Doris Smith hat in ihrer Masterarbeit an der Kalaidos Fachhochschule nach Tools gesucht, um die Arbeitsmarktfähigkeit der Erwerbstätigen im Alter von 50+ in Schweizer KMUs zu fördern. Wir haben Doris gefragt, ob sie fündig geworden ist – und was sie mit ihren Recherchen und diversen Expert:inneninterviews herausgefunden hat.
Es war ein Prozess und die Kumulierung verschiedener Aspekte, die mich zu dieser Themenwahl führten. Meine persönliche Überzeugung von der Relevanz von Lifelong Employability, gerade in Hinblick auf die Herausforderungen durch den demografischen Wandel für die Gesellschaft, besonders aber für Unternehmen. Andererseits aber auch die Feststellung, dass grössere Unternehmen Förderprogramme eher auf jüngere Mitarbeitenden oder ausgewählte Berufsgruppen ausrichten und es bei Älteren dann mehrheitlich in Richtung Frühpensionierung oder Gesundheitsprävention geht, weniger aber um – beispielsweise – Wissensvermittlung oder Weiterentwicklung. Mich interessierte es, herauszufinden, was in diesem Bereich vergleichsweise in KMU gemacht wird oder werden kann, die anders funktionieren und aufgestellt sind und was überhaupt möglich ist. Zumal es davon deutlich mehr gibt als Grosse.
Hierfür braucht es offene Vorgesetzte, die ihre Mitarbeitenden fördern, aber auch fordern, unabhängig von Alter und Funktion. Die selbst als Vorbild für kontinuierliche Weiterentwicklung und Employability agieren, die auch Verantwortung übergeben, Austausch und Vernetzung unterstützen, grundsätzlich von der Wichtigkeit von Employability überzeugt sind und hierfür ihre Mitarbeitenden auch sensibilisieren. Erfolgsversprechende Instrumente sind dabei Feedback und Leistungsbeurteilung in der täglichen Zusammenarbeit und nicht nur bei Entwicklungsgesprächen. Dabei sind Offenheit, Interesse und Fähigkeiten im sozialen und kommunikativen Bereich sowie Selbstkompetenzen der Führungskräfte wichtig und diese, und damit das ganze Unternehmen, könnten selbst von professioneller Begleitung profitieren.
Förderlich können auch altersgemischte und bereichsübergreifende Arbeitsgruppen sein, Mitarbeitenden Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten geben, aber auch moderne Kommunikations- und Organisationstools. Der Fokus sollte nicht allein auf fachliche, sondern auch auf überfachliche Kompetenzen gelegt werden, wie Selbstverantwortung, Dialog und Feedback sowie emotionale Intelligenz. Sehr viel kann mit On-the-job-Entwicklung gemacht werden, durch job enlargement oder job enrichment, durch Erfahrungsaustausch und der Förderung von internen und externen Netzwerken.
Den Mitarbeitenden die Kompetenzenentwicklung durch Zeit- oder finanzieller Zusprache an Weiterbildung oder beispielsweise an Netzwerkmitgliedschaften zu ermöglichen, sind weitere Tools, die Unternehmen für den Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit ihrer Mitarbeitenden nutzen können.
Und ein nicht zu unterschätzender Bereich ist die Unternehmenskultur, die viele Hebel für Employability in Bewegung setzen kann. Wie etwa eine gesunde Fehlerkultur, Open-Door-Mentalität, Wertschätzung und Vertrauen, die Weitergabe von Good Practices und Wissensaustausch allgemein, Generationenmix und Diversität auf Augenhöhe. Ganz allgemein: eine Kultur, die Austausch fördert, Entwicklung und Verantwortungsübernahme fordert.
Offen sein für Neues, und proaktiv selbst die Initiative ergreifen, wenn es um Entwicklung geht. In Bewegung bleiben, die Komfortzone verlassen, auch mit jüngeren Generationen im Austausch sein, und grundsätzlich Gelegenheiten von Vernetzung aktiv suchen und nutzen. Neugierig sein und bereit, kontinuierlich zu hinterfragen und lernen zu wollen – wobei all dies nicht explizit für ältere Personen relevant ist, sondern für alle Altersgruppen. Gegebenenfalls kann auch eine Standortbestimmung für eine Weichenstellung und mehr Klarheit zu potenziellen Entwicklungsfeldern genutzt werden, die übrigens gut auch ausserhalb des Unternehmens gemacht werden kann.
Das habe ich so nicht untersucht. Meiner Meinung nach muss jedoch in Unternehmen noch mehr ein Umdenken stattfinden, weg vom Jugendwahn, hin zu den Kompetenzen und Qualifikationen, welche im individuellen Fall wirklich nötig sind. Digitale Skills sind das eine und ganz klar von grosser Wichtigkeit in nahezu allen Bereichen. Jedoch sind soziale und kommunikative Fähigkeiten oftmals genauso wichtig und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit schwieriger zu erlernen. Es braucht also eine gute Mischung an Kompetenzen und unbedingt auch die Bereitschaft, sich mit den individuellen Herausforderungen oder Defiziten auseinanderzusetzen und kontinuierlich daran zu arbeiten; egal, wie alt man ist.
Das eine generationenübergreifende Zusammenarbeit für alle sehr bereichernd sein kann, da verschiedene Perspektiven, Erfahrungen und Fähigkeiten eingebracht werden. Gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung liegen auf kultureller, führungstechnischer und individueller Ebene und verlangen Offenheit, Reflektionsfähigkeit, Handlungsspielraum und Gelegenheit für Austausch und Entwicklung – wie bereits angesprochen. Eine erfolgreiche Umsetzung kann ein vielfältiges und wissensreiches Arbeitsumfeld schaffen, in dem Stärken und Erfahrungen aller genutzt werden, um Unternehmensziele zu erreichen und die Zufriedenheit sowie Employability aller zu steigern.
Eine Organisation steigert damit ihre Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft durch qualifizierte und anpassungsfähige Mitarbeitende. Durch Investition in Entwicklung und Weiterbildung werden die Mitarbeiterbindung, aber auch das Gewinnen von neuen Talenten erhöht. Gut ausgebildete Mitarbeitende sind häufig produktiver und leistungsfähiger, was auch zu Kosteneinsparungen führt und nicht zuletzt für eine gute Reputation des Unternehmens sorgt. Es ist eine Win-Win-Situation, bei der sowohl die Organisation als auch ihre Mitarbeitenden profitieren.
Ich denke nicht, dass das Arbeitspotenzial zwangsläufig bei jüngeren besser ausgeschöpft wird als bei älteren Mitarbeitenden, und die Leistungsfähigkeit hängt bestimmt nicht vom Alter allein ab. Hier wirken diverse Faktoren mit, wie individuelle Fähigkeiten und Erfahrungen, Motivation, Ausbildung, aber auch Unterstützung seitens Organisation und möglicherweise auch die Arbeitsbedingungen. Und ja, es gibt bestimmt auch Unterschiede in Berufsgruppen oder Branchen, abhängig davon, welches Wissen oder welche Erfahrungen relevant sind. Hierbei kann das Alter auch eine Rolle spielen. Insgesamt erscheint mir wichtig, Mitarbeitenden nach ihren individuellen Fähigkeiten und Potenzialen zu beurteilen und nicht nach ihrem Alter. Die Förderung von Vielfalt und Schaffung eines inklusiven Arbeitsumfelds, indem Menschen unabhängig von ihrem Alter wertgeschätzt, aber auch gefördert und gefordert werden, ist entscheidend, um das volle Arbeitspotenzial in Organisationen auszuschöpfen.
Meine Einschätzung ist, dass die Bedeutung von Employability in der heutigen Arbeitswelt zunimmt und Organisationen langsam erkennen, dass sie in die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden investieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das passiert jedoch sehr langsam und die Definition von Employability sowie die Anwendung förderlicher Tools variieren sehr stark nach Unternehmensgrösse, Branche oder Berufsgruppe, und hängen auch stark von der Unternehmenskultur und Führung ab. Vielerorts steckt man noch absolut in den Kinderschuhen oder ist sich über die vielen möglichen Hebel zur Förderung von Employability noch gar nicht bewusst bzw. sieht dies noch nicht als Priorität. Die Unternehmensgrösse ist, wie erwähnt, ein entscheidender Faktor bei der Umsetzung von Massnahmen oder Angeboten für ältere Mitarbeitende. Vielfach sind hier flexible Arbeitszeitmodelle oder gesundheitsfördernde Massnahmen im Einsatz, auch wenn Studien zeigen, dass sich ältere Mitarbeitende auch noch mehr Weiterbildungsangebote und kontinuierliche Karriereplanung wünschen und grossen Wert auf eine förderliche, wertschätzende Unternehmenskultur legen.
Zusammengefasst zeigen meine Forschungsergebnisse, dass KMU viele Hebel haben, um ältere Mitarbeitende zu fördern, die nicht ausschliesslich mit grossen Investitionen verbunden sein müssen. Aufgrund der engeren Zusammenarbeit in KMU könnte dort besonders im Hinblick auf kulturelle und führungstechnische Aspekte ein Vorteil gegenüber Grossunternehmen bestehen, flexibler und schneller agieren zu können, Mitarbeitende zu involvieren und in ihrer Kompetenzen-Entwicklung zu unterstützen. Grosses Potenzial herrscht auch im Nutzen von Netzwerken, intern und extern, die sich generationen- und abteilungsübergreifend bzw. unternehmensübergreifend anbieten könnten, sowie in On-the-job-Entwicklungsopportunitäten. Damit könnten die Schlüsselkompetenzen für Employability, wie Kommunikation, Digitalität, Menschlichkeit und Vernetzung gefördert werden.
Ob der Handlungsbedarf in KMU wirklich erkannt wurde und sich hier in naher Zukunft etwas tut? Ich denke, dies kann man pauschal nicht beantworten. Die Tendenz ist da, aber ich glaube, ein Umdenken wird noch Zeit brauchen. Und wichtig scheint mir, dass ein Umdenken auch auf individueller Ebene stattfinden muss und alle Mitarbeitenden, egal wie alt, in welcher Funktion und in welcher Unternehmensform, ihre Employability selbst unbedingt proaktiv und kontinuierlich hinterfragen und vorantreiben müssen.
Kaleidos Fachhochschule Schweiz: Studium Wirtschaftspsychologie