Franz Huber, seines Zeichens Glückspilz und Unternehmer (71), schaut und denkt nach vorne. Zusammen mit seiner Frau hat er vor einigen Jahren eine Taschen-Manufaktur eröffnet, welche älteren Flüchtlingen eine Ausbildung bietet. Neben Erfolgen und positiven Reaktionen, gibt's auch Rückschläge zu verkraften. Natürlich! Ein Spaziergang ist sowas nicht. Doch Huber mag Herausforderungen. Sie halten ihn fit. Ein Interview.
«KoKoTé» ist Suaheli, also ein Begriff aus einer afrikanischen Bantusprache. Es bedeutet «Wohin»? Wir stellen uns und anderen oft die Frage: Woher kommst du? – Dabei wäre es spannender, sich nach dem Wohin zu erkundigen: Wohin willst du? Eine Frage, die wir uns auch selbst, täglich und immer eindringlicher stellen sollten! Wobei sich das «Wohin» nicht mehr nur um persönliche Ziele drehen darf, sondern auch um einen sorgfältigen Umgang mit Ressourcen und die Zukunft unserer Welt.
Alles begann im Jahr 2015. Angesichts der prekären Flüchtlingssituation in Europa und auch aus der Überlegung heraus, dass es kein Verdienst, sondern ein Glück ist, hier in der Schweiz leben zu dürfen, haben meine Frau und ich entschieden, nicht einfach zu lamentieren, sondern zu handeln. Die Integration von Flüchtlingen – vor allem Frauen – war für uns naheliegend.
Zweifeln im Sinn von «sich laufend hinterfragen» gehört zu unserer Lebenseinstellung. Schlaflose Nächte bereitet mir im Moment die Auftragslage. Es wäre hilfreich, wenn Schweizer Unternehmen bereit wären, für ein in der Schweiz gefertigtes ökologisches Produkt mehr zu bezahlen als für die asiatischen Produkte. Mit anderen Worten: Ich wünschte mir, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine Worthülse, sondern ein echtes Anliegen wäre. Leider machen wir im Moment die Erfahrung, dass die Kosten noch immer stärker gewichtet werden als die Nachhaltigkeit.
Ein Busfahrer der Auto AG Uri war OK-Chef des «Samschitg Jass» in Unterschächen. Er liess die SRF-Werbeblachen zu Taschen verarbeiten und sagte, dass er unser Integrationsprojekt sehr sinnvoll finde. Unterschächen hat einen SVP Wähleranteil von knapp 80 %. Er hat das selbst finanziert. Dieses persönliche Engagement hat mich wirklich berührt.
Natürlich, das gehört dazu. Wir hatten beispielsweise mal eine Anfrage einer grossen Unternehmung aus der Uhrenbranche, für die wir nicht nur diverse Prototypen erstellt haben, sondern auch Produktionskapazität reserviert hatten. Die zuständige Marketingperson war von unserem Projekt begeistert und wir waren in einem finalen Entscheidungsprozess, als die Firmenleitung – für uns völlig überraschend – das Gespräch abbrach. Aber wichtiger sind die positiven Beispiele. Und es gibt viele erfreuliche Storys wie die von Unterschächen.
Hier in der Schweiz leben zu dürfen. Dazu kommt heute, dass ich gesund bin und meine persönlichen Fähigkeiten und Erfahrungen im Business für das Gemeinwohl einsetzen kann.
Versöhnlicher als damals. Ich habe meinen Berufswunsch dann mit über 50 noch realisiert. In Kombination mit meinen Erfahrungen als Unternehmer ergibt das eine ganz gute Mischung!
Erfolge, aber auch Misserfolge, sind ständige Begleiter eines Unternehmers im Sinn von jemandem, «der etwas unternimmt». Dabei können Misserfolge und Krisen zu einem erweiterten Horizont und zu neuen Erkenntnissen und Möglichkeiten führen. Oder anders ausgedrückt: Das Erkennen vom «Guten» im «Schlechten» wird zu einer neuen Form künftiger Handlungen.
Das hat mich bereits als kleines Kind begleitet. In damals scheinbar aussichtslosen Situationen kam mir jeweils der Gedanke, dass der absolute Tiefpunkt erreicht ist und es logischerweise nur wieder aufwärts gehen muss. Meine Misserfolge waren oft dem «jugendlichen Übermut» geschuldet und haben mich gelehrt, Win-Win-Situationen anzupeilen. Lernprozesse sind zuweilen schmerzhaft. Einer meiner wichtigen Lehrer sagte jeweils, dass effektives Lernen mit (schmerzhaften) Emotionen verbunden ist.
Regularien haben mich nie wirklich interessiert. Herausforderungen haben mich aber immer stark motiviert. Mein Hirn täglich zu trainieren, eine «Challenge» anzunehmen, ist die beste Medizin gegen Demenz. Immerhin habe ich mir vorgenommen, im 2024 zwei Halbtage nicht zu arbeiten und dafür mehr Spaziergänge zu machen und mit meiner Frau Yoga zu praktizieren.
Ich würde diese Personen fragen, was sie noch gerne machen würden, was sie neugierig, lebendig hält und sie fragen, was denn ein erster kleiner Schritt sein könnte, dies zu realisieren.
Weil der Staat sich vor allem auf jüngere Flüchtlinge konzentriert. Für ältere (+ 26) – vor allem Frauen – gibt es sehr wenige nachhaltige Angebote, die zu einem Berufsbildungsabschluss führen. Und ohne ein «Papier» läuft man in der Schweiz Gefahr, immer wieder in die Sozialhilfe abzurutschen.
Die Bescheidenheit beeindruckt mich und hilft mir, entsprechend wertzuschätzen, was ich oft als selbstverständlich anschaue, nämlich das Recht auf Bildung oder sich in Sicherheit zu fühlen.
Uns «Alte» verbindet die Idee, sich für etwas Sinnvolles zu engagieren und unsere Erfahrungen weiterzugeben. Wir sind zudem motiviert, am eigenen Beispiel zu zeigen, dass solch ein Projekt auch ausserhalb von Grossstädten Platz hat. Unser Designer Carsten Joergensen hat mal gesagt: «Ich bin erstaunt, dass ein solches Projekt in Uri und nicht in Zürich passiert.»
Unser Ziel ist es, dass KoKoTé die ehrenamtlichen Leistungen der Freiwilligenarbeit über den Verkauf von Produkten selbst finanzieren kann. Wenn das erreicht ist, haben wir eine Perspektive, unser Engagement langsam dem Alter anzupassen.