In der Mitte des Lebens ist nicht nur jede Menge Zeit für berufliche Loopings, sondern auch biologische Veränderungsprozesse begleiten uns. Das Thema Wechseljahre ist, in Relation zur individuell oft wahrgenommenen Tragweite, ein wenig öffentlich beachtet und besprochenes Thema. So assoziieren viele Menschen diese Phase höchstens mit Beschwerden und Hitzewallungen, auch auf Grund des gesellschaftlichen Fokus auf medizinische Aspekte. Auch der Wandel im Hormonhaushalt der Männer findet kaum Beachtung oder ist überhaupt bekannt. Eine, die das Thema auf die grosse Bühne bringt und das auch noch mit einem positiven Touch und viel Mut für uns alle im Gepäck, ist Lorina Brändle mit ihrem Stängelglacé Projekt. Wir haben mit ihr gesprochen.
Ich habe schon seit längerem ein persönliches Interesse an Themen rund um die Stigmatisierung des Alters. Durch den demografischen Wandel werden Themen rund um das Alter und das damit verbundene Älterwerden auch für mich als junge Person immer sichtbarer. So habe ich zum Beispiel vor zwei Jahren ein Projekt zur Sexualität älterer Menschen gemacht – ebenso ein Thema, über welches generell nicht gesprochen wird. Oder haben Sie sich mal mit ihren Grosseltern über deren Sexualleben ausgetauscht? Ich habe es gemacht und fand es grossartig, mehr über ihre früheren Bettgeschichten zu erfahren und ihre persönliche Meinung zu hören. Es sind wohl diese Themenbereiche, die grösstenteils als unangenehm oder störend empfunden werden, die mein Interesse wecken. Dazu gehören auch die Wechseljahre. Zu Beginn meiner Recherche war es mir schon fast peinlich, wie wenig ich selber darüber Bescheid wusste, obwohl sich meine Mutter und mein Vater gerade in dieser Phase des hormonellen Ungleichgewichts befinden.
Der medizinische und mediale Fokus dieser Phase liegt auf einer ganzen Palette von Beschwerden wie Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen oder Depressionen, um nur ein paar zu nennen. Früher wurde die Menopause sogar als Krankheit dargestellt, weshalb die Wechseljahre heute noch pathologisiert werden. Auch die kommerzielle Kosmetikindustrie versucht diesen natürlichen Alterungsprozess zu bekämpfen, um dem Traum ewiger Jugend nachzueifern. Viele wissen zudem nicht, dass die Wechseljahre und die Menopause nicht dasselbe sind. Die Menopause definiert ein Ereignis, also den Zeitpunkt des letzten Eisprungs und stellt somit das Ende der Monatsblutung bei Menschen mit Eierstöcken dar. Die Wechseljahre hingegen definieren eine bis zu fünfzehn Jahre lange Lebensphase im Leben jedes Menschen, in welcher sich der persönliche Hormonhaushalt verändert, und so Teil des Alterungsprozesses ist. Ja, Männer erleben genauso eine hormonelle Umstellung. Im Unterschied zur Frau tritt diese jedoch schleichend auf.
Sobald ich dann in den Generationenaustausch eingetaucht bin und die subjektiven Erzählungen von Menschen in dieser Lebensphase gehört habe, wusste ich, dass ich diesem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken möchte. Es waren Aussagen wie «Ich erlebe es wie eine Neugeburt», «Die Wechseljahre stehen für einen Bewusstseinswandel», «Wir sind lebendig», oder «Ich bin schön», die mich sehr inspiriert haben. Da wurde mir bewusst, dass der Austausch über diese Lebensphase des Wandels über mehrere Generationen und Geschlechter gefördert werden muss, sodass auch die positiven Aspekte der Wechseljahre in unseren Gedanken ihren Platz finden.
Das Stängelglacé dient in erster Linie dazu, Aufmerksamkeit zu erregen. Das Glacé ist ein sehr positiv aufgeladenes Produkt und wir Menschen verbinden damit viele glückliche, lustvolle und spassige Erinnerungen. Rein schon die Gestaltung von Stängelglacés sind äusserst bunt, kreativ und bereiten Freude während dem sinnlichen Erlebnis. Das Stängelglacé «Pause?» dient in meinem Projekt als Gesprächseinstieg und animiert zu einer genüsslichen Auseinandersetzung mit dieser negativ konnotierten Lebensphase. Ich will einen positiven Zugang zur Thematik generieren und neue Perspektiven eröffnen, sodass unser bisheriger Umgang mit den Wechseljahren hinterfragt wird. Auf eine lustvolle Weise wird die Öffentlichkeit mit dem Thema konfrontiert, um in einem ersten Schritt zur Normalisierung im Alltag beizutragen.
So wird das Stängelglacé in alltäglichen Situationen an Passanten verteilt und – wie der Name schon sagt – zu einer erfrischenden Auszeit eingeladen. Das Stängelglacé hat viele Eigenschaften, welcher ich mich bedienen konnte, um die Vergänglichkeit der Wechseljahre über Geschmack, Form und Verpackung aufzugreifen. Der Geschmack ist inspiriert vom Granatapfel, welcher als Symbol für Vitalität, Energie und Lebenskraft steht. Des Weiteren beinhaltet das Glacé Zitronenmelisse, die unser Wohlbefinden in Balance bringt. Und zum Schluss Mönchspfeffer, dem typischen Heilkraut der Wechseljahre, der Körper, Geist und Seele entspannt. Es sind allesamt Naturheilmittel, welche gerne und oft in Zeiten des Wandels verwendet werden. Und als kleiner Tipp: Das Glacé ist die beste Geheimwaffe, um sich bei Hitze (-wallungen) abzukühlen!
Aufgrund der Abnahme des Östrogens sowie des Testosterons kann diese Umstellung ganz individuelle Auswirkungen haben. Für einige ist die Umstellung einschneidend, da die Veränderungen im Hormonhaushalt physische und psychische Auswirkungen zur Folge haben können. Die einen behaupten, nie in die Wechseljahre gekommen zu sein. Andere wiederum freuen sich auf das Ende ihrer Periode, da nie ein Kinderwunsch bestand. Die Abnahme der Hormone hat ganz bestimmt einen Einfluss auf das persönliche Wohlbefinden. Doch zu den Hormonen kommt hinzu, dass im mittleren Alter viele Menschen mit diversen Veränderungen und Herausforderungen in ihrem Leben konfrontiert werden. Während dieser bis zu fünfzehn Jahre langen Lebensphase kommen verschiedene Ebenen zusammen, die das Leben auf den Kopf stellen können. Beispielsweise kann es sein, dass man sich im Job nicht mehr wohlfühlt, die Kinder von Zuhause ausziehen oder die Beziehung nicht mehr wie gewünscht läuft.
Viele koppeln die Wechseljahre leider immer noch mit einer Störung. Schuld daran ist die öffentliche Vermittlung. Die äusseren Lebensumstände, wie die medizinische, die gesellschaftliche und die private Situation sind für das Wohlbefinden der Menschen während dieser Phase sicherlich sehr entscheidend. Die jugendorientierten Schönheitsideale und der Fokus auf die Beschwerden können die persönlichen Ängste vor dem Älterwerden und dem Attraktivitätsverlust grösser werden lassen, und es können tatsächlich Probleme entstehen. Glücklicherweise lösen sich immer mehr Betroffene von den stigmatisierten Bildern, was ein gestärktes persönliches Wohlbefinden zur Folge hat. In den Wechseljahren geht es um viel mehr als die physischen Veränderungen. Man tritt eine Reise zu sich selbst an und bei vielen findet ein Bewusstseinswechsel statt. Es entstehen neue Chancen, die genutzt werden können, um selbstbestimmt den eigenen Weg zu beschreiten.
Zuerst würde ich mit der betroffenen Person ein Gespräch beginnen. Häufig hilft es schon, sich über das Thema auszutauschen, das einen beschäftigt und seine Bedürfnisse mit dem Gegenüber zu teilen. Insbesondere der generationenübergreifende Austausch ist wichtig! Wie in jeder Lebensphase sind grosse Veränderungen auch eine grosse Herausforderung für alle Menschen.
Die persönliche Einstellung gegenüber dieser Phase ist ausschlaggebend für das persönliche Wohlbefinden. Es sollte vermieden werden, bereits mit negativen Gedanken in den Wechsel zu starten. Es ist wichtig, sich selbst zu akzeptieren und sich vom Bild der Wechseljahre zu lösen, das man von verschiedenen Stellen vermittelt bekommt. Durch die Wechseljahre erschliessen sich schlussendlich viele verschiedene Wege. Wichtig ist, denjenigen zu finden, der für einen selbst passt und die vielleicht entstandenen leeren Räume mit neuer Freude zu füllen.
Meine neue Arbeit und anderweitige Projekte nehmen meine Kapazitäten sehr in Anspruch. Deshalb, und auch wegen der aufwändigen Produktion, wurde das Stängelglacé vorerst auf Eis gelegt. Eine Idee, die das Projekt auf eine neue Art und Weise weiterführen würde, wäre ein Podcast. Interviews mit Menschen aus allen Altersgruppen würden sich über die verschiedenen Wechsel im Leben austauschen, um so auch den Diskurs zwischen den Generationen zu fördern.