«Ich hätte die Stelle schon viel früher wechseln sollen»

Da Stephanie Cengiz, 10. luglio 2023

Mit 62 Jahren beruflich nochmals voll durchstarten? Warum auch nicht! Beat Carnot wurde unfreiwillig frühpensioniert und dachte «das kann es nicht gewesen sein». Ein entspanntes Kafitreffen mit seinem Bekannten, David Henzmann, führte zu einer Win-win-Situation: David stellte Beat für die letzten drei Berufsjahre als Leiter der Entwicklung und Mitglied der GL an. Ein Doppelinterview mit dem Geschäftsführer David Henzmann und dem inzwischen pensionierten Beat Carnot.

Fragen an David Henzmann, Inhaber der siabit AG und der Avarel Studios AG

David, du hast den Schritt gewagt und Beat, der mit seinen 62 Jahren schon fast mit einem Fuss in der Pensionierung stand, eingestellt. Damit hast du dich aktiv gegen eine jüngere Person entschieden, die noch länger an der Entwicklung der Organisationen hätte mitwirken können. Was war der ausschlaggebende Grund für diese Entscheidung?

Die Position des Leiters der Entwicklung wurde neu geschaffen. Bevor wir die Stelle öffentlich ausgeschrieben haben, habe ich natürlich mein Netzwerk genutzt, um potenzielle Kandidaten zu finden. Überraschenderweise traf ich mich eine Woche später mit Beat zu einem entspannten Kafitreff in einem Restaurant. Ich glaube, dass eine lockere Atmosphäre wichtig ist, um sich bei einem Kennenlerngespräch wohlzufühlen. Schliesslich wählen wir auch bei einem Date immer eine tolle Location aus ;-)

Wir haben auch jüngere Kandidaten in Betracht gezogen, aber letztendlich habe ich mich für Beat entschieden, da er eine enorme Erfahrung von über 30 Jahren bei GE im Bereich SAP mitbrachte. Noch wichtiger war jedoch seine ruhige und besonnene Art. Da unser Team aus vielen jungen Menschen besteht, brauchten wir jemanden, der die Ruhe bewahren konnte..

Beat war die letzten drei Jahre bis zur Pensionierung als Leiter der Entwicklung bei siabit AG und als Mitglied der GL bei Avarel Studios AG tätig. Zwei verantwortungsvolle Stellen, die es nun neu zu besetzen gilt. Wie gelingt die Rekrutierung einer geeigneten Nachfolge für Beat?

In der Geschäftsleitung von Avarel Studios AG haben wir Beat mit dem neuen Agenturleiter ersetzt. Der neue Agenturleiter verfügt über das erforderliche Fachwissen und kann daher Beat in der Geschäftsleitungsfunktion gut vertreten.

Bei siabit AG wurde Beat jedoch noch nicht als Leiter Entwicklung ersetzt. Derzeit teilen sich zwei Teamleiter seine Aufgaben, was als vorübergehende Lösung gedacht ist. Bereits jetzt erkenne ich jedoch, dass es schwierig sein wird, jemanden zu finden, der dieselben Kompetenzen wie Beat mitbringt.

Was entgegnest du auf das – oft matchentscheidende – Argument, dass ältere Mitarbeitende mehr kosten?

In der Schweiz ist es tatsächlich so, dass ältere Mitarbeiter teurer sind als jüngere Mitarbeiter, insbesondere in Bezug auf die berufliche Vorsorge und die Pensionskasse. Ein Mitarbeiter über 60 Jahre kostet doppelt so viel in Bezug auf die PK-Beiträge im Vergleich zu einem jüngeren Mitarbeiter.

Hierbei geht es jedoch um Opportunitätskosten. Wenn wir bedenken, welche Erfahrungen wir bei der Auswahl eines jüngeren Mitarbeiters verpassen würden, vermute ich, dass die Entscheidung in unserem Fall nicht erfolgreich gewesen wäre. Beat hat bei uns grosse Projekte souverän geleitet und das Unternehmen einen grossen Schritt nach vorne gebracht.

War dir und Beat von Anfang an klar, dass Beat mit 65 Jahren in Pension geht oder war bei einem von euch der Wunsch da, dass er länger im Einsatz bleibt?

Am Anfang war es noch nicht ganz klar. Beat spielte mit dem Gedanken, länger zu bleiben und sogar Teilhaber zu werden. Im Verlauf der drei Jahre hat sich jedoch alles dramatisch verändert, als Beat einen schweren Schicksalsschlag in seinem persönlichen Umfeld erlebte, der ihm verdeutlichte, wie wertvoll das Leben ist. Aus diesem Grund entschied sich Beat, mit 65 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Ich bedaure dies zutiefst! Ich hätte ihn gerne weiterhin im Team gehabt. Wir haben gerade frische Investoren an Bord und Beat hätte im Bereich Qualität einen bedeutenden Beitrag leisten können.

Was wünschst du dir von anderen Unternehmen in Bezug auf die Rekrutierung 50+?

Es ärgert mich wirklich, wenn ich höre, dass ältere Mitarbeiter langsamer sind. Das kann man nicht pauschalisieren. Beat war immer offen für moderne Softwarelösungen und konnte sie sehr schnell erlernen. Es kam sogar oft vor, dass er uns jungen Mitarbeitern versteckte Funktionen in hochmoderner Software zeigte. Warum? Weil er sich die Zeit dafür genommen hat. Letztendlich können ältere Mitarbeiter genauso schnell erfolgreich sein, solange der Menschentyp stimmt. Vielleicht sogar auf eine nachhaltigere Weise.

David Henzmann und Beat Carnot (Mitte, vorne) am Abschiedsapéro

Fragen an Beat Carnot, 65

Beat, wie war das für dich, mit 62 nochmals beruflich neu durchzustarten und gleich zwei so verantwortungsvolle Jobs als Leiter der Entwicklung und Mitglied der GL zu übernehmen?

Mein Plan war es grundsätzlich, bis 65 zu arbeiten. Als man mir bei GE mitteilte, dass ich frühzeitig pensioniert werden sollte, war ich schockiert. Ich war der Meinung, dass ich in meiner Position und der Erfahrung im SAP-Umfeld unersetzbar bin. Doch einmal mehr bewahrheitete sich «jeder ist ersetzbar». Die grosszügige finanzielle Abfindung war für mich Nebensache.

Ich war von meiner Tätigkeit bei GE gewohnt, Verantwortung zu übernehmen. Deshalb war ich überglücklich, wieder Aufgaben zu erhalten, die verantwortungsvoll waren. David gab mir das Gefühl, noch nicht zum alten Eisen zu gehören.

Wie kam es zu dieser Anstellung? Hast du dich ganz klassisch beworben oder bist du über den sogenannten «verdeckten Stellenmarkt» an den Job gekommen?

Ich kannte David bereits und verfolgte die Entwicklung von seinen Firmen Avarel Studios AG und siabit AG mit grossem Interesse. Es freute mich sehr, als er mir sein Jobangebot unterbreitete. Wie David oben schon erwähnt hat, trafen wir uns in einem Restaurant in entspannter Atmosphäre. Als David mir meine zukünftigen Aufgaben schilderte, war ich zu Beginn etwas skeptisch, ob das genügend Aufgaben für ein 60%-Pensum waren. Im Nachhinein muss ich festhalten, dass dies bei weitem genügend Aufgaben waren.

Was hast du vor diesen drei Jahren bei Avarel Studios und siabit beruflich gemacht?

Ich war SAP Senior Consultant bei ALSTOM und GE. Zu meinen Aufgaben gehörte unter anderem die Applikationsverantwortung für SAP. Ich unterstützte und beriet interne Kunden bei der Modellierung von Geschäftsprozessen und der Implementierung von komplexen EDV-Systemen.

Rückblickend betrachtet: Würdest du es wieder so machen und mit 62 nochmals einen solchen Stellenwechsel oder beruflichen Neuanfang angehen?

Die Frage kann ich zu 100% mit JA beantworten. Ich hätte die Stelle sogar schon viel früher wechseln sollen. Es waren 3 erfüllende Jahre, die ich in einem jungen und aufgestellten Team verbringen durfte. Die Mischung aus Natur (Forst) und IT war für mich sehr befriedigend.

Welche Pläne hast du für die Zeit nach deiner Pensionierung? Selbstständig machen, reisen, Beine hochlegen, Freiwilligenarbeit leisten…?

Beine hochlegen kenne ich noch nicht. Ich arbeite in einem reduzierten Teilzeitpensum als Tauchlehrer, was mir ebenfalls viel Freude bereitet. Weiter bin ich oft mit meinem Motorrad oder meinem E-Bike unterwegs. Zukünftig will ich auch mehr Zeit mit meiner Frau verbringen und mit ihr zusammen die Welt bereisen. Dafür möchten wir in den nächsten Monaten eventuell ein Wohnmobil anschaffen. Einen ersten Versuch mit einem gemieteten Wohnmobil hatten wir im April bereits unternommen und waren begeistert.

Vielen Dank, David und Beat!

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