als das eigene Land, sondern irgendwohin, wo Sie nichts und niemanden kennen, zum Beispiel nach Kirgisistan. Wie gehen Sie vor? Vermutlich versuchen Sie erst einmal via Internet möglichst viel über Kirgisistan in Erfahrung zu bringen: Grösse, Klima, Religion und so weiter. Je länger diese Recherchen andauern, desto mehr Fragen werden Sie sich vielleicht stellen. Andererseits werden Sie auch viele Antworten finden und auf Personen treffen, die bereits dort waren. In einem zweiten Schritt können Sie Ihren Informationen Tiefe verschaffen, indem sie mit Menschen reden, die bereits in Kirgisistan waren. Also gehen Sie mal durch eine Liste aller Personen, die sie kennen und überlegen, ob eine von diesen Personen einen Bezug zu Kirgisistan hat. Oder vielleicht ins Nachbarland Usbekistan. Und eventuell treffen Sie dann auf Ihren Ex-Schwager, dessen neue Liebe aus Georgien kommt. Sofern die Scheidung von Ihrem Bruder Sie nicht zu lebenslangen Feinden gemacht hat, würden Sie ihn wahrscheinlich mal anrufen und fragen, was er oder auch seine Frau Ihnen erzählen können. Und während die beiden so erzählen, kommt ihm in den Sinn, dass ein Arbeitskollege aus Kirgisistan kommt und gibt Ihnen sofort die Natelnummer. «Du kannst jederzeit anrufen und einen Gruss von mir ausrichten». Und Sie machen das und der Kollege ist wirklich sehr nett und kann die meisten Ihrer Fragen beantworten und für diejenigen, die er nicht beantworten kann, nennt er Ihnen einen weiteren Ansprechpartner.
Jetzt ersetzen Sie Kirgisistan durch eine Branche oder ein Unternehmen Ihrer Wahl. Was bitte ist daran peinlich? Netzwerken ist nichts anderes als die bestehende «Marktintelligenz» für die eigene Recherche zu nutzen.
Wichtig ist dabei allerdings auch, dass man weiss, welche Themen einen überhaupt interessieren. Und hier wären wir bei dem dritten Schritt, der eigentlich der erste ist, weil er die Voraussetzung für jede Netzwerkaktivität ist: die Kenntnis des eigenen beruflichen und persönlichen Profils. Bevor Sie überhaupt auf dem Arbeitsmarkt aktiv werden, sollten Sie Ihr beruflichen Profil und Ihre Suchstrategie klar definiert haben. Denn nur, wenn man weiss, was man kann (Stärken, Erfolge, Erfahrungen, Fertigkeiten) und will und klar definiert hat, welche Branchen, Funktionen, Unternehmen einen interessieren, kann man sinnvoll und gezielt netzwerken.
Netzwerken mit anderen geht zum Beispiel am Loopings Stammtisch für Stellensuchende oder Selbstständige. Wir freuen uns darauf, euch kennenzulernen!