Sian Stalder ist seit 2003 im Bereich Sprache und Bildung tätig, arbeitete an verschiedenen Sprachschulen und hat sich mit einer eigenen Sprachschule selbständig gemacht.
Ich bin 1993 nach dem Mauerfall in Berlin in die Schweiz gekommen, um als Künstlerin durchzustarten. Mich haben die Menschen, die ich als ruhig und ausgeglichen empfand, angezogen, das war damals ein grosser Kontrast zu dem lauten Berlin, wo ich mich nie wirklich wohl gefühlt hatte. Auch das Thema Natur war völlig neu für mich und hat mich neben der Kultur- und Sprachenvielfalt fasziniert. Wenn man von aussen kommt, sieht man vieles präziser, auch die weniger guten Seiten. Am Anfang war es sehr schwierig, Kontakte zu knüpfen und ich dachte, es liegt wohl an mir. Aber ich stellte fest, dass auch viele Schweizerinnen und Schweizer untereinander eher unterkühlt sind, das musste ich akzeptieren. Doch je länger ich hier lebe, desto heimischer fühle ich mich. Trotzdem muss ich mindestens einmal im Jahr verreisen, um neue Eindrücke und Inspirationen zu bekommen.
Eigentlich wurde es mir in die Wiege gelegt. Meine Familie stammt ursprünglich aus dem Kaukasus, meine Eltern sprachen zu Hause einen russischen Dialekt. Da wir in der Türkei lebten, sprachen wir auch Türkisch und als ich als 4-Jährige nach Deutschland kam, lernte ich Deutsch. Wenn wir als Familie vor dem Fernseher sassen und ein Krimi lief, war es meine Aufgabe, die Texte zu übersetzen. Das war sozusagen mein erster Job als Synchronsprecherin.
Später kam der Ausreisser in die Kunstwelt, da ich viele Künstlerfreunde hatte und auch mit dem Malen begann. Die Beschäftigung mit Kunst unterscheidet sich im Prinzip nicht sehr vom Unterrichten, beides braucht Erfahrung, Geduld und Umsetzung.
Ich habe übrigens auch 8 Jahre lang Staatskunde, das politische System der Schweiz, unterrichtet und in dieser Zeit ca. 500 Personen geholfen, sich in der Schweiz einzubürgern.
Als ich mich bei der ersten Sprachschule um eine Stelle bewarb, war ich froh, Erfahrungen sammeln zu können. Als Kursleiterin ist es mir nicht gelungen, eine Vollzeitstelle zu finden. So war ich zuletzt an 4 verschieden Schulen Teilzeit angestellt. Das war sehr nervenaufreibend, da man sich auch mit 4 verschieden Systemen auskennen musste.
Eigeninitiative und Selbstbestimmung waren nicht erwünscht, aber es gab riesige Ansprüche.
Meine Vorgesetzten wurden immer jünger, und ich musste ihnen zum Beispiel den Ablauf einer Sprachprüfung erklären. Irgendwann dachte ich dann, das kannst du besser.
Da ich den Kontakt zu den Schülern immer sehr mochte und eben auch gerne unterrichte, war es nur eine Frage der Zeit, mich selbstständig zu machen.
Im Prinzip hatte ich immer schon Anfragen von Privatschülern. Da ich an verschiedenen Schulen unterrichtet habe, konnte ich sukzessiv die Stunden reduzieren und eine Stelle nach der anderen kündigen.
Viele neue Aufträge kamen überraschenderweise, nachdem ich gekündigt hatte. Nach meiner letzten Kündigung kam sogar ein Grossauftrag.
Für mich war es schön, von meiner Familie unterstützt zu werden. Auch kamen sehr viele interessante und vielseitige Anfragen. So habe ich zum Beispiel einige neue Kontakte zum chinesischen Kulturkreis knüpfen können und lerne seitdem auch chinesisch.
Ich mag das Wort Arbeit. Es beinhaltet, dass man sich anstrengen muss. Wenn aus dieser Anstrengung eine Befriedigung oder sogar eine Art Glücksgefühl resultiert, dann hat man etwas richtig gemacht, egal ob man putzt, serviert, unterrichtet oder sonst was tut. Wir leben in der Schweiz in einer Dienstleistungsgesellschaft, leider gibt es in diesem Bereich nicht immer den nötigen Respekt und die Anerkennung. Das beschäftigt mich.
Mein Tipp? Nicht auf die Tipps von anderen hören. Und nicht zu viel planen. Wer viel plant, verpasst viele Chancen.