Andi ist seit 9 Jahren ehrenamtlich Mitglied im Stiftungsrat der Neustarter-Stiftung, seit 2019 Präsident, und bringt seine verschiedenen Perspektiven (Mitarbeiter, Chef, Neustarter 49+) zum Thema «Ältere in der Arbeitswelt 4.0» ein.
Eine Gerade während den ersten zwei Dritteln beschreibt meinen Werdegang gut. Das letzte Drittel empfinde ich als «gewelltes Plateau». Es geht nicht mehr «nach oben», aber auf dem Hochplateau kommen schon ups und downs vor. Im Moment fühle ich mich gerade in einer up-Phase, weil ich vor zwei Monaten einen neuen Job anfing, viel Neues lerne und meine ganze Erfahrung einbringen kann.
Es passte ganz gut für mich. An der einen oder anderen Stelle hätte ich mir rascher eine neue Herausforderung gewünscht, anstatt beinahe 10 Jahre im gleichen Job zu verharren. Der Wunsch nach Verschnauf-Phasen war bei mir nie besonders ausgeprägt. Für mich war es wichtig, bei Stellenwechseln jeweils ein «time-out» zu haben, um etwas Distanz vom alten Arbeitsumfeld zu schaffen und mich mental aufs Neue vorzubereiten.
Bei meinem letzten Arbeitgeber spürte ich, dass ich meinem Team nach fast 10 Jahren immer weniger Impulse geben konnte und immer tiefer in die Komfortzone eintauchte. Deshalb suchte ich seit längerer Zeit eine interne Veränderung, die aber leider nie zustande kam.
Als ich dann von der SIX kontaktiert wurde, zögerte ich nicht lange. Ich kann meine ganze Führungs- und Facherfahrung einbringen und lerne gleichzeitig jeden Tag dazu. Genau die Herausforderung, die ich suchte.
Einige der Herausforderungen, die ich im Moment bei der SIX antreffe, stellten sich mir vor 10 Jahren auch bei der ZKB. Aufbau eines neuen Bereichs mit Mitarbeitern, die sich zum Teil kaum kennen und die aufgrund einer Reorganisation mit Aufgaben betraut werden, die deutlich von ihrer bisherigen Tätigkeit abweichen. Dies in neuen Strukturen und mit neuem Chef.
Ich glaube nicht, dass ich den Job in der SIX deutlich anders angehe, als damals in der ZKB. Vielleicht etwas gelassener und entspannter als damals und ich versuche noch bewusster, Respekt und Wertschätzung für das in der Vergangenheit Geleistete zu zeigen.
Am ehesten verändert ist vielleicht meine Rolle im Management-Team. Vor 10 Jahren gab es da vermutlich noch einiges an Konkurrenzdenken und daraus folgendem Platzhirsch-Gehabe. Heute ist mir die Wichtigkeit und der Wert eines gut funktionierenden, sich ergänzenden Management-Teams bewusster und ich versuche mich entsprechend einzubringen.
In den letzten Jahren bei der ZKB begann ich selber, mich als «älter» wahrzunehmen. Vermutlich, weil ich das Gefühl hatte, im aktuellen Job nicht mehr die grossen Impulse geben zu können und ein interner Wechsel immer unwahrscheinlicher wurde. Ich denke, bei Stellenbesetzungen begann mein Alter auch zum Faktor zu werden. Da hatte ich schon das Gefühl, dass Jüngere die besseren Karten hatten.
Es war kein gutes Gefühl und – ganz ehrlich – irgendwann begannen dann Energielevel und Motivation tatsächlich zu schwinden.
Umso schöner das Gefühl nach dem Wechsel zu SIX. Die neue Herausforderung wirkt wie ein Jungbrunnen. Keine Spur mehr von leeren Batterien oder fehlender Motivation. Hinzu kommt die überwältigende Wertschätzung, die ich nach der Ankündigung des Wechsels und bis heute von meinen ehemaligen ZKB-Mitarbeitern erhalte.
Am wichtigsten ist, dass die Leute gerne zusammenarbeiten, dass sie sich tatsächlich als Team verstehen und so agieren. Das kann man sowohl mit einem altersgemischten wie auch mit einem altershomogenen Team erreichen.
In einem guten altersdurchmischten Team können die Mitarbeiter gegenseitig von ihren Erfahrungen und ihrem Wissen profitieren. Das kann für alle Beteiligten sehr bereichernd sein.
In einem guten altershomogenen, jüngeren Team funktioniert der Wissenstransfer fast wie von selbst. Hier fehlt halt oft das Element Erfahrung.
Bei der SIX habe ich jetzt einen Bereich mit vorwiegend Männern ab 50 übernommen. In den nächsten Monaten wird «Teambuilding» eine der Prioritäten sein und wenn sich die Gelegenheit bietet, möchte ich das Team ergänzen mit Frauen und jüngeren Mitarbeitern. Ich bin sicher, dass dies für uns alle bereichernd sein wird.
Wenn ich die Arbeitswelt heute mit der Arbeitswelt zur Zeit meines Berufseinstiegs Ende der 70er Jahre vergleiche, hat sich unglaublich viel verändert. In den nächsten 10 Jahren werden viele weitere Jobs, gerade in der Bankbranche, «wegdigitalisiert» sein, nicht zuletzt aufgrund sich verändernder Kundenbedürfnisse. Ich glaube aber nicht, dass in 10 Jahren Roboter alle unsere Arbeit machen werden. Emotionen, Vertrauen und menschliche Beziehungen sind nicht digitalisierbar.
Der Trend zu Home Office und generell «Remote Working» wird sich sicher weiter verstärken. Ich glaube aber auch, dass der Wert eines gut funktionierenden Teams massiv unterschätzt wird und das ist «Remote» einfach nicht umsetzbar.
Hierarchien und Chefs wird es sicher auch in Zukunft noch geben. Chefs, die sich primär als Auftraggeber und Kontrollinstanz verstehen, sind aber sicher nicht zukunftsfähig. Gefragt sind Chefs, die Orientierung geben, inspirieren, coachen, unterstützen, vernetzen, wertschätzen und denen die Mitarbeiter wichtiger sind als sie sich selbst.
In Europa könnte das aufgrund der demografischen Entwicklung tatsächlich geschehen, es sei denn, die fehlenden jungen Arbeitskräfte werden durch Migration kompensiert.
Voraussetzung wäre aber ein Abrücken vom gradlinigen Karrierebild. Wellenkarrieren sollten zur Norm und gesellschaftlich akzeptiert werden. Zudem wäre es hilfreich, Vorsorgesysteme zu flexibilisieren, damit ältere Mitarbeiter aufgrund hoher Vorsorgebeiträge nicht systematisch benachteiligt werden.
Meines Wissens waren trotz aller Industrialisierung und Digitalisierung weltweit noch nie so viele Menschen erwerbstätig wie heute. Die Arbeit scheint also nicht wegzufallen, sondern es entstehen neue Berufe, die neue Fähigkeiten erfordern. Das Vorruhestandsparadigma könnte sich trotzdem verstärken, weil es sich aus Sicht der Unternehmen möglichweise nicht lohnt, in die Entwicklung neuer Fähigkeiten bei älteren Mitarbeitern zu investieren.
Grundsätzlich liegt die eigene Entwicklung immer in der Verantwortung jedes Menschen. Lebenslanges Lernen, immer wieder neue Herausforderungen annehmen und Erfahrungen sammeln erachte ich als gutes Modell zur Steigerung der eigenen Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt.
Ältere Führungskräfte sollten vermehrt die Möglichkeit haben, irgendwann Führung in jüngere Hände zu übergeben, ohne zu diesem Zeitpunkt aus ihrem Unternehmen auszuscheiden. In dieser Phase des Berufslebens könnte ich mir Einsätze in wichtigen Projekten oder zum Beispiel als «graue Eminenz» in der Kundenbetreuung vorstellen. Dies könnte in Voll- oder Teilzeitmodellen erfolgen. Mit Teilzeitmodellen könnte Freiraum geschaffen werden für andere Aktivitäten, zum Beispiel für einen Neustart ausserhalb des bisherigen Arbeitgebers.
…..was mit den in den letzten Jahren erfolgten, teilweise massiven Anpassungen von Pensionskassenleistungen vermehrt der Fall sein wird.
Die meisten Menschen haben ab Alter 60 noch etwa 15 «produktive» Jahre vor und einiges an Energie in sich. Aber vielleicht keine Energie mehr für das, was sie in den letzten 40 Jahren gemacht haben. Es spricht aber nichts dagegen, in diesen «produktiven» Jahren noch eine Arbeitsleistung zu erbringen, einen Neustart zu wagen. Wenn die weiter oben erwähnten Rahmenbedingungen stimmen, fällt der Neustart umso leichter und könnte zum «New Normal» werden.
Ja, ich habe noch Pläne. Meine Frau eröffnet nächstes Jahr ihre eigene Logopädie-Praxis. Da werde ich sie sicher unterstützen. Dann werde ich mich natürlich weiterhin für die Neustarter-Stiftung engagieren. Ich selber könnte mir vorstellen, Finanzplanung anzubieten, die tatsächlich unabhängig ist. Das mache ich heute schon für «Family and Friends». Aber wer weiss, vielleicht kommen mir in den nächsten Jahren noch ganz andere Ideen und es kommt alles ganz anders.
Anmerkung: Inzwischen arbeitet Andi Schöni nicht mehr bei Six und tüftelt an einem neuen Looping. Wir halten euch hier im Loopings Magazin auf dem Laufenden!