«Veränderung ist ein Prozess zwischen Reflexion, Handlung und Beziehung»

De Loopings, 18. août 2025

Seit über sechs Monaten sind wir mit unseren Teilnehmenden im Rahmen des Pilotprojekts «Ressourcen-Sprungbrett für den Quereinstieg» unterwegs. Mit uns auf dieser spannenden Reise sind Angelika Rutsch und Johannes Scheuring. Beide haben einen Lebenslauf, der sich sehen lassen kann – mit soliden Aus- und Weiterbildungen und viel Berufs- und Lebenserfahrung. Trotzdem harzt es bei der Stellensuche. Im Interview erfahren wir mehr über die beiden und ihre Geschichte.

Liebe Angelika, lieber Johannes: Was hat euch motiviert, an diesem Pilotprojekt teilzunehmen?

Angelika: Bereits seit einiger Zeit habe ich gespürt, dass meine bisherigen Strategien nicht mehr greifen und es neue Impulse und Perspektiven braucht, um beruflich weiterzukommen. Trotz Erfahrung, Engagement und dem Wunsch, auch über das klassische Referenzalter hinaus wirksam zu bleiben, blieb mir der Zugang zu passenden Stellen oft verwehrt – meist schon vor dem Erstgespräch. Loopings schien mir der richtige Rahmen zu sein, um mein Profil neu zu schärfen, frischen Wind hereinzulassen und mein Ziel klarer zu verfolgen: eine Portfolio-Karriere, die zu meinem Lebensentwurf passt. Das Projekt bietet mir die Möglichkeit, mich neu auszurichten und mit anderen in einen offenen, unterstützenden Austausch zu kommen – mit Menschen, die ebenfalls an einem Wendepunkt stehen.

Johannes: Nach der Kündigung meines langjährigen Arbeitgebers hat mir ein Freund beim Singing Christmas Tree vom Loopings-Programm erzählt. Ich wurde hellhörig, weil ich zu diesem Zeitpunkt schon wusste, dass ich in der Bildungsbranche bleiben, aber nicht unbedingt in das bisherige berufliche Umfeld zurückkehren wollte. Meine ersten Internet-Recherchen über das Quereinsteiger-Programm waren vielversprechend und beim ersten Austausch mit der Projektleiterin Denise habe ich Feuer gefangen. Ich wollte einer beruflichen Neuausrichtung eine solide Grundlage geben. Die Chancen dafür schienen mir beim «Ressourcen-Sprungbrett für den Quereinstieg» gut und auch der Zeitpunkt und das Bauchgefühl stimmten.

Das Projekt bietet mir die Möglichkeit, mich neu auszurichten und mit anderen in einen offenen, unterstützenden Austausch zu kommen – mit Menschen, die ebenfalls an einem Wendepunkt stehen.

Angelika Rutsch

Was habt ihr bisher beruflich gemacht und wohin geht eure Reise in Zukunft?

Angelika: Ich habe mich in den letzten Jahren an der Schnittstelle von Veränderung und Zusammenarbeit bewegt – als Beraterin, Organisationsentwicklerin und Projektleiterin. Von der Telekommunikation über Spezialbanken bis hin zur öffentlichen Verwaltung begleitete ich viele unterschiedliche Teams und konnte ihre Projekte durch spannende Veränderungsprozesse steuern – oft genau dort, wo Fachbereiche und IT aufeinandertreffen. Dabei fasziniert mich besonders, wie man komplexe Situationen entwirren und Menschen dabei unterstützen kann, ihre Potenziale gemeinsam zu entfalten und zu nutzen.

Mit diesem Erfahrungsschatz im Gepäck sehe ich meine Reise klar vor mir: Ich möchte dazu beitragen, psychologische Sicherheit in Teams gezielt zu stärken, um so die Zusammenarbeit zu verbessern und agile Arbeitsweisen lebendig werden zu lassen. Gleichzeitig träume ich davon, meine Erfahrung mit kreativen Formaten und Impulsen zu verbinden, um Menschen auf Augenhöhe zu begleiten und sie zu inspirieren. Ich möchte nicht nur Veränderungen begleiten, sondern Räume schaffen, in denen Menschen ihr volles Potenzial entfalten können – mit Herz, Offenheit und einem Blick für das, was wirklich zählt.

Johannes: Bereits während des Studiums stieg ich in ein Softwareunternehmen ein, das kaufmännisch-betriebswirtschaftliche Lösungen für KMUs entwickelte. Als Fachtexter kümmerte ich mich neben produktbezogenen Print-Dokumentationen und Online-Hilfen um PR-Aufgaben und übernahm später die Teamleitung Dokumentation. Danach war ich in einer Agentur am Zürichsee als technischer Fachredakteur, Key-Account Betreuer und Marketing Supporter für internationale Soft- und Hardware-Hersteller wie Microsoft und HP tätig. Von dort aus führte mich der Weg in die Bildungsbranche. Für das Verlagshaus einer grossen Schweizer Bildungsgruppe arbeitete ich 22 Jahre als Redaktor, Projektleiter und Produktverantwortlicher. Dort entwickelte ich mit wechselnden Teams für die Fachbereiche «Informatik», «Betriebswirtschaft» und «Wirtschaftsinformatik» mehr als 300 Lehrmittel zugunsten der Aus- und Weiterbildung.

Nun möchte ich meine Expertise bei der Konzeption und Umsetzung wirksamer, nachhaltiger Bildungsformate vermehrt in Organisationen einbringen, die ihren Fokus auf Natur und Umwelt oder Soziales richten.

Johannes, du wagst in Kürze einen Quereinstieg als Swiss Ranger. Magst du uns mehr darüber erzählen, wie du dazu kam?

Johannes: Da haben mehrere Faktoren hineingespielt. Zum einen habe ich mich immer gerne in der Natur bewegt – schon als Kind in Ferienlagern, in denen meine Mutter gekocht hat, und als Jugendlicher in der Jungwacht. Von Werken wie Brehms Tierleben, der Sendereihe «Expeditionen ins Tierreich» oder Jacques Cousteaus Unterwasserwelten konnte ich damals nicht genug kriegen. Früh galten meine Interessen auch der Biologie und Geologie. Ins bildgewaltige Magazin «National Geographic» bin ich jeweils regelrecht abgetaucht. Später haben längere Reisen und Wanderungen meine Verbundenheit mit der Natur gestärkt und mein Wissen über ökologische Zusammenhänge erweitert.

Zum anderen hat mir ein alter Schulfreund von der Rangerausbildung erzählt und kürzlich ist der Ranger beim Brainstorming meiner Kollegen im Loopings-Projekt wieder aufgetaucht. Für mich kein Zufall, sondern Anlass, dieses Berufsbild genauer anzuschauen. Nach dem Besuch der Informationsveranstaltung, einem Schnuppertag am Pfäffikersee und einem erfolgreichen Zulassungsgespräch habe ich mich nun für den Lehrgang 25/26 angemeldet.

Das Ressourcen-Sprungbrett besteht aus drei zentralen Bausteinen: Module, in denen Theorie vermittelt wird, ein professionelles 1:1-Coaching und verschiedene Vernetzungsmöglichkeiten. Was waren eure Highlights bis jetzt?

Angelika: Besonders bereichernd waren für mich die Module, die mich auf mich selbst zurückgeworfen haben: Wer bin ich, was kann ich, was will ich? Die Reflexion über meine Stärken, Werte und meinen beruflichen Weg hat mir geholfen, mein Profil zu schärfen. Ein Highlight war auch die Erstellung meines Vorstellungsvideos. Dabei haben mir die Vorarbeiten wie Slogan, Kurzprofil und One-Pager enorm geholfen. Auch der «Marktplatz» hat mich gefordert und gestärkt: Die Aufgabe, konkret zu benennen, was ich anbiete und suche, hat mein Selbstverständnis und meine Ausrichtung nochmals geschärft. Weitere Highlights waren für mich das 1:1-Coaching und die Netzwerktalks, bei denen ich spannende Einblicke von Menschen, die bereits den Quereinstieg gewagt haben, wie auch von HR-Expert:innen erhalten habe.

Auch die aktive Mitwirkung der anderen Programm-Teilnehmenden «triggert» und das Bewerbungsgespräch als Rollenspiel mit einem Schauspieler hatte fast eine kathartische Wirkung auf mich.

Johannes Scheuring

Johannes: Das Ineinandergreifen von Grundlagenwissen und persönlicher Unterstützung auf dem Weg zu neuen Ufern war für mich sehr hilfreich. Dabei habe ich gleichermassen von den Inputs und Praxistipps von Skillsgarden profitiert wie von den ehrlich-kritischen Feedbacks meiner Coachin. Entscheidende Augenöffner für mich waren die Übungen zur Selbst- und Fremdeinschätzung und die Umsetzungs-Workshops zum «One Pager» und «Elevator Pitch» sowie zum Thema «Design your Life» bzw. zur Entwicklung von «Odyseeplänen». Dabei konnte ich schrittweise mein Profil schärfen und den Blick nach vorne richten. Parallel dazu konnte ich meine Bewerbungsunterlagen und meinen LinkedIn-Auftritt auf den aktuellen Stand bringen.

Auch die aktive Mitwirkung der anderen Programm-Teilnehmenden «triggert» und das Bewerbungsgespräch als Rollenspiel mit einem Schauspieler hatte fast eine kathartische Wirkung auf mich. Generell sehr bereichernd ist für mich der rege Austausch mit den anderen Beteiligten, der von Vertrauen und Hilfsbereitschaft geprägt ist. Dieser positive Spirit hat mich stark getragen und motiviert.

Angelika, du hast den Schwerpunkt «Wie kann ich Übergänge im Leben nachhaltig und mit Wirkung gestalten?» in den Fokus gerückt. Erzähl doch gerne mehr darüber.

Angelika: Übergänge im Leben sind etwas ganz Existenzielles – und in unserer Lebensphase haben sie noch einmal eine besondere Tiefe. Viele von uns im Programm stehen an einem Punkt, an dem sie spüren: Es soll nicht einfach so weitergehen wie bisher. Auch für mich ist klar: Ich will nicht in vertrauten Mustern verharren oder auf das nächste Kapitel «warten». Ich will gestalten – bewusst, nachhaltig und mit Wirkung. Dazu gehört, innezuhalten und ehrlich zu fragen: «Was ist zu Ende gegangen – und was möchte jetzt entstehen?» Nicht vorschnell in Aktionismus zu verfallen, sondern anzuerkennen, dass Übergänge auch Zwischenräume sind – Phasen des Suchens, Fragens und Zweifelns. Und genau darin liegt ihr Potenzial.

Nachhaltig und wirksam wird ein Übergang dann, wenn nicht nur Kompetenzen, sondern auch Bedürfnisse, Werte und blinde Flecken berücksichtigt werden – und wenn der Mut entsteht, neue Wege zu denken und zu erproben.

Angelika Rutsch

Nachhaltig und wirksam wird ein Übergang dann, wenn nicht nur Kompetenzen, sondern auch Bedürfnisse, Werte und blinde Flecken berücksichtigt werden – und wenn der Mut entsteht, neue Wege zu denken und zu erproben. Es ist ein Prozess zwischen Reflexion, Handlung und Beziehung. Und genau das ist es, was mich an diesem Thema fasziniert – und was ich künftig auch für andere mitgestalten möchte. Ich glaube an die Kraft der Schwarmintelligenz – sie hilft uns, weiter zu denken, als es allein möglich wäre.

Gibt es Aha-Erlebnisse oder Erkenntnisse aus dem letzten halben Jahr, die ihr anderen Stellensuchenden für diese Phase mit auf den Weg geben könnt?

Johannes: Jeder Mensch hat vielfältige Neigungen, Bedürfnisse und Fähigkeiten. Manche davon gehen im Verlauf eines Berufslebens verloren, andere einfach vergessen. Als älterer Stellensuchender habe ich gelernt, dass es Geduld, Mut und gegebenenfalls auch eine gezielte Anleitung braucht, um die Vielfalt der eigenen Stärken und Ressourcen neu zu entdecken und «seine Diamanten» zum Funkeln zu bringen. Es ist toll, dass Stiftungen und Programme wie Loopings ältere Stellensuchende auf diesem Weg unterstützen, denn diese haben es beim Wiedereinstieg in die Berufswelt besonders schwer.

Als älterer Stellensuchender habe ich gelernt, dass es Geduld, Mut und gegebenenfalls auch eine gezielte Anleitung braucht, um die Vielfalt der eigenen Stärken und Ressourcen neu zu entdecken und «seine Diamanten» zum Funkeln zu bringen.

Johannes Scheuring

Angelika: Da stimme ich Johannes zu. Ich bin dankbar, dass es Stiftungen wie Loopings gibt, die Menschen 55+ gezielt unterstützen – mit einem Programm, das auf Langstrecke ausgelegt ist. Ein grosses Geschenk ist für mich auch die Gruppe: so vielfältig in Alter, Herkunft, Laufbahnen – und oft so unterschiedlich in Tempo, Richtung und Bedürfnis. Der Austausch, das Zuhören, das Teilen – das alles ist nicht nur inspirierend, sondern oft auch heilsam. Mein Rat an andere Stellensuchende: Sucht euch Weggefährt:innen – Gleichgesinnte, Andersdenkende, Fragende. Geht in den Austausch, traut euch zu fragen – auch ein zweites oder drittes Mal. Und holt euch Unterstützung dabei, euren Schatz an Fähigkeiten, Stärken und Ideen zu heben. Allein sieht man oft nur die Oberfläche – gemeinsam wird Tiefe sichtbar.

Lasst uns an der Wunderlampe reiben: Welchen Wunsch habt ihr in Bezug auf das Programm, den Arbeitsmarkt, die Schweiz und/oder für euch selbst?

Angelika: Was ich mir wünsche? Noch mehr Impulse – und die kommen ja zum Glück: Ich freue mich auf das Mentoring, auf das Zürcher Ressourcen Modell und auf das Working Out Loud Programm. Der Weg bis hierhin war bereits überaus bereichernd – nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell: Das Programm hat mir geholfen, meinen Weg klarer zu sehen und konkrete Schritte zu entwickeln. Für die weitere Gestaltung wünsche ich mir, dass wir Teilnehmenden noch aktiver unsere Netzwerke füreinander öffnen – dort, wo es sinnvoll und stimmig ist. Gerade im Quereinstieg ist der Zugang zu neuen Kontakten ein Schlüssel – und da können wir noch mehr füreinander tun.

Gerade im Quereinstieg ist der Zugang zu neuen Kontakten ein Schlüssel – und da können wir noch mehr füreinander tun.

Angelika Rutsch

Mit Blick auf den Arbeitsmarkt wünsche ich mir, dass weniger in Generationenklischees gedacht wird – und dass Arbeitgeber beginnen, den Wert älterer Arbeitnehmender differenzierter zu betrachten. Es braucht nicht immer hohe Gehälter – viele von uns haben andere Prioritäten: sinnvolle Aufgaben, flexible Modelle, echte Augenhöhe. Wir haben gelernt, von den Jüngeren zu lernen – und gleichzeitig etwas einzubringen, das sich nicht googeln lässt: Erfahrung, Übersicht, Integrationsfähigkeit.

Johannes: Viele ältere Stellensuchende – auch ich – machen die Erfahrung, dass die Arbeitschancen im angestammten Berufsfeld trotz ausgewiesener Fachkompetenzen und umfassender Sozialkompetenzen schlecht sind. Um einer Altersdiskriminierung entgegenzuwirken und die Marktchancen zu erhöhen, sind Projekte für Quereinsteiger zweifellos sinnvoll. Gefragt sind aber auch wirtschaftliche Anreize für Unternehmen und entsprechende politische Weichenstellungen, damit das brachliegende Know-how für die Gesellschaft nicht verloren geht.

Gefragt sind aber auch wirtschaftliche Anreize für Unternehmen und entsprechende politische Weichenstellungen, damit das brachliegende Know-how für die Gesellschaft nicht verloren geht.

Johannes Scheuring

Auch die regionale Arbeitsvermittlung sollte sich den spezifischen Anforderungen dieser Gruppe stärker bewusst werden und ältere Stellensuchende besser unterstützen. Mit der Ausbildung zum Ranger kann ich beispielsweise meine Erfahrungen bei der Entwicklung und Umsetzung wirkungsvoller Bildungsformate in neue Zielgruppen einbringen und für die Umwelterziehung von Kindern oder Erwachsenen sinnvolle Beiträge leisten. Entsprechend sollten mehrgleisige Bewerbungsstrategien gewürdigt und gefördert werden. Ich bin überzeugt, dass dadurch nicht nur eine raschere berufliche Wiedereingliederung möglich ist, sondern auch ein grösserer gesellschaftlicher Nutzen entsteht.

Vielen Dank, liebe Angelika und lieber Johannes!

Weiterführende Infos

Alle Infos zum Pilotprojekt «Ressourcen-Sprungbrett für den Quereinstieg» findet ihr hier.

Ressourcen-Sprungbrett für den Quereinstieg

Das «Ressourcen-Sprungbrett für den Quereinstieg» unterstützt stellensuchende und ausgesteuerte Personen im Alter zwischen 45 und 60 Jahren mit verschiedenen Modulen und Netzwerkmöglichkeiten auf ihrem Weg zu einem Quereinstieg, um so den Sprung zurück ins Arbeitsleben zu schaffen.
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