Bruno Dallo war seit 2006 CEO der Basler Privatbank Scobag. Seit Anfangs 2019 ist er Neustarter mit einem Portfolio von Verwaltungs- und Stiftungsratsmandaten und Engagements in Non-Profit-Organisationen.
Ich habe schon seit Mitte 55 darüber nachgedacht, wie lange ich diese Tätigkeit ausüben und was ich danach machen möchte. Ich war rund 12 Jahre CEO und habe diese Aufgabe und den Umgang mit meinen Kunden sehr geschätzt und ich freue mich, wenn ich den einen oder anderen heute wieder treffe. Ich glaube, dass man eine bestimmte Tätigkeit durchaus längerfristig gut ausüben kann. Irgendwann erfindet man aber nichts wesentlich Neues mehr, eine Neuentwicklung wird schwierig. So ist es für mich richtig, wenn eine Aufgabe wie die CEO-Funktion nach einer gewissen Zeit auch wieder von einer anderen Person ausgeübt wird, um neue Impulse für das Unternehmen zu erhalten.
Aus meinen vorher beschriebenen Überlegungen ist ein Vier-Punkte-Plan entstanden:
Erstens, dass ich irgendwann aus dem Tagesgeschäft herauskommen möchte. Das Tagesgeschäft hat mir viel Freude gemacht, ist aber gerade im Dienstleistungsbereich auch sehr detailorientiert.
Zweitens wollte ich gerne zeitlich kürzertreten, denn als CEO arbeitet man die berühmten «100 Prozent eines CEO», welche oft deutlich mehr sein können. Mein neues Ziel liegt bei 40, maximal 50 echte Prozent.
Drittens – ganz wichtig! – ich habe früher aufgehört, damit ich etwas Neues anfangen kann und das dafür länger. Ich bin jetzt in zwei Verwaltungsräten, in einigen Stiftungsräten und mit weiteren Non-Profit-Tätigkeiten befasst. Und wenn man das tun will, muss man deutlich vor dem Rentenalter damit anfangen, damit man auch attraktiv ist für diese Aufgaben. Und wenn ich fit im Kopf bleibe, möchte ich das bis 70, 72 tun.
Der vierte ist der schwierigste Punkt: Ich habe mein ganzes Berufsleben in der Finanzdienstleistungsbranche verbracht, toll und spannend, aber ich möchte auch gerne etwas anderes kennenlernen, was gar nicht so einfach ist. Es geht am ehesten bei den Stiftungen, zum Beispiel bei einer Förderstiftung für Spitalprojekte, wo ich mich im Stiftungsrat mit ganz neuen Fragestellungen auseinandersetzen kann. Mir würde es auch Freude machen, noch ein Verwaltungsratsmandat ausserhalb der Finanzdienstleistungsindustrie wahrzunehmen.
Hintergrund meines Vier-Punkte-Plans war, dass ich es für Verschwendung von Fähigkeiten und Erfahrungen halte, wenn man abrupt mit 65 einfach komplett aufhört zu arbeiten. Und dieser abrupte Abschluss tut vielen Menschen auch nicht gut. Es ist positiv, weiterzumachen und neue Erfahrungen zu machen. Es gibt in meinem derzeitigen Pensum vielfältige Themenfelder wie die Nachwuchsförderung im Fussball, den Tierschutz, die Förderung von Spitalprojekten, den Bereich der zeitgenössischen Musik. Ich lerne viel über die Inhalte in den verschiedenen Stiftungsgremien und kann andererseits meine juristischen und finanziellen Kenntnisse wie auch meine Managementerfahrung einbringen.
Auch spüre ich in einem meiner Verwaltungsratsmandate sehr deutlich, wie die viel zitierte Digitalisierung Einzug hält und viele neue Fragen mit sich bringt. Wie weit man etwa Prozesse dem Kunden digital, übers Handy oder Tablet zur Verfügung stellt, mit wem man Partnerschaften eingeht, wo investiert werden muss und ab wann es einen Knopf im System geben muss, der den Weg zu einem Menschen und einem persönlichen Gespräch bahnt. Das alles ist für mich eine ganz neue Berufserfahrung.
Ich hatte das Glück eines fliessenden Übergangs, denn ich hatte bereits bei einer grossen Versicherungsgesellschaft ein Verwaltungsratsmandat und nach einem Übergangsjahr werde ich nun in den Verwaltungsrat der Bank eintreten, für die ich als CEO tätig war. Eine solide Grundlage für meinen Neustart war schon gelegt bei meinem Rücktritt als CEO. Was nun kommt, habe ich erst seit dem Frühjahr in Angriff genommen, denn ich wollte zuvor meine Aufgabe bei der Bank sauber abschliessen. Seitdem habe ich mit vielen Menschen, die ich gut oder auch noch nicht so gut kenne, gesprochen und ihnen erzählt, was ich mache und was ich mir überlegt habe. Dabei bin ich auf viele offene Türen und Ohren gestossen.
Aktuell bin ich zu gut 25% ausgelastet, also einiges hat noch Platz. Bei meiner Arbeit gibt es Synergien zwischen den verschiedenen Mandaten – natürlich unter Wahrung der Vertraulichkeit! –, wobei mir die Qualität der Mandate wichtiger ist als die Anzahl. Dabei ist mein Vorteil, dass ich finanziell und damit auch von den einzelnen Mandaten unabhängig bin. Erreichen konnte ich, andere an meinen Erfahrungen teilhaben zu lassen und selbst viel dabei zu lernen, in neue Bereiche hineinzusehen.
Ganz wichtig ist, selbst aktiv zu werden beim Neustart, die Dinge planmässig anzugehen, nicht einfach abwarten, was passiert. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass es einem keiner übel nimmt, wenn man proaktiv ist. Ich will für diesen Lebensabschnitt ja noch etwas erreichen. Dabei sollte man bereits sein ganzes Berufsleben sein Netzwerk ausserhalb des Unternehmens aufbauen und pflegen, das kann nicht erst mit dem Neustart erfolgen. Und: Ich habe in der Bank frühzeitig kommuniziert, was meine Pläne sind, da ist niemand vor Überraschung vom Stuhl gefallen.
Der Takt hat sich geändert, nicht mehr 12 Dinge laufen auf einmal, sondern nur noch zwei bis drei. Das ist zunächst sehr angenehm, doch es erfordert auch Disziplin, die Zeit gut zu nutzen, sich zu organisieren zwischen den Verpflichtungen und den neuen Freiheiten, um zum Beispiel spontan mit meiner Ehefrau eine spannende Ausstellung in der Fondation Beyeler anzusehen.
Ein anderer Punkt ist, dass es jetzt weniger automatisch wie früher läuft, das Netzwerk zu pflegen. Im Berufsleben ist man sich immer wieder bei verschiedenen Gelegenheiten über den Weg gelaufen, regelmässige Begegnungen waren sozusagen vorprogrammiert. Diese Begegnungen muss ich nun bewusster und systematischer planen.
Die Situation, dass Menschen mit 60 oder sogar früher mit ihrem angestammten Beruf aufhören wollen oder auch müssen, stellt sich heute in den verschiedensten Branchen, sei es bei Arbeitsplatzverlust oder weil man selbst einfach zu lange schon denselben Beruf ausübt. Jeder sollte sich frühzeitig die Frage stellen, wo die persönlichen Stärken und Neigungen sind, und überlegen, was man sonst machen könnte, besonders, wenn man immer noch gezwungen ist, Geld zu verdienen. Ich bin überzeugt, dass es zahlreiche Möglichkeiten und Ideen für Neustarts gibt.
Entscheidend ist auch, seine Netzwerke zu nutzen, auch Workshops wie zum Beispiel bei der Neustarter-Stiftung zu besuchen, um sich auszutauschen, um in der Diskussion zu erkennen, was man möchte und was man kann. Letztendlich muss man aber immer selbst entscheiden, was man aus den externen Anregungen macht.
Neben dem bereits Gesagten ist es ganz wesentlich, die Familie, den Partner, die Partnerin bei dieser grossen Veränderung einzubeziehen und herauszufinden, wie sie dazu stehen. Ich habe das relativ früh mit meiner Frau besprochen, auch wenn sie es wahrscheinlich zunächst nicht so ganz geglaubt hat, bis es dann konkreter wurde. Auch das Gespräch mit Freunden, Vertrauenspersonen ist hilfreich.
Gegenüber dem Arbeitgeber wäre es optimal, proaktiv und offen zu sein – dort wo das möglich ist – und die Pläne zu einen Neustart zu besprechen. Das macht es für beide Seiten einfacher und es vermeidet unangenehme Überraschungen und schlechte Erfahrungen für alle Beteiligten.
Arbeit ist für mich multidimensional. Sie ist Existenzsicherung und Befriedigung. Arbeit ist auch Netzwerk, Verbindung und Kommunikation. Arbeit ist auch geistige Auseinandersetzung. Arbeit ist Coaching, Begleitung von anderen, gerade in der Führungsarbeit. Arbeit kann gefährlich sein, wenn sie zum Alleingestaltungsmerkmal eines Lebens wird. Dabei ist für mich der Ankerpunkt Familie ganz wichtig, besonders wenn alle Stricke reissen sollten.
Suchen Sie jemanden, der den Neustart schon gewagt hat und sprechen Sie mit ihm!