«Sagenhaft günstige Werbekulis!» Klingt verdächtig nach Plastikmüll. Dabei verfehlte Jean K. bloß den Ton und damit auch die anvisierte Zielgruppe: Seine individuell bedruckten Marken-Schreibgeräte sind bei namhaften Firmen gefragt. Im Dutzend ist’s halt billiger. Wollte Herr K. jedenfalls mal so gesagt haben. Wer schreibt, der bleibt? So wohl eher nicht. Das geht besser.
Das (frei erfundene) Beispiel kommt bekannt vor: Viele Entrepreneure punkten mit guten Geschäftsideen, aber mit dem schriftlichen Kommunizieren hapert es. Tatsächlich gibt es dafür kein Patentrezept, wie selbst die meisten Profi-Texter zugeben. Aber immerhin einige Tipps, wie man auch als Neustarter verbal in Fahrt kommt, die passenden Worte findet und Fettnäpfchen umschifft.
Es ist wie die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Das weiße Blatt Papier, der blanke Bildschirm – sie stellen eine reale Bedrohung dar. Das blockiert. Wie anfangen? Am besten einfach drauflos schreiben. Ein paar Worte übers Wetter zum Beispiel. Kann man später wieder löschen. Es ist eine Art Aufwärmübung, wie beim Sport. Ein paar Zeilen stehen jetzt da, nutzlos noch, aber schon nach wenigen Minuten geht’s leichter. Und wir notieren erste konkrete Stichpunkte. Die Kernbotschaft, das wichtigste zuerst. Meine Kugelschreiber. Meine Straussenfarm. Meine Unternehmensphilosophie. Oder worum auch immer es sich handelt. Noch dürfen Sie sich selbst adressieren, Ihren Gedanken freien Lauf lassen, Rechtschreibfehler und krumme Syntax inbegriffen – wie in einem privaten Tagebuch. Und dann ist erst mal Pause. Beim Duschen oder Spazierengehen kommen erfahrungsgemäss noch ganz neue Ideen auf. Ein Langzeittipp unter Textern: Lesen! Gute Lektüre inspiriert und bereichert auf Dauer den Wortschatz.
Zurück am Schreibtisch. Jetzt geht es um die Zielgruppe. Welche Tonart anschlagen? Wie unterschiedlich würden Sie Ihre Message an, sagen wir mal, eigene Familienangehörige diverser Generationen formulieren? Wie an einen Top-Manager, wie an den Klempner von nebenan? Fokussieren Sie den ersten Entwurf auf diejenigen, die als Erste erreicht werden sollen. Da ist wahlweise ein eher konservativer oder salopper Stil angebracht. Es gilt zu bedenken: Was dem einen gefällt, verprellt womöglich den anderen. Wer versucht, Everybody’s Darling zu spielen, wirkt allzu gefällig und damit wenig glaubwürdig. Sind die Adressaten breit gefächert und auf verschiedenen Kanälen erreichbar, können es ruhig auch zwei oder mehr Textvarianten sein. Wobei die Online-Ansprache übrigens generell etwas kürzer ausfallen darf als die klassische Printversion. Papier ist eben geduldiger.
Apropos Geduld: Die des Lesers ist begrenzt. Deshalb sind Überschrift und Texteinstieg entscheidend dafür, ob seine Neugier geweckt, ob er zum Weiterlesen animiert wird. Langeweile kann in diesem Fall durchaus tödlich sein. Ein probates Gegenmittel ist eine bildhafte, erzählerische Sprache, die beim Adressaten eine besondere Stimmung erzeugt. Um bei den oben genannten Geschäftsbeispielen zu bleiben: Der Werbe-Kugelschreiber lässt sich als Objekt beschreiben, das Kunden gern mal aus dem Beratungsgespräch mitgehen lassen, so wie Hotelgäste Handtücher und Seifen. Oder eine Anekdote über die ersten tapsigen Schritte des frisch geschlüpften Straussenkükens – sie verleiht der Ansprache eine emotionale Note.
Aktive Verben geben der Sache dabei mehr Pfiff als die weit verbreiteten Passivkonstruktionen. «Wir garantieren eine artgerechte Tierhaltung» statt «Die artgerechte Tierhaltung wird von uns garantiert» – merken Sie den Unterschied?
Ferner sorgen Synonyme für Abwechslung, wenn sich Begriffe allzu oft wiederholen. Total, komplett, völlig, gänzlich, umfassend und von Grund auf. Hier helfen notfalls Online-Lexika weiter. Selbst die leidigen Keywords für die Suchmaschinenoptimierung (SEO) haben erstaunlich viele Varianten. Das SEO-Diktat darf überhaupt mit Vorsicht betrachtet und auf der Werteskala zurückgestuft werden. Lieber erst mal schauen, ob der Text rundläuft. Noch ist das menschliche Hirn – also das des Lesers – den mechanischen Aufnahmefunktionen des Computers überlegen. Und entsprechend sensibler bezüglich der inneren Stimmigkeit.
Freilich kann man sich zu Inspirationszwecken an Texten der Wettbewerber orientieren. Aber aufgepasst: Oftmals blockiert der Vergleich das eigene Denken. Allzu leicht übernimmt man abgedroschene Phrasen und vergibt damit die Chance, sich von der Konkurrenz abzuheben. In jedem Fall gilt: Abschreiben ist tabu!
Ein lebendiger, angenehm zu lesender Text zeichnet sich durch einen gepflegten sprachlichen Rhythmus aus – etwa durch den Wechsel zwischen kurzen und etwas längeren (aber nicht zu ausgedehnten!) Sätzen. Nahtlos aneinandergereiht ergibt das Ganze zunächst allerdings eine wenig attraktive Bleiwüste. Demgegenüber verschaffen gezielt gesetzte Absätze, bestenfalls noch die eine oder andere Abbildung, willkommene Atempausen. Gelegentliche Zwischenüberschriften führen als Wegweiser durch den gesamten Content. Sie stimmen auf den jeweils nächsten Gedanken oder Inhalt ein.
So weit, so gut. Die Suppe ist fertig. Alle Zutaten sind drin, aufeinander abgestimmt, in logischer Reihenfolge. Und doch lohnen weitere Arbeitsdurchgänge. Fast immer sind die Texte bei aller Umsicht zu lang, zu umständlich geraten. Hier und da lässt sich ein Adverb (landläufig: Umstandswort) tilgen, die Chose einkochen wie eine gute Sauce. Das finale Kürzen wirkt Wunder. Ein, zwei weitere Male den Rotstift angesetzt, und die Message kommt noch klarer auf den Punkt. Wie jeden guten Eintopf lässt man das Ganze über Nacht ruhen. Noch mal drüber schlafen. Am nächsten Tag schmeckt es besser.
Es schadet nicht, sich den Text zur Kontrolle einmal selbst laut vorzulesen. Vielleicht finden sich noch Probeleser, idealerweise aus der Zielgruppe, eventuell aber auch aus Kollegen-, Freundes- oder Familienkreisen. Ist oft in ein paar Minuten erledigt; guck mal drüber, tut nicht weh. Aber durchaus wirkungsvoll. Zuletzt ein gründlicher Korrekturdurchgang. Die Rechtschreibung ist nicht zu unterschätzen! Fehler verlangsamen das Lesen, bilden Stolpersteine, tun der Glaubwürdigkeit Abbruch, wirken unprofessionell.
Übrigens: «Wer schreibt, der bleibt» – das verspricht nicht unbedingt einen Eintrag in die Annalen der Geschichte, sondern ist eine seit circa 1900 überlieferte Redensart unter Kartenspielern. Man unterstellte demjenigen, der die Punkte notiert, dass er schummelt und sich selbst in die Pole Position setzt. Gute Kommunikation hat dergleichen nicht nötig und verdient idealerweise den Zusatz «… der bleibt im Gedächtnis».