Im aktualisierten Studiendossier «Generationenfragen» von Professor François Höpflinger, Alters- und Generationenforscher und Mitglied unseres Stiftungsrates, gibt es unter anderem spannende Erkenntnisse zum «Generationenwandel in der Arbeitswelt». Die Kapitel rund ums Thema Arbeitswelt stellen wir hier im Loopings Magazin vor. Wer das gesamte Studiendossier lesen möchte, kann es am Ende des Artikels als PDF heruntergeladen.
Im folgenden Teil werden Fragen des Generationenwandels in der Arbeitswelt und in Unternehmen analysiert und diskutiert. Nach konzeptuellen Überlegungen zum betrieblichen Generationenwandel werden auch Fragen einer optimalen Gestaltung der innerbetrieblichen Generationenbeziehungen (Generationenmanagement) diskutiert. Dabei soll auch die Schlüsselfrage angesprochen werden, inwiefern sich ein unausgeglichener Generationenmix beim Personal bzw. im Verhältnis von Personal und Kundschaft negativ auswirken kann. Es ist allerdings vorauszuschicken, dass zu den Folgen eines unausgewogenen Generationenmix in Unternehmen in der Schweiz bisher wenig empirische Arbeiten vorliegen. Das Problem des demografischen Wandels als gesellschaftspolitische sowie wirtschaftliche Herausforderung wurde in der Schweiz zwar erkannt, aber bei «den Organisationen findet jedoch erst ein Umdenken statt und insgesamt ist noch kein integrales Verständnis von Generationenmanagement vorhanden, im Sinne, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Generationen aktiv bewirtschaftet werden muss.» (Hille et al. 2019). Ein Hauptnutzen, welche Arbeitgeber im Generationenmanagement sehen, ist das Vermeiden von Wissensverlust durch das Ausscheiden älterer Mitarbeitenden aus dem Unternehmen. Daneben wird dem Transfer von Wissen zwischen den Generationen für den Unternehmenserfolg eine hohe Bedeutung eingeräumt.
Unternehmen – und namentlich grössere Unternehmen – sind in dreifacher Weise mit Aspekten eines Generationenwandels konfrontiert und zwar bezogen auf ihre Mitarbeitenden, ihre Kundschaft sowie ihre Produkte und/oder Dienstleistungen:
Erstens müssen immer wieder neue – und meist jüngere – Mitarbeitende rekrutiert und betrieblich sozialisiert werden; etwa um ausscheidende Mitarbeitende zu ersetzen oder um zu expandieren. Gleichzeitig müssen bestehende Mitarbeitende eingebunden und gefördert werden, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten und ihre Karriere zu strukturieren. Die Integration junger Mitarbeitender und die innerbetriebliche Qualifizierung bestehender Mitarbeitender gehören zu den zentralen Säulen jeder Arbeitsmarkt- und Personalpolitik. Parallel dazu scheiden immer wieder Arbeitskräfte aus; aufgrund einer Kündigung oder eines altersbedingten Austritts (Pensionierung). In einer demografisch alternden Gesellschaft steigt der Anteil älterer Mitarbeitender an. Dies erfordert von immer mehr Unternehmen eine generationelle Doppelstrategie: Einerseits gilt es im verstärkten Wettbewerb um frisch ausgebildete junge Fachleute für nachkommende Generationen attraktiv zu bleiben. Andererseits sind Unternehmen verstärkt darauf angewiesen, die Leistungsfähigkeit und Motivation langjähriger älterer Mitarbeitender zu erhalten. In diesem Rahmen kommt optimalen Generationenbeziehungen zwischen Jung und Alt eine verstärkte Bedeutung zu; sei es, dass ältere Mitarbeitende von jüngeren Fachpersonen lernen; sei es, dass Innovation der Jungen und Erfahrung der älteren Menschen kombiniert werden. In einer hochdynamischen Arbeitswelt werden gerade auch von älteren Mitarbeitenden intergenerationelle Anpassungsleistungen verlangt; wie Know-how-Transfer an Jüngere, Lernen von Jüngeren, gute Zusammenarbeit trotz Generationendifferenz sowie Akzeptanz von Altersumkehrungen in der Hierarchie.
Im Verlauf der Zeit verändert sich die generationelle Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung und früher dominante Geburtsjahrgänge werden durch nachkommende Generationen ersetzt. Zu Beginn der 1990er Jahre war in der Schweiz die Babyboomer-Generation (1946-1964) auf dem Arbeitsmarkt – mit 45% der Erwerbsbevölkerung – am zahlreichsten vertreten. Diese Geburtskohorten dominierten bis 2009. 2010 wurden die Babyboomers zahlenmässig von den 1965-1980 Geborenen (Generation X) überholt und 2014 auch von den Millenials (1981-1996 geboren) (Bundesamt für Statistik 2019). Die intergenerationellen Verschiebungen der Erwerbsbevölkerung werden in der nachfolgenden Grafik deutlich sichtbar.
Zweitens ergibt sich ein mehr oder weniger permanenter generationeller Wandel der Kundschaft. Speziell Dienstleistungsunternehmen stehen vor der Aufgabe den Generationenwandel der Kundschaft zu bewältigen: Neue bzw. jüngere Kunden und Kundinnen müssen angeworben werden und die Bindung bisheriger Kunden und Kundinnen ist zu gewährleisten. Auch hier stehen viele Unternehmen vor der spannungsvollen Aufgabe einen möglichst reibungslosen Wechsel zu erreichen, etwa junge Kundinnen anzuwerben, ohne ältere Kundinnen zu verlieren. Dies gilt speziell für Dienstleistungsunternehmen mit direkten Kontakten zur Endkundschaft.
In einer demografisch alternden Gesellschaft werden Produkte und Dienstleistungen für ältere Personen vermehrt nachgefragt, wogegen der Jugendmarkt relativ an Bedeutung verliert. Banken und Versicherungen werden etwa mit einer rasch anwachsenden Gruppe älterer, aber finanzkräftiger Menschen konfrontiert, die spezielle Finanz- und Versicherungsinteressen aufweisen. Besonders stark von der demografischen Entwicklung betroffen ist auch der Gesundheitssektor, da Ärzte und Spitäler immer häufiger mit alten Patienten und Patientinnen konfrontiert sind. Die demografische Alterung hat aber auch Einfluss auf den Immobilienbereich (altersgerechtes Wohnen) sowie auf viele Angebote im Bereich von Freizeit, Sport, Bildung, Haushaltstechnologie oder Tourismus, wo ältere Personen zu einer immer bedeutenderen Nachfragegruppe werden. Immer mehr Unternehmen sind aufgrund der demografischen Alterung der Gesellschaft mit einer ‚alternden Kundschaft’ konfrontiert. Es sind vielfach Kunden und Kundinnen, die zwar nicht als ‚Senioren’ angesprochen werden wollen, die jedoch trotzdem auf einen schlechten Generationenmix von Beratung und Betreuung negativ reagieren können. Personal- und Kundenstruktur können wechselseitig verhängt sein, beispielsweise wenn eine demografisch alternde Kundschaft eine Aufwertung älterer Berater und Beraterinnen verlangt oder junge Kundinnen lieber durch junge Mitarbeitende betreut werden.
Drittens ergibt sich ein Wandel von Arbeits- und Produktionsverfahren, Produkten und/oder Dienstleistungen. Dies gilt vor allem für Innovationsunternehmen, wo permanent neue Produktionsverfahren eingesetzt werden bzw. neue Produkte und Dienstleistungen verkauft werden. In den letzten Jahrzehnten ist in vielen Firmen die Innovationsorientierung angestiegen und zwar sowohl aufgrund eines beschleunigten technologischen Wandels und kürzerer Produktezyklen als auch aufgrund neuer Kapitalisierungs- und Finanzierungsmodelle. Die Berufserfahrung älterer Mitarbeitender büsst in dynamischen Gesellschaften entsprechend an Wert ein und der technische Wandel erfordert auch von älteren Fachpersonen eine ständige Neuorientierung. Bei Traditionsunternehmen sind umgekehrt junge Arbeitskräfte in alte handwerkliche Traditionen einzuführen.
Der Wandel von Produkten und Dienstleistungen wird teilweise mit der Generationenstruktur von Belegschaft und Kundschaft abgestimmt; etwa dadurch, dass technisch neue Produkte in einer ersten Phase von jungen Mitarbeitenden für junge Menschen produziert werden oder dass sich ältere Mitarbeitende vor ihrer Pensionierung primär um auslaufende Produktelinien kümmern. Intergenerationelle Spannungen können sich jedoch ergeben, wenn langjährige ältere Mitarbeitende Mühe mit neuen Produktions- und Organisationsformen aufweisen. Umgekehrt können aber auch veraltete Organisationsformen bei jungen Fachpersonen auf wenig Verständnis stossen. In nicht wenigen Unternehmen stammen Büro- und Geschäftsarchitektur aus früheren Jahrzehnten und sie entsprechen immer weniger den Arbeitsbedürfnissen junger Fachpersonen. Ein permanentes intergenerationelles Spannungs-feld ergibt sich heute auch daraus, dass junge Fachpersonen primär fachlich-professionell ausgebildet sind, aber in der Praxis oft mit administrativ-bürokratischen Strukturen konfrontiert werden, die Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden.
In einigen Unternehmen bzw. Abteilungen ergeben sich somit Probleme, dass technisch-organisatorischer Wandlungen schneller ablaufen als der Generationenwandel der Belegschaft selbst. In anderen Unternehmen bzw. Arbeitsbereichen kann dass umgekehrte Problem einer strukturellen Verzögerung organisatorischer und architektonischer Produktionsstrukturen gegenüber einem Wandel der Arbeitsbedürfnisse junger Fachpersonen auftreten.
Während Generationenbeziehungen zwischen jüngeren und älteren Familienmitgliedern durch das gleichzeitige Auftreten von Alters- und Rollendifferenzen (Kind-Eltern-Grosseltern) charakterisiert sind, sind beim Verhältnis jüngerer und älterer Erwerbspersonen in modernen Unternehmen zwei unterschiedliche Altersdimensionen von Bedeutung):
Einerseits geht es um die Dimension ‘jung versus alt’, wodurch Unterschiede von Lebensalter und Generationenzugehörigkeit angesprochen werden. Andererseits schwingt immer die Dimension ‘neu versus alt/langjährig’ mit, wobei ‘alt’ in diesem Fall mit Merkmalen, wie lange Betriebszugehörigkeit, ausgedehnte Berufs- und Betriebserfahrung, aber auch mit Aspekten wie ‚veraltet’ und ‚altmodisch’ in Verbindung gebracht werden kann. Als ‚neu’ gelten neu eintretende – oft jüngere – Mitarbeitende, von denen frischer Wind, neue Ideen und neuer Elan erwartet wird.
Beide Unterscheidungen – «neu – alt» einerseits und «jung – alt» andererseits - erzeugen innerbetriebliche Differenzen, an denen sich Arbeitsorganisationen in der einen oder anderen Weise abarbeiten müssen: «Die Unterscheidung von Neu und Alt identifiziert Innovationen und mit ihnen auch Traditionen. Die Unterscheidung von Jung und Alt differenziert nach Generationen, ihren Erfahrungsformen und ihren Verhältnissen zueinander. Obwohl oder gerade, weil beide Unterscheidungen in einer ihrer Seiten - in der Seite ‘alt’ - identisch erscheinen, können sie nicht zusammenfallen; selbst wenn leichtfertige Reden die Symbiose von Innovation und Jugend einerseits, von Tradition und Alter andererseits suggerieren.» (Brosziewski 2001: 69)
Die beiden betrieblichen Altersdimensionen sind häufig miteinander verknüpft, beispielsweise wenn neu eintretende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jünger sind als langjährige Betriebsangehörige. In modernen Unternehmen kommt es allerdings vermehrt zum Auseinanderfallen beider Altersdimensionen. Dies ist der Fall, wenn ältere Arbeitnehmer aufgrund eines Berufs- oder Betriebswechsel neu in einen Betrieb eintreten und im Vergleich zu jüngeren Mitarbeitenden eine geringere Betriebserfahrung vorzuweisen haben. In Innovationsunternehmen können zudem junge neu ausgebildete Fachpersonen mehr Wissen und Erfahrung über neue digitale Arbeitstechniken aufweisen als langjährige Mitarbeitende. Eine Dissoziation beider Altersdimensionen ergibt sich auch, wenn neu eingesetzte Vor-gesetzte jünger sind als altgediente Untergebene und damit traditionelle Senioritätsprinzipien durchbrochen werden.
Erwartungsgemäss steigt die durchschnittliche Dauer der Beschäftigung im gleichen Betrieb mit dem Alter an. Die grosse Mehrheit der 50-jährigen und älteren Erwerbstätigen ist schon seit 5 Jahren und länger im aktuellen Betrieb beschäftigt. Dennoch haben 6% innerhalb der letzten 12 Monate den Betrieb gewechselt und weitere 8% sind weniger als 3 Jahre im gleichen Betrieb tätig. Insgesamt wechselt gut ein Fünftel der 55-64-jährigen Erwerbstätigen innerhalb von 5 Jahren den Betrieb; eine nicht unbeträchtliche berufliche Mobilität auch in späteren Erwerbsjahren.
Im Vergleich 1992-2020 zeigt sich allerdings nur ein schwacher Trend zu einer erhöhten beruflichen Mobilität in späteren Erwerbsjahren. Je länger jemand eine Stelle besetzt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines Wechsels. Bei Personen, die seit einem oder zwei Jahren im Betrieb arbeiten, beläuft sich die Nettorotationsquote auf rund 19%. Bei Personen mit einem Dienstalter von sieben bis acht Jahren beträgt die Nettorotationsquote nur noch 11%. Zu den wichtigsten Gründen für einen Stellenwechsel gehörten 2019 unbefriedigende Arbeitsbedingungen, der Wunsch nach Veränderung, Entlassung sowie das Ende eines befristeten Arbeitsvertrags sowie persönliche oder familiale Gründe.
In vielen Fällen werden Generationenbeziehungen in modernen Betrieben und Unternehmen weniger durch chronologische Differenzen zwischen jüngeren und älteren Erwerbstätigen bestimmt als vielmehr durch das Verhältnis zwischen «neu/innovativ versus alt/traditionell»: Ältere Mitarbeitende können geschätzt sein, nicht weil sie älter sind, sondern weil sie als langjährige Berufsfachleute wertvolles soziales und berufliches Erfahrungswissen und Sozialnetze aufweisen. Umgekehrt können ältere Mitarbeitende eine soziale Abwertung erfahren, nicht weil sie älter als 50 Jahre sind, sondern weil ihr Verhalten und Gehabe als altmodisch eingeschätzt werden oder weil ihr Fachwissen als veraltet gilt. Langjähriges Verharren in bestimmten Arbeitsfunktionen und Arbeitsroutinen (und nicht das Alter einer Person an sich) kann zum Problem werden, weil damit berufliche oder fachliche Immobilität entsteht oder weil einseitige Arbeitsbelastungen langfristig zu vorzeitigen körperlichen Verschleisserscheinungen beitragen. Auch Konflikte zwischen jungen und älteren Mit-arbeitenden entstehen häufig nicht primär aufgrund der (chronologischen) Altersdifferenz, sondern aufgrund der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Eintritts- und Ausbildungskohorten (neu eintretende versus langjährige Mitarbeitende mit je unterschiedlichen Ausbildungshintergründen).
Eine bedeutende Generationendifferenz ergibt sich heute namentlich durch unterschiedliche Ausbildungshintergründe verschiedener Geburtsjahrgänge von Erwerbstätigen. So ist der Anteil der Arbeitskräfte mit tertiärem Bildungsabschluss bei jüngeren Erwerbspersonen deutlich höher als bei älteren Erwerbstätigen und Unterschiede der schulisch-beruflichen Ausbildung sind mit relevanten Unterschieden der Werthaltungen zu Organisationsformen, Karrierevorstellungen oder Arbeitswerten assoziiert.
In einigen Unternehmen können bildungsbezogene Generationendifferenzen zudem durch intergenerationelle Statuskonkurrenz verstärkt werden, da neu eintretende jüngere Mit-arbeitende oft nur aufsteigen können, wenn langjährige ältere Personen ausscheiden. Junge Mitarbeitende können intergenerationelle Differenzen gegenüber langjährigen Mitarbeitern durch eine gezielte Identifikation mit neuen Führungs- und Managementstilen oder Technologien hervorheben und die Betonung von Innovation ist eine klassische Strategie nachkommender Generationen, bisher herrschende Machtträger in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zu unterminieren.
Moderne Gesellschaften und moderne Arbeitsorganisationen haben im übrigen bei beiden angesprochenen Altersdimensionen bedeutsame Umwertungen erlebt:
Die Differenz von «jung versus alt» widerspiegelt Unterschiede der Lebens- oder Berufserfahrung, wobei traditionellerweise Erfahrung dem Alter zugeordnet wurde. In dynamischen und innovativen Gesellschaften verliert sich diese Wertung, teilweise weil junge Menschen längere Erfahrungen mit neuen Technologien oder neuen Sprach- und Kulturformen aufweisen. Damit verlieren ältere Menschen an Erfahrungsvorsprung und gleichzeitig geraten sie in Gefahr, dass traditionelle Formen der beruflichen Erfahrung als irrelevant betrachtet werden. Erfahrung bleibt zwar eine wichtige Ressource, aber nur wenn sie eine Umstrukturierung erfährt. Nach Achim Brosziewski (2001: 72) ist Erfahrung in einer dynamischen Gesellschaft neu zu definieren und zwar «als die Fähigkeit, Inaktuelles zu aktualisieren, einen Vergleich anzulegen, der sich nicht aus dem aktuellen Geschehen selbst ergibt, der eine überraschende Ordnungsmöglichkeit aufzeigt. Umgekehrt kann durch einen überraschenden Vergleich auch Ungewöhnliches auf Gewöhnliches, Unbekanntes auf Bekanntes, Chaotisches auf Normalität zurückgeführt werden.» (Brosziewski 2001: 72). So zeigt sich beispielsweise, dass neue Technologien oder neue Organisationsprinzipien teilweise nur durch Bezug auf bisherige Erfahrungshorizonte erfolgreich eingeführt und durchgesetzt werden können. Neues und Innovatives muss in irgendeiner Form - sei es auch in Form der expliziten Absetzung - an bisherigen Strukturen anknüpfen, damit es gesellschaftliche Akzeptanz findet; ein zentraler Grund, weshalb Strukturrevolutionen oftmals wertkonservative Elemente beinhalten.
Auch die Differenz von «neu versus alt» hat geschichtlich eine bemerkenswerte Umwertung erfahren. Eines «der gesellschaftlich auffälligsten Phänomene ist zweifellos die Hochschätzung von Neuheit, die Begeisterung für und die Feier von Innovationen. Daran beteiligen sich Jung und Alt, wenn auch mit unterschiedlichen Verteilungen von Begeisterung und Würdigung.» (Brosziewski 2001: 70) Während in traditionellen Gesellschaften soziale oder technische Innovationen legitimiert werden mussten, steht heute ein Desinteresse an Innovation unter gesellschaftlichem Rechtfertigungsdruck. Diesem Druck, ständig innovativ zu verbleiben, können sich auch ältere bzw. langjährige Arbeitskräfte immer weniger entziehen. Ältere Arbeitskräfte, die soziale und technologische Innovationen nicht aktiv bewältigen, werden sozial und beruflich rasch marginalisiert.
Die angeführten Umwertungen der beiden Altersdimensionen weisen für die Gestaltung der Generationenverhältnisse in Unternehmen bedeutsame Konsequenzen auf:
Erstens liegt der Wert von Lebens- und Berufserfahrung langjähriger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer weniger in konkreten Wissensbeständen und Handlungsformen als darin, durch Erfahrung Neues und Altes, Kurz- und Langfristiges, Mögliches und Unmögliches usw. ins Gleichgewicht zu bringen. So ist beispielsweise eine ältere Führungskraft für eine Unternehmung in einer Krisensituation gerade deshalb wichtig, weil diese Person schon frühere Krisensituationen erlebt hat und Strategien kennt, Krisen erfolgreich zu bewältigen. Eine ältere Verkäuferin kann Kundinnen deshalb für eine neue Produkte gewinnen, weil sie das Neue mit dem Alten verbinden kann, denn Innovation ist oft Anlass, über Altes zu reden.
Zweitens verlagern sich die beruflichen und betrieblichen Integrationsprobleme in einer dynamischen Arbeitsgesellschaft stärker auf die Beibehaltung von Innovationsfähigkeit langjähriger bzw. älterer Arbeitskräfte; eine Herausforderung, die durch die demografische Alterung auf dem Arbeitsmarkt zusätzlich verstärkt wird. «Alt und innovativ» wird immer mehr zur zentralen Handlungsmaxime, wobei in modernen Berufen und Unternehmen oft nur noch aktualisiertes und verarbeitetes Erfahrungswissen bedeutsam ist. Die Tatsache, dass Unternehmen immer seltener ‚Senioritätsregel’ verwenden, verstärkt diese Entwicklung zusätzlich. Eine faktoranalytische Analyse der von Personalverantwortlichen in schweizerischen Unternehmen für eine Weiterbeschäftigung älterer Menschen (50+) notwendigen Eigenschaften liess zwei angeforderte Leistungsdimensionen erkennen: Eine erste Leistungsdimension bezog sich auf Aspekte, die mit langer Betriebszugehörigkeit entstehen, wie betriebliche Loyalität und starke Kundenbeziehungen. Angesprochen wurden auch klassische soziale Arbeitswerte, wie Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein älterer Mitarbeitender. Es geht um soziale Kompetenzen, die im Allgemeinen positiv mit Lebenserfahrung verbunden sind. Eine zweite Leistungsdimension bezog sich auf die von heutigen Mitarbeitern geforderte Flexibilität und Innovationsbereitschaft. Damit verknüpft sind auch eine Bereitschaft zum Wechsel des Arbeitsbereichs und die Fähigkeit, auch mit wesentlich jüngeren Menschen zusammen zu arbeiten.
Der Umgang mit Alters- bzw. Generationendifferenzen im Betrieb – ebenso wie Fragen eines ausgewogenen Generationenmix – sind Teil dessen, was personalpolitisch als ‚diversity management’ bezeichnet wird. Jede Unternehmung wird mit Fragen des Generationenaustausches konfrontiert. Bei grösseren Unternehmen ist dies ein kontinuierlicher Prozess, da immer wieder Mitarbeitende aus dem Betrieb ausscheiden und neue Personen rekrutiert werden. In kleinen Betrieben verläuft der Generationenwechsel teilweise diskontinuierlich, etwa wenn ein jahrzehntelang tätiger Gewerbetreibender seinen Betrieb an einen jüngeren Nachfolger übergibt. Bei Unternehmen stehen personalpolitisch immer drei Themen im Zentrum: a) Rekrutierung und Sozialisierung neuer Mitarbeitender, b) Bindung und Förderung bestehender Mitarbeitender, und c) Ausscheiden von Mitarbeitenden.
Die Rekrutierung neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen konfrontiert Unternehmen mit generationenspezifischem Wertewandel, beispielsweise, weil neu rekrutierte jüngere Mitarbeitende in ihrer gerade abgeschlossenen fachlich-beruflichen Ausbildung neue Organisations- und Managementkonzepte, neue fachliche Paradigmen oder neue Arbeitsformen internalisiert haben. Der Umgang mit neuen digitalen Kommunikationsformen ist jüngeren Mitarbeitenden selbstverständlicher als älteren Mitarbeitenden, aber auch berufliche Ansprüche können sich je nach Ausbildungsgeneration ändern, etwa bezüglich Ansprüchen nach flexiblen Arbeitsformen oder nach Karrierestrukturen, die eine gute Vereinbarkeit von Familie-, Freizeit- und Berufsleben garantieren.
Ein ständiges personalpolitisches Thema bei der betrieblichen Sozialisierung junger Fachpersonen ist die vermutete oder tatsächlich fehlende Übereinstimmung der Qualifikationsanforderungen von Ausbildungseinrichtungen mit unternehmerischen Qualifikationsanforderungen. Namentlich die Ausdehnung akademisch-schulischer Ausbildungen verstärkt die Gefahr, dass formelle Ausbildung und betriebliche Qualifikationsanforderungen divergieren. Entsprechend versuchen viele Betriebe die Praxisferne von Hochschulabsolventen durch gezielte integrative Massnahmen (Praktika, Einführungskurse, Praxismentoring) zu kompensieren. Junge und/oder neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen in jedem Fall betrieblich integriert werden. Dies beinhaltet die Einarbeitung in berufsbezogene Aufgaben, betriebliche Ablaufstrukturen sowie die Einbindung in die informelle Unternehmenskultur. Die Integration verläuft erfolgreich, wenn neue Mitarbeitende am Ende dieses Prozesses die mit ihrer Stelle verbundenen Aufgaben kennen, wenn Wissens- und Fähigkeitsdefizite ausgeglichen sowie eine hohe Bindung an das Unternehmen entwickelt wurde und die Unternehmungskultur vertraut ist. Dieser Prozess ist inhärent ein intergenerationeller Prozess, da die betriebliche Integration von Berufsanfängern und neuer Arbeitskräfte durch etablierte Mitarbeitende und Vorgesetzte geleistet und begleitet werden muss. In einigen Fällen verläuft die Integrationsbegleitung allerdings nicht von alt zu jung, sondern von jung zu alt, etwa wenn ältere Frauen (Wiedereinsteigerinnen) rekrutiert werden, die von jüngeren, aber länger arbeitenden Mitarbeitenden eingeführt werden.
Das Modell des Mentoring ist eine klassische Form einer strukturierten Gestaltung der Generationenbeziehungen, das auf einem zentralen Grundprinzip beruht: Es geht explizit um die berufliche und fachliche Förderung junger Menschen durch eine angesehene ältere Fachperson. Zentral ist bei Mentoren-Systemen das Prinzip, dass sich die (älteren) Mentoren und Mentorinnen sozusagen uneigennützig für die Interessen der jungen Generation einsetzen. Sie haben – weil sie ihre beruflichen und fachlichen Karriereziele schon erreicht haben – keine eigenen Karriereinteressen und entsprechend stehen Mentoren karrieremässig von vornherein nicht in Konkurrenz mit der jüngeren Generation. Die Mentoren haben gleichzeitig – weil schon erfolgreich – ein hohes Ansehen, das sie etwa zur Förderung sozialer Kontakte einsetzen können.
Erfolgreiche Mentoren-Systeme mit älteren Kader- und Fachleuten sind allerdings an spezifische Bedingungen geknüpft:
Erstens funktionieren Mentoren-Systeme nur, wenn die älteren Fachleute kompetent bleiben und sie sich mit neueren Organisations- und Kommunikationstechniken auskennen. Ein langfristig angelegtes Mentoren-System impliziert eine Weiterbildung der Mentoren selbst.
Zweitens sind erfolgreiche Mentoren zumeist Personen, welche die Generationendifferenzen dadurch überbrücken, dass sie junge Leute nicht nur unterstützen, sondern von ihnen auch lernen (und die generell neugierig auf Neues sind).
Drittens dürfen sich Mentoren und Mentorinnen nicht aufdrängen, sondern nur soweit beraten und intervenieren als dies von den jüngeren Menschen gewünscht wird. Mentoren-Systeme basieren auf einer zurückhaltenden, aber persönlich geprägten Beziehung; eine Beziehung, die allerdings die Generationendifferenzen von Erfahrungen und Wissen voll akzeptiert. Mentoring lebt aus der Generationendifferenz.
Viertens wird die Zusammenarbeit zwischen jungen und älteren Menschen erleichtert, wenn die gemeinsam erarbeiteten Ziele zu Beginn klar festgelegt werden. Sinnvoll kann es auch sein, das Mentoring zeitlich zu befristen, mit der Möglichkeit einer Verlängerung.
Die Bindung, Förderung sowie die innerbetriebliche Qualifizierung bestehender Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gehören zu den klassischen Kernaufgaben jeder Personalpolitik. Dabei stellen sich je nach Unternehmensstrategie unterschiedliche personalpolitische Grundfragen: Inwiefern sollen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen langfristig betrieblich gebunden und integriert werden oder ist umgekehrt eine regelmässige Personal- oder Jobrotation sinnvoll? In welcher Weise soll Betriebstreue honoriert werden oder wird umgekehrt eine allzu lange Tätigkeit am gleichen Arbeitsort negativ beurteilt? Die Tendenzen der letzten Jahrzehnte verliefen in Richtung einer erhöhten Gewichtung beruflicher Flexibilität und Wechsel von Arbeitsbereichen. Eine starke betriebliche Integration kann die Loyalität älterer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhöhen und die Transaktionskosten hoher Personalrotation reduzieren. Auf der anderen Seite kann eine zu geringe Rotation von Arbeitskräften zu organisatorischer Erstarrung beitragen. Wie schon Karl Mannheim anmerkte, ist für das Weiterleben einer Organisation ‘Vergessen und neu einsetzende Tat’ genau so nötig wie Erinnern.
Auch bezüglich Karrieren können unterschiedliche Strategien gewählt werden: Beförderungen können nach Leistungskriterien vollzogen werden oder durch Senioritätsprinzipien bestimmt sein. Eine aktuelle Thematik ist die Frage nach formellen oder informellen Altersgrenzen bei der Karriereförderung. Je tiefer die Altersgrenzen für die Beförderung zu Kaderpositionen gelegt werden, desto ausgeprägter ist die Konkurrenz junger Betriebsangehöriger untereinander, da sich das Karrierefenster in einer engen Zeitspanne bewegt. Dadurch kann viel Unruhe in einer Unternehmung entstehen, vor allem in Zeiten schrumpfender Belegschaft. Eine Verjüngung von Leitungsfunktionen kann zu Generationenumkehrungen der hierarchischen Verhältnisse beitragen, wenn Vorgesetzte jünger sind als ihre Untergebenen. Dies kann unter ungünstigen Umständen zu informellen Resistenzen oder innerer Kündigung langjähriger Mitarbeitender führen. Bindung, Förderung, Mobilität und Rotation von Mitarbeitenden stehen immer im angeführten Spannungsfeld beider betrieblichen Altersdimensionen «jung – alt» und «neu – alt».
Bei der personalpolitischen Beurteilung langjähriger und älterer Mitarbeitender wird deshalb vermehrt auf eine gute intergenerationelle Zusammenarbeit geachtet. Dabei wird im Allgemeinen älteren Personen eine ausgleichende Wirkung im Team zugeordnet (wobei eine ausgleichende Wirkung älterer bzw. langjähriger Mitarbeitender auch dadurch entstehen kann, dass primär ausgleichende und sozial kompetente Frauen und Männer weiterhin im Betrieb verbleiben).
Es sind zwar weiterhin die Jungen, die sich betrieblich integrieren und anpassen müssen, aber in heutigen Unternehmen werden auch von älteren bzw. langjährigen Mitarbeitenden intergenerationelle Anpassungsleistungen verlangt (wie gute Zusammenarbeit mit Jüngeren sowie Akzeptanz von Altersumkehrungen in der Hierarchie). Namentlich in hochdynamischen Unternehmen und Berufszweigen erhalten – neben einer ständigen beruflichen Weiterbildung – vermehrt Formen des ‚reverse mentoring‘ an Bedeutung. Dabei geht es um ein intergenerationelles Arrangement bei dem jüngere Fachpersonen ältere Mitarbeitende über neue technische, kulturelle oder organisatorische Veränderungen informieren und anlernen. Ein Mentoring von Jung zu Alt funktioniert am besten, wenn teilnehmende Personen sorgfältig ausgewählt werden und die Zielsetzungen klar formuliert sind.
Unternehmungen sind regelmässig mit dem Ausscheiden von Mitarbeitenden konfrontiert. Häufig ist einerseits ein Wegzug oder eine Kündigung neuer oder relativ junger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen; sei es, weil schon nach kurzer Betriebsdauer Leistungsprobleme deutlich werden; sei es, weil andere Betriebe bessere Löhne oder Karrieremöglichkeiten anbieten. Auch familiale Faktoren (Geburt eines Kindes) können bei jungen Erwachsenen - und namentlich bei Frauen - zu einer hohen Personalrotation beitragen. Andererseits gehört es zum normalen Alltag grösserer Unternehmen, dass ältere, langjährige Mitarbeitende altersbedingt austreten. In den letzten Jahrzehnten wurden Frühpensionierungen teilweise gezielt als Strategie zur Verjüngung der Belegschaft eingesetzt. Die gewählten Pensionierungspolitiken beeinflussen auch die nächst jüngere Altersgruppen, da sich je nach gewählter Austrittspolitik die Perspektiven der erst in einigen Jahren ins Pensionsalter geratenden Personen verändern: Je früher informelle oder formelle Pensionierungsgrenzen gesetzt werden, desto früher werden Mitarbeitende als «ältere Arbeitskräfte» eingestuft.
Idealerweise wird ein kontinuierlicher Generationenwechsel durch geregeltes Ausscheiden älterer Mitarbeitender und begleitete Neurekrutierung neuer (jüngerer) Fachpersonen angestrebt. Eine Kontinuität der Statusbewegungen und «die Erwartung der jeweiligen Zugangsgruppen sukzessive in Entscheidungs- und höhere formelle oder informelle Statuspositionen hineinzuwachsen, wirken entlastend auf die Aushandlungen zwischen Generationen unterschiedlicher Zugehörigkeitsdauer.» (Struck 2004: 63) Ein kontinuierlicher Generationenwechsel begünstigt einen ständigen Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen den Generationen. Faktisch sind allerdings – speziell bei Kleinbetrieben, Familienunternehmen oder bei Führungspositionen – diskontinuierliche Formen des Generationenwechsels nicht selten. Kritische Phasen des Generationenwechsels erfahren speziell Unternehmen, die lange von der gleichen Person (Gründer, langjähriges Führungsmitglied) geleitet wurden. In solchen Fällen besteht die Gefahr einer zu späten und damit chaotischen Nachfolgeentscheidung. In anderen Situationen wird ein abrupter Generationenwechsel der Führung gezielt eingesetzt, um auf der Basis einer nach aussen sichtbaren Diskontinuität der Führung die Dringlichkeit von Innovationen oder Reformen zu demonstrieren; eine Strategie, die speziell in Umbruchphasen oder zur Bewältigung von Krisen eingesetzt wird.
Das Bewusstsein, dass eine gute Durchmischung von jüngeren und älteren Mitarbeitenden in einer demografisch alternden Gesellschaft (mit mehr älteren Arbeitskräften und Kunden bzw. Kundinnen) bedeutsamer wird, hat sich verstärkt. Einseitige und unausgewogene Alters- und Generationenstrukturen – im Sinne einer fehlenden intergenerativen Durchmischung der Belegschaft – können eine Reihe unternehmens- und personalpolitischer Probleme auslösen, vor allem längerfristig. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang namentlich folgende Ungleichgewichte:
Auch wenn das Qualifikations- und Leistungspotenzial älterer Mitarbeitender keineswegs geringer ist als das jüngerer Arbeitskräfte, kann ein überdurchschnittlich hoher Anteil langjähriger und/oder älterer Mitarbeitender dennoch einige Probleme aufwerfen. So sind unter heutigen sozialstaatlichen Regelungen die Lohnnebenkosten bei älterer Belegschaft höher als bei verjüngter Belegschaft und indirekte personalpolitische Kosten können durch Formen einer Besitzstandswahrung gegenüber Lohnkürzungen entstehen. In Branchen, die mit raschen technischen oder wirtschaftlichen Wandlungen konfrontiert sind, erhöht ein hoher Anteil langjähriger, älterer Mitarbeiter die Notwendigkeit den Qualifikationsbestand der bestehenden Mitarbeitenden gezielt zu erneuern, etwa durch eine permanente betriebsinterne Weiterbildung des Personals. Im Extremfall können Betriebe mit vielen älteren Mitarbeitern – und vor allem vielen älteren Führungspersonen - neue Trends und Entwicklungen verschlafen und in einigen Fällen kann die Zukunft eines demografisch alternden Dienstleistungsbetriebes auch durch den Gleichschritt des Alterns von Mitarbeitern und Kunden gefährdet sein. Langjährige Mitarbeitende in einem Hotel können zwar besser auf die Bedürfnisse der Stammkundschaft eingehen als jüngere Mitarbeitende, aber gerade die Loyalität alternder Kunden und Kundinnen kann die Erneuerung des Kundenkreises in Frage stellen. Oder mit steigendem Alter eines Arztes steigt oft das Alter der Patienten einer Arztpraxis und eine stark geriatrisch orientierte Arztpraxis kann für einen Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin an Wert verlieren, usw.
Ein hoher Anteil an neuen Mitarbeitenden ist nicht selten das Resultat einer raschen Expansion und damit ist eine junge Belegschaft indirekt ein Indikator für eine ausgeprägte Dynamik eines Unternehmens. Probleme können entstehen, wenn Jugendlichkeit und Dynamik als Unternehmenskultur so stark verankert und verinnerlicht werden, dass eine Unternehmung in Schwierigkeiten gerät, wenn die erste Expansionsphase einer Konsolidierungsphase Platz macht. Firmen, die in der ersten Phase einer technologischen Revolution - durch Rekrutierung junger Mitarbeitender - rasch expandieren, können Mühe haben, Phasen geringeren Wachstums zu bewältigen. Ein hoher Anteil an neuen Mitarbeitern kann aber auch das Resultat einer extrem hohen Personalrotation aufgrund schlechter Arbeitsverhältnisse oder tiefer Löhne sein. Das ständige Neueinarbeiten junger Arbeitskräfte - die den Arbeitsplatz rasch wieder verlassen - bringt zusätzliche Kosten (etwa durch eine geringe Kundenbindung) und eine hohe Personalrotation qualifizierter junger Mitarbeitender ist nicht selten ein Hinweis auf das Fehlen betriebsinterner Karrieremöglichkeiten.
In verschiedenen Dienstleistungsberufen kann eine rasche Verjüngung der Belegschaft zwar die Anbindung an neue Modetrends beschleunigen, aber dafür ältere und langjährige Kunden und Kundinnen vergraulen. Bei raschem modisch oder technisch bedingtem Produktewandel und undurchsichtigen Angeboten greifen ältere Menschen häufiger als jüngere Menschen auf altbewährte Marken und Produkteangebote zurück. Undurchschaubare Preispolitik oder fehlendes Vertrauen in die Kompetenz (neuer) Anbieter wirken sich im Seniorenmarkt besonders negativ aus.
Da das (chronologische) Alter allerdings vielfach kein aussagekräftiger Einflussfaktor darstellt, ist der Anteil älterer oder jüngerer Mitarbeitender personalpolitisch allerdings oftmals weniger entscheidend als die zwei nachfolgend angeführten Ungleichgewichte (ausgeprägte Generationendifferenzen, Kohortendominanz):
Starke Altersunterschiede bewirken soziale Unähnlichkeiten, die sich in Sprach- und Wertunterschieden ausdrücken können. Vor allem mit Statusdifferenzen kombinierte Altersdifferenzen können zu einer reduzierten oder blockierten Kommunikation zwischen Generationen beitragen, beispielsweise wenn neben einem kleinen Kern an langjährigen älteren Kadermitarbeitern eine grosse Gruppe junger Untergebener besteht, die es nicht wagen, älteren Führungskräften zu widersprechen. Ausgeprägte Alters- und Generationendifferenzen können speziell die informelle Weitergabe von Informationen, Kenntnissen und Erfahrungen verringern (namentlich, wenn sich während und nach der Arbeit getrennte Gruppen von Gleichaltrigen treffen). Altersdifferenzen ebenso wie Geschlechtsunterschiede spielen vor allem eine bedeutsame Rolle, wenn sie mit einer hohen Wertediversität einhergehen. Teilweise werden wertbezogene Generationendifferenzen – von Ausbildung und Werten - von jungen Mitarbeitern bewusst oder unbewusst hervorgehoben, um sich betrieblich gegenüber bisherigen Mitarbeitern durchzusetzen. Während ältere Personen traditionellerweise ihre ‚Erfahrungen’ betonen, können junge Personen umgekehrt durch die Betonung von Generationen- und Altersdifferenzen zur Abwertung älterer Personen beitragen (die als nicht mehr ‚à-jour’ klassiert werden). Auch die Einstellung zu Innovationen können unausgesprochenen Generationendifferenzen unterliegen: Junge Fachpersonen beurteilen Innovationen auf der Basis ihrer gerade erlernten beruflichen Ausbildung und sie tendieren dazu theoretisch gelerntes Fachwissen direkt in die berufliche Praxis umzusetzen. Ältere bzw. langjährige Fachpersonen beurteilen Innovationen implizit oder explizit immer auf der Basis früher erlebter positiver oder negativer Innovationserfahrungen. Wer schon drei misslungene Reorganisationsmassnahmen erlebt hat, wird einer vierten Reorganisation skeptisch gegenüberstehen.
Ein eher neues Phänomen in Arbeitsteams ist umgekehrt die Tatsache, dass ein Teil der älteren Mitarbeitenden die Bedeutung von Generationen- und Altersunterschieden durch ein gezielt verjüngtes Auftreten negieren (oder zu negieren versuchen). Eine solche intergenerationelle ‚Anbiederung’ kann von der jüngsten Generation negativ wahrgenommen werden, wodurch gerade die Nicht-Beachtung von Alters- und Generationendifferenzen zu informellen Generationenmissverständnissen beitragen kann.
Dominanz einer spezifischen Alters- bzw. Dienstalterskohorte: Eine Abteilung oder eine Unternehmung, die zu stark von einer altersmässig homogenen Gruppe dominiert wird, erfährt besonders häufig einen Innovationsstau. Kohortendominanz kann eine Anpassung an Umweltveränderungen oder neue Arbeitseinstellungen gefährden, speziell wenn es zur Ausbildung einer starken Kohortenkultur (als Kultur von Gleichaltrigen aus dem gleichen sozialen Milieu) kommt. Kohortendominanzen können zudem «einen kontinuierlichen Austauschprozess verhindern und Beharrungen und Laufbahnstaus auslösen.» (Struck 2004: 66) Wenn Entscheide beispielsweise nur von 50-jährigen Mitarbeitern - mit ähnlichen Generationenprägungen - getroffen werden, ist die Gefahr beträchtlich, dass die generationelle Homogenität dazu führt, dass Kontakte zu anderen Generationen - und damit zu gesellschaftlichen Veränderungen - verloren gehen. Ein langjährig gut funktionierendes Team von Gleichaltrigen kann Mühe haben, neue Teammitglieder jenseits ihrer etablierten Bezugsgruppe aufzunehmen. Diese Gefahr wird durch eine gemeinsame Bildungs- und Sozialherkunft von Gleichaltrigen verstärk.
Umgekehrt kann eine überstarke Vertretung von jüngeren Gleichaltrigen im Betrieb zu Karrierestaus und zu verstärkten internen Machtkämpfen beitragen. Eine grosse Gruppe beispielsweise von 30-jährigen Mitarbeitern, die um wenige Aufstiegsposten kämpfen, kann unter ungünstigen Umständen zu ausgeprägten betriebsinternen Intrigen und anschliessend zu einem verbreiteten Motivationsrückgang beitragen. Längerfristig kann – wenn entsprechende Kohorten altern - ein kohortenbedingter Beförderungsstau umgekehrt in einen Beförderungs-sog umschlagen: «Wenn nämlich die grosse Alterskohorte gemeinsam aus dem Unternehmen ausscheidet, z.B. bei Erreichen der Altersgrenze, dann liefern die nachfolgenden Altersgruppen oft nicht genügend ‘Nachschub’ und die Qualifikationssicherung wird gefährdet.» (Nienhüser 2000: 65)
In vielen betriebswirtschaftlichen und personalpolitischen Diskussionen sind Fragen eines ausgewogenen innerbetrieblichen Generationenmix bisher marginal geblieben, was auch damit zu tun hat, dass die Alters- und Dienstaltersstruktur eines Betriebs – mit Ausnahme der obersten Führungsfunktionen - häufig nur schwer zu ändern ist. Zudem sind die negativen Folgen eines unausgewogenen Generationenmix häufig unterschwelliger Art. Sie werden nur in extremen Fällen direkt manifest. Angesichts der sich abzeichnenden demografischen Alterung sowohl der Erwerbsbevölkerung als auch der Kundschaft werden Fragen eines optimalen Generationenmix und der innerbetrieblichen Gestaltung von Generationenbeziehungen allerdings bedeutsamer. Vor allem moderne Dienstleistungsunternehmen sind auf diversifizierte Wissensbestände sowie einem Gleichgewicht zwischen Innovation und Erfahrung angewiesen. Ältere Mitarbeiter und Kaderleute können beispielsweise auf ein breites Kontaktnetz zurückgreifen, wogegen junge Mitarbeiterinnen beispielsweise ein unbefangenes Verhältnis zu neuen Technologien oder neuen Modeströmungen aufweisen. Junge Mitarbeitende sind vielleicht unverbrauchter, aber oftmals sind es langjährig tätige Mitarbeiterinnen, die Erfahrungen im Umgang mit kritischen Ereignissen aufweisen; sei es, dass sie innerbetriebliche Konflikte und Auseinandersetzungen aufgrund ihrer Erfahrung besser bewältigen können; sei es, dass sie wissen, wie schwierige Kunden und Kundinnen zu beraten und zu betreuen sind. So ist zu beobachten, dass beispielsweise Spitäler und Pflegeorganisationen, die permanent mit kritischen Lebensereignissen (Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Tod usw.) konfrontiert werden, besonders sensibel auf einen unausgewogenen Generationenmix reagieren.
Insgesamt ist eine ausgeprägte Mehrheit der Personalverantwortlichen der Meinung, dass zwischen den Generationen tatsächlich ein Wissenstransfer stattfindet. Es wird allerdings ersichtlich, dass mehr Unternehmen es als zutreffend erachten, dass ein Wissenstransfer von älteren zu jüngeren Mitarbeitenden stattfindet als von jüngeren zu älteren Mitarbeitenden. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und des technischen Fortschritts ist jedoch ein gelingender Wissenstransfer in beiden Richtungen erforderlich.
Für die Gestaltung von Generationenbeziehungen gelten analoge Regeln wie bei interkulturellen Begegnungen (z.B. Toleranz gegenüber unterschiedlichen sozio-kulturellen Hintergründen und Offenheit mit Personen aus anderen Kulturbereichen zusammen zu arbeiten). Der einzige, allerdings bedeutsame Unterschied liegt darin, dass sich die Zugehörigkeit zu Jung-Alt permanent verändert (jede junge Person wird zwangsläufig älter und jede ältere Person war einmal jung). Ein gutes Generationenmanagement sollte insgesamt keine Strategie sein, um Generationenunterschiede aufzuheben, sondern das Ziel sollte sein, aus den Generationenunterschieden Kraft zu gewinnen. Entsprechende Studien zeigen, dass in Gruppen mit einem guten Teamklima Altersheterogenität zu einer Steigerung von Innovation und zu einer Abnahme des Risikos von ‚Burn-out‘ beiträgt. In Gruppen mit vornherein schlechtem Teamklima verhält sich der Zusammenhang allerdings genau umgekehrt. Ob sich ein Generationenmix innerhalb eines Teams als positiv oder negativ erweist, hängt somit entscheidend vom allgemeinen Teamklima ab.
Generationendiversität ist nur ein Teilaspekt betrieblicher Diversität. Geschlecht, Familienstatus, sozio-kulturelle Herkunft oder Ausbildungshintergrund sind ebenfalls relevante Einflussfaktoren.
Organisationsdemografische Merkmale wie Geschlecht, Alter, Dauer der Gruppenzugehörigkeit oder funktionaler Hintergrund wirken sich auf personalwirtschaftlich relevante Ergebnis- und Prozessvariablen auf. Dabei werden zwei zentrale Effekte einer diversifizierten Belegschaft thematisiert: Zum einen wird aufgrund einer wechselseitigen Ergänzung von unterschiedlichen Wissens- und Wertungshintergründen von Personen ein positiver Effekt von Diversität auf die Leistung von Gruppen und Organisationen postuliert, was sich insbesondere in erhöhter Kreativität, Innovationsfähigkeit und Anpassungsflexibilität ausdrückt. Zum anderen wird ein negativer Effekt auf den Leistungserstellungsprozess postuliert, da Unterschiede zwischen Personen zu einem erhöhten Konfliktniveau und verringerter sozialer Interaktion und mithin zu einer Beeinträchtigung produktiver Gruppenprozesse beiträgt. Somit ergeben sich zwei zentrale Wirkungshypothesen organisationsdemografischer Diversität:
a) Die Diversität organisationsdemografischer Merkmale wirkt positiv auf die Gruppen- und Organisationsleistung (Ressourcenhypothese).
b) Die Diversität organisationsdemografischer Merkmale wirkt negativ auf Gruppenprozesse und damit indirekt auch negativ auf Gruppen- und Organisationsleistungen (Prozesshypothese).
Eine Metaanalyse von 25 Studien (Jans 2006) lässt folgende Hauptresultate erkennen: Erstens zeigt sich insgesamt eine geringe Erklärungskraft organisationsdemografischer Variablen auf Unternehmungsleistung und Gruppenprozesse. Zweitens gibt es mehr empirische Belege für die Bestätigung der Ressourcenhypothese als für deren Widerlegung. Allerdings variieren die Wirkungen je nach organisationsdemografischen Variablen «So zeigt sich insbesondere für die Variablen Funktionaler Hintergrund und (Aus-)Bildung ein recht starker und eindeutiger positiver Zusammenhang, wohingegen andere Variablen wie die Dauer der Gruppen- und Betriebszugehörigkeit und Alter mal positiv und mal negativ wirken.» (Jans 2006: 26). Drittens trifft die These, dass organisationsdemografische Diversität sich negativ auf die Kohäsion von Gruppen auswirkt und deren Konfliktniveau erhöht, in den meisten Fällen zu. Allerdings wirkt sich dies nicht generell auf die Gruppen- und Unternehmungsleistung aus und im Gegensatz zu den Erwartungen der Prozesshypothese, wirkt eine hohe Diversität häufiger und stärker positiv auf die Gruppen- und Unternehmensleistung, als dass sie negative Effekte hat.