Die TBF + Partner AG entwickelt gemeinsam mit ihren Kunden nachhaltige Lösungen in den Bereichen Infrastruktur, Mobilität, Energie und Umwelt. Diese komplexen Vorhaben erfordern eine ganze Bandbreite an Kompetenzen – von den unterschiedlichsten Fachdisziplinen über Projektmanagement und Kommunikation bis hin zur Förderung von Transformations- und Lernprozessen. Das Unternehmen legt grossen Wert auf diese ganzheitliche Begleitung. Die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit allen Beteiligten gilt dabei als Schlüssel zum Erfolg. Dazu tragen rund 300 Mitarbeitende an sechs Standorten in der Schweiz und in Deutschland bei: Bern, Böblingen, Genf, Hamburg, Lugano und Zürich. Ein Interview mit Léonie Mollet, People and Organisation bei der TBF + Partner AG.
So plakativ das auch klingt: Wir sind auf Vielfalt angewiesen – und da gehört das Alter als einer von vielen Faktoren mit dazu. Entsprechend stellen wir fest, dass auch unser Rekrutierungsprozess immer vielfältiger wird. Es gibt nicht mehr den einen linearen Prozess, über den neue Mitarbeitende zu uns finden. Vielmehr gibt es ganz verschiedene Kanäle: von Events wie Hochschulmessen und Konferenzen über Communities wie LinkedIn bis hin zu Inseraten auf Laufbahn-Plattformen oder die Einladung zur Initiativbewerbung auf unserer eigenen Webseite. Fixe Stellenprofile gibt es bei uns nicht mehr, da wir damit ja sonst Menschen in ihrer Entwicklung und in der Anwendung ihrer persönlichen Stärken einschränken würden. Deshalb sind auch unsere Stelleninserate immer sehr weit gesteckt. Zunehmend wichtiger wird auch unser persönliches Netzwerk, über das wir immer wieder auf spannende Menschen stossen. Rekrutierung wird so zur Aufgabe jeder Kollegin und jedes Kollegen. Die kulturelle Passung, unser wichtigstes Einstellungskriterium, ist in diesen Fällen ohnehin am grössten.
Wir bewegen uns in einem super komplexen Umfeld, in dem es selten einfache Antworten gibt. Unsere Projekte verlangen nach massgeschneiderten Lösungen, die oftmals erst sichtbar werden, wenn wir uns gemeinsam auf den Prozess einlassen. Deswegen sind wir unbedingt angewiesen auf unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen. Es braucht kreative Köpfe genauso wie analytische Denkerinnen und Denker sowie Kommunikationsprofis. Wir sind auch nie alleine unterwegs: Die Stärke liegt im Netzwerk. Es ist somit in unserem Interesse, dieses Netzwerk möglichst vielfältig aufzustellen, da wir nie genau wissen, welche Kompetenzen wir im nächsten Projekt oder in der nächsten Projektphase brauchen. Neben den vielfältigen Kompetenzen haben wir gemeinsame Grundwerte, die nicht verhandelbar sind: Wir sehen Menschen als vertrauenswürdig und lernfähig an.
Ja, klar. Teilweise war es so, dass jemand bei uns angefangen hat und direkt schon im Bogenlaufbahn-Prozess gelandet ist. Oder wir haben auch schon Personen ins Netzwerk geholt, die bereits in Pensionierung sind, dann eben zum Beispiel auf Mandatsbasis.
Das kommt grundsätzlich auf den Menschen und nicht auf das Alter an. Wenn die Person beispielsweise sehr klare hierarchische Strukturen brauchen würde, dann wäre der Kulturschock schon ziemlich gross. Aber dann hätten wir ja bei der Rekrutierung schon etwas falsch gemacht. Wir sind schon relativ selbstorgansiert und agil unterwegs. Unsere Arbeitsweise und -tools kennenzulernen, ist natürlich für viele erstmal eine Challenge, unabhängig vom Alter. Diese Form der Zusammenarbeit ist aber auch etwas, was mittlerweile viele Menschen ausdrücklich suchen. In den letzten paar Jahren konnten wir ein paar Seniors verpflichten, die bewusst gesagt haben: «Hey, das ist genau so, wie ich arbeiten möchte.» Die brauchen keine Visitenkarte mit Goldrand, sondern schätzen die Zusammenarbeit auf Augenhöhe und dass sie ganz lernender Mensch sein dürfen. Die wichtigsten Voraussetzungen sind, neugierig zu sein und sich voll auf dieses neue Umfeld einzulassen.
Den Begriff Talentmanagement kenne ich zufälligerweise sehr gut, dazu habe ich meine Masterarbeit geschrieben. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen finde ich den Begriff etwas sperrig. Ich habe aber auch noch keinen Besseren gefunden. Was mich vermutlich daran stört, ist dieser Hauch des Elitären – und dass es danach klingt, als liessen sich Menschen beziehungsweise ihre Entwicklung managen. Wir sind alle Talente mit unseren eigenen Stärken und Interessen. Und wir entwickeln uns alle ständig weiter, wenn uns das zugetraut wird und wir die Freiräume dazu haben. Dieser Grundgedanken des lebenslangen Lernens ist zentral für unser Selbstverständnis. Wir verstehen uns als lernende Organisation und wollen Leben, Lernen und Arbeiten miteinander verknüpfen. Das passiert bei uns ständig. Talentmanagement im Sinne von Entwicklung – und Begleitung dabei – findet also fortlaufend und altersunabhängig statt. Der dedizierte Talentmanagement-Prozess bezieht sich dann ergänzend dazu vor allem auf die verschiedenen Unterschriftenregelungen. Das geschieht nicht im stillen Kämmerlein, sondern ebenfalls im engen Austausch mit den Mitarbeitenden und entlang der Frage, ob diese überhaupt mehr unternehmerische Verantwortung tragen möchten.
Entwicklung ist für uns das Essenziellste überhaupt. So bleiben wir als Organisation beweglich und zukunftsfähig. Das ist der Kern, der uns antreibt und auch immer wieder dazu führt, dass wir unsere Strukturen und Prozesse hinterfragen und anpassen – damit wir uns noch besser auf den einzelnen Menschen und seine Bedürfnisse ausrichten können. Deshalb verzichten wir auch hier auf starre Modelle. Wir sagen immer: Es gibt so viele Lern-, Laufbahn- und Arbeitsmodelle wie Mitarbeitende. Für grobe Orientierung sorgt die triale Laufbahn: Projekt-, Fach- und Führungslaufbahn. Diese sind parallel, gleichwertig und durchlässig. Ich vermeide hier übrigens bewusst den Begriff «Karriere».
«Karriere» impliziert ein lineares Bild, als gäbe es genau nur einen einzigen vorgezeichneten Weg, um erfolgreich zu sein und Wertschätzung zu bekommen. Da gefällt mir die Idee einer individuellen, selbst gestalteten «Laufbahn» viel besser. Das entspricht auch dem Grundsatz der Eigenverantwortung der uns wichtig ist: Wir möchten Erwachsene nicht bevormunden, sondern bestärken.
Für mich ist es ein Hilfsmittel in der «Heimatfindung». Dahinter stehen die Fragen, wofür ich gerade brenne und womit ich mich identifizieren kann. Und das kann sich ja auch wieder ändern. Damit verhindern wir das traditionelle Muster, dass exzellente Fachpersonen mangels Laufbahnalternativen in Führungspositionen befördert werden – und dort vielleicht gar nicht glücklich und gut sind. Die drei Laufbahnen sind wiederum netzwerkartig organsiert, das heisst standort-, team- und projektübergreifend. Sie kümmern sich um Vernetzung und Austausch in ihren Themen und stellen so insbesondere die Verknüpfung von individueller und kollektiver Entwicklung sicher. Das Fachnetzwerk ist zurzeit selber in einer Phase der «Neu(er)findung» rund um die Frage, wie die Digitalisierung und Demokratisierung von Wissen die eigene Arbeitsweise verändern.
Das sind nicht radikal andere Themen als vorher im Berufsleben. Ich möchte zu jedem Zeitpunkt meiner Laufbahn wahr- und ernst genommen werden. Man hört noch allzu oft von diesen Beispielen, wo ältere Mitarbeitende auf dem Abstellgleis landen und die Tage bis zur Pensionierung im Kalender abhaken. Das stelle ich mir ganz schlimm vor. Wertschätzung zu erfahren und einen Sinn zu sehen im eigenen Tun, das sollte doch bis zum letzten Arbeitstag da sein. Klar, das bedingt, dass die Mitarbeitenden am Ball bleiben. Und dass man auch gemeinsam vorausschaut, was es braucht, um motiviert zu bleiben.
Wir nennen diesen bewussten Übergang vom Berufsleben in die Pensionierung die «Bogenlaufbahn». Im Sinne von «den Bogen spannen». Damit ist wiederum kein vordefiniertes Arbeitsmodell gemeint. Wir setzen ja auch vorher auf individuelle Laufbahnen und führen das einfach konsequent fort. Wir haben schon ganz verschiedene Geschichten gesammelt: Da gibt es Kolleginnen und Kollegen, die noch ein laufendes Projekt zu Ende begleiten über das reguläre Pensionsalter hinaus. Solche, die auf Mandatsbasis weiterhin einspringen möchten. Oder diejenigen, die ihre Führungsfunktion frühzeitig an Nachfolgerinnen oder Nachfolger übergeben und in den Jahren bis zur Pensionierung noch mit Vollgas Nachwuchsförderung betreiben oder Grossprojekte stemmen. Es gibt Personen, die stufenweise vorzeitig das Pensum herunterfahren und solche, die mit gehabtem Pensum noch ein Jahr weiterarbeiten. Das muss natürlich immer für beide Seiten stimmen. Deshalb starten wir den Prozess mit einem informellen Erstgespräch mit 57 Jahren, sodass genügend Zeit zum Aufgleisen bleibt. Und auch für die Übergabe von Wissen, Erfahrung und Kontakten – am besten möglichst breit geteilt. Ganz wichtig in diesem ersten Gespräch ist die Botschaft, dass kein Druck besteht – weder um früher zu gehen noch um länger zu bleiben. Es geht darum, einen gemeinsamen Weg zu finden.
Es ist ein zweistufiger Prozess. Wenn jemand im Team 57 Jahre alt wird, dann melde ich mich (vom HR) bei der Führungsperson, ob sie das auf dem Radar hat. Das Erstgespräch findet zwischen MitarbeiterIn und Führungsperson statt. Im Anschluss haben die Mitarbeitenden natürlich Zeit, sich erst einmal Gedanken zu machen, sich mit Familie und Freunden zu besprechen und die finanzielle Situation anzuschauen. Ein Teil der Kosten für eine Finanzberatung übernehmen wir in dieser Phase auch, weil das ein wichtiger Faktor für die Planung sein kann. Es gibt auch Personen, die finden das viel zu früh – dann zwingen wir natürlich niemanden dazu und lassen die Kollegin oder den Kollegen eine Weile in Ruhe. Im Normalfall findet dann rund ein Jahr später ein Zweitgespräch statt. Dazu wird als dritte Person noch Nicola eingeladen, unser Verantwortlicher für Personal und Finanzen. Hier wird in einem 360-Grad-Rundumgespräch eine Auslegeordnung gemacht und ein Paket geschnürt. Auch danach bleiben die Beteiligten im Dialog, weil sich die Bedürfnisse ja wieder ändern können.
Nein, das machen wir nicht. Damit würden wir einen monetären Anreiz für eine Pensumsreduktion schaffen. Und wir möchten ja jede Situation einzeln anschauen und individuelle Lösungen finden. Ausserdem wäre es unfair gegenüber den Kolleginnen und Kollegen. Bisher hatten wir auch keine Gehaltsanpassungen, weil die Verantwortung nicht abnahm, sondern sich höchstens von einer Führungsverantwortung auf eine Projektverantwortung verschob. Aber wenn jetzt jemand sagen würde: «Du, ich hatte 30 Jahre Stress in meinen Gesamtprojektleitungen, ich mag jetzt noch ein wenig Protokolle schreiben und Terminumfragen verschicken», dann wäre das völlig legitim – mit der entsprechenden Korrektur des Gehalts nach unten.
Ja, wir machen das jetzt seit drei Jahren und sehen, dass es das noch immer nicht so oft gibt. Daher freuen wir uns, wenn wir Andere inspirieren und ihnen Mut machen können, selber eigene Modelle zu entwickeln, die zu ihnen passen. Es lohnt sich auf jeden Fall, gerade als lernende Organisation, wo wir darauf angewiesen sind, dass wir bis zum letzten Tag Lust haben zu lernen und zu gestalten.