Endlich selbstständig

De Vanessa Zeilfelder, 21. mars 2022

Cordelia Oppliger hat Loopings auf Facebook entdeckt und direkt einen Looping vor Freude gemacht. Denn sie hat ebenfalls einen Neustart gewagt – «endlich!», wie sie glücklich sagt. Cordelia hat sich mit 54 Jahren einen langgehegten Wunsch erfüllt und sich als Kommunikationsberaterin selbstständig gemacht. Sie unterstützt mit ihrem Start-up «Curating the difference» Menschen, die sich ein neues oder zweites Standbein aufbauen möchten, die griffige Texte für ihr bestehendes Business benötigen, die als Kultur- oder Kunstschaffende eine Kommunikationsstrategie brauchen oder solche, die für eine Bewerbung ihr Selbstmarketing oder Personal Branding anschauen möchten. «Einige meiner ersten Kundinnen und Kunden sind über 70 Jahre alt und ich finde es ganz wunderbar, mit ihnen zu arbeiten!»

Liebe Cordelia, wie kam es zu deiner Entscheidung, einen Looping zu drehen und dich mit 54 selbstständig zu machen?

Selbständig zu sein ist ein langgehegter Wunsch von mir. Ich war zweimal in meinem Leben kurz davor, mich selbständig zu machen und nahm dann beide Male einen spannenden Job an. 2019 war der Wunsch plötzlich wieder da. Ich fragte mich, ob ich sterben möchte, ohne je selbständig gewesen zu sein. Ich sagte klar nein.

Ich begann Ideen zu spinnen und zu überlegen, wie ich mein Wissen aus der Kommunikation, Kuration und dem Projektmanagement professionell weitergeben könnte. Eines war mir dabei klar: Es würde in einer digitalen Form sein. Mein Umfeld verstand nicht, wie das gehen sollte und ehrlich gesagt, wusste ich es auch nicht recht. Ich wusste einfach, dass ein digitales Format die Möglichkeit bietet, Wissen in Videos zu packen und somit zu skalieren sowie mehr Zeit für die individuelle Beratung zu haben. Ausserdem ermöglicht das Digitale mir, international und ortsunabhängig zu arbeiten und meinen Arbeitsplatz immer wieder neu zu gestalten.

In einem Mentoring lernte ich, mein Business digital zu denken und einen Marketing-Funnel zu bauen. Das war enorm hilfreich und hat mir einige Umwege erspart.

Mit dem Corona-Virus kam ein Digitalisierungsschub, den ich nutzte. Während des Lockdowns setzte ich meine Idee Schritt für Schritt um und löste mich auch vor meiner bisherigen Vorgehensweise: Statt erst ein stringentes Konzept zu erarbeiten, legte ich im Stil von Design Thinking einfach los. Ich bot Kommunikationsberatungen und Schreibcoachings in meinem Umfeld an, lernte, was die Kundinnen und Kunden brauchen und wie ich ihnen mein Wissen optimal vermitteln kann. 2021 wagte ich den Sprung in die Selbständigkeit. In meinem ersten Newsletter zitierte ich die Dichterin Hilde Domin: «Ich setzte den Fuss in die Luft und sie trug.»

Wie können wir uns deinen Alltag als Kommunikationsberaterin vorstellen?

Meinen Arbeitstag starte ich oft mit einem Morgenspaziergang. Hier hole ich mir Ideen für mein Business und kreative Lösungen für meine Kundinnen und Kunden. Später redigiere ich Webseitentexte, eine Werkdokumentation, schreibe Skripts für ein Webinar und produziere das entsprechende Video. Am Nachmittag treffe ich ein, zwei meiner Kundinnen oder Kunden per Videocall. Sie erzählen mir, was aktuell ansteht und ich zeige ihnen die nächsten Schritte auf. Dabei lege ich Wert darauf, dass es Schritte sind, die für die Kundinnen und Kunden nicht nur machbar sind, sondern auch Freude machen und sich leicht anfühlen. Gegen Abend führe ich oft noch ein Erstgespräch mit einer Interessentin oder einem Interessenten. Im Gespräch kläre ich ab, wo die Person steht, was sie braucht und ob beziehungsweise wie ich ihr dabei helfen kann. Und die Administration? Die erledige ich zwischendurch. Als gelernte kaufmännische Angestellte habe ich immer auf eine schlanke Administration geachtet, die Automatisation in der digitalen Welt ermöglicht unterstützt mich dabei.

Mit welchen Themen beschäftigst du dich aktuell?

Aktuell beschäftigen mich zwei Themen: Die Kundengewinnung sowie der Arbeitsplatz.

In der Kundengewinnung passiert gerade ein Umbruch. In den letzten Jahren haben sehr viele Entrepreneurs ausschliesslich auf die sozialen Medien gesetzt. Diese kommen jetzt aber unter Druck. Für mein Business habe ich – nach alter Kommunikationslehre – immer auf einen Mix gesetzt, das heisst Facebook & Co. sind für mich einfach ein Kanal. Daneben nutze und teste ich auch andere Kanäle, zum Beispiel Webinare. Oder Werbung auf Plattformen oder in Newslettern. Oder Kooperationen. Diese Erfahrungen gebe ich dann auch meinen Kundinnen und Kunden weiter. Gerade Menschen über 50 sind gegenüber den sozialen Medien etwas skeptisch und deshalb dankbar für Alternativen.

Zum Arbeiten brauche ich einen Computer, Internet und Elektrizität. Das öffnet mir viele Möglichkeiten für Arbeitsplätze. Natürlich arbeite ich bereits auf dem Balkon, im Café oder im Camping-Bus. Aber noch schöpfe ich das Potenzial lange nicht aus. Ich beschäftige mich deshalb zur Zeit intensiv damit, wo ich arbeiten könnte und möchte. Und gleichzeitig schaue ich dieses Thema auch mit meinen Kundinnen und Kunden an. Viele sind zwar nicht ausschliesslich digital unterwegs, aber sehr oft können auch analoge Arbeiten an verschiedenen Orten ausgeführt werden. Das Wechseln des Arbeitsplatzes kann man für kreative Inputs nutzen. Oft finden sich überraschendere Lösungen, wenn man sich beispielsweise einfach mal mit Farbstiften und Papier auf den Boden setzt, als wenn man am Pult vor dem Computer sitzen bleibt.

Du hast uns kürzlich erzählt, dass deine neusten Kundinnen und Kunden 70 und 73 Jahre alt sind. Mit welchen Themen wenden sich diese Personen an dich?

Beide Kundinnen und Kunden sind bei mir, weil sie sichtbar werden wollen mit ihrer Kunst oder mit ihrem Tanzstudio. Sie haben sich jahrelang gut vermarktet, aber dabei zu wenig auf digitale Kommunikationsmöglichkeiten gesetzt. Jetzt stirbt ihnen die gleichaltrige Kundschaft weg, die man noch mit einer handgeschriebenen Karte erreichen konnte, und sie wissen nicht, wie sie ein jüngeres Zielpublikum erreichen.

Ein Kurs, zum Beispiel im digitalen Marketing, ist da oft nicht das Richtige. Sie möchten nicht mit 25-Jährigen zusammen lernen. Sie verstehen die Marketingsprache nicht und das Tempo ist zu hoch. Zudem sind die gelernten Strategien für sie oft nicht 1:1 anwendbar.

Hier schlage ich eine Brücke und vermittle ihnen aktuelles Wissen auf verständliche Art. Wir erarbeiten zusammen eine Strategie, die zeitgemäss ist und trotzdem zu ihnen passt. Ich zeige ihnen, wie sie ihr Wissen und grossen Erfahrungsschatz gezielt verpacken können. Und wie sie handgeschriebene Karten auch im digitalen Zeitalter erfolgreich einsetzen können.

Diese individuelle Beratung zieht generell Menschen ab 50 an. Weil sie nicht mehr lernen wollen, was ihnen gesagt wird, sondern weil sie selber viel Wissen mitbringen und sie nur jemanden brauchen, der ihnen zeigt, wie man dieses heute am klügsten einsetzen kann.

Was war für dich im letzten Jahr besonders herausfordernd und hat dich etwas an der Selbstständigkeit positiv überrascht?

Bei mir persönlich löste die Pandemie eine Aufbruchstimmung aus. Ich begriff 2020, dass viele bestehende Konzepte nicht mehr greifen und sah die Chance, Neues auszuprobieren. Ich dachte, das sei für alle so – stellte aber letztes Jahr fest, dass die Unsicherheit viele blockierte. Ich wurde ebenfalls unsicher, ob mein Angebot, Menschen auf dem Weg in die (Teil-)Selbständigkeit zu helfen, überhaupt Anklang finden würde. Zum Glück zeigte sich, dass es trotz unsicheren Zeiten viele mutige Menschen gibt, die ihrem Weg folgen.

Beim Gedanken an die Selbständigkeit hatte ich immer Respekt vor dem allein Arbeiten. Ich bin ein Teammensch und liebe es, wenn verschiedene Menschen gemeinsam an einem Projekt arbeiten, die Dynamik gefällt mir. Als Selbständige fiel das Team erstmal weg – und ich merkte, dass mir das genauso gefällt. Ich habe plötzlich Raum auszuprobieren, Ideen zu spinnen und umzusetzen, ohne dass ich noch Team, Vorgesetzte oder irgendwelche Gremien überzeugen muss. Das empowert mich jeden Tag aufs Neue. Ich kann meine Kreativität nutzen, um mein Business und das meiner Kundinnen und Kunden voranzutreiben.

Was würdest du unseren Leserinnen und Lesern raten, die auch mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen?

Wer mit dem Gedanken spielt, sich selbständig zu machen, hat meistens schon zumindest eine vage Idee, was sie anbieten würden. Ich würde deshalb raten, einfach mal mit Testen loszulegen: Ein Angebot schnüren und im Umfeld anbieten. Erfahrungen sammeln, einerseits, wie es ankommt bei den Leuten, andererseits wie es sich für einen selber anfühlt. Dann Angebot ändern oder optimieren, bis es für beide Seiten stimmt.

Dieses Vorgehen ist gerade für Menschen 50plus ungewohnt. Wir haben noch gelernt, erst ein wasserdichtes Konzept zu entwickeln, inklusive Businessplan und so weiter, und erst dann auf den Markt zu gehen. Daran ist grundsätzlich nichts falsch, aber es ist oft sehr schwierig, für sich allein herauszufinden, was wirklich Erfolg haben wird und einem erst noch Spass macht. Wer anfängt zu testen, macht sehr schnell diese Erfahrung und kann schrittweise optimieren.

In einem nächsten Schritt würde ich dann die Positionierung erarbeiten. Wer bin ich, was kann ich, wem biete ich was und warum an? Aufgrund meiner eigenen Erfahrung würde ich für diesen Prozess ein Mentoring empfehlen. Die objektive Sichtweise von aussen führt einen schneller und leichter ans Ziel, als wenn man allein unterwegs ist.

Und zum Schluss: Was verbindest du mit Loopings?

Mut. Es braucht Mut, einen Looping zu machen. Es braucht ein Loslassen, ein Schritt aus der Komfortzone. Ein Looping ist eine Achterbahn, mit Höhen und Tiefen. Ein Looping lässt einen Schreien vor Angst – und löst gleichzeitig ein Glücksgefühl aus. Am Schluss bleibt die pure Freude, wenn der Looping gelingt.

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