Kreativ sein heisst: «schöpferisch tätig» sein. Tolle, originelle Ideen zu haben, ist nur ein Teil. Man muss die Ideen auch umsetzen, etwas daraus «erschaffen». Von daher kommt der Ausspruch: «Kreativität: 1 Prozent Inspiration, 99 Prozent Transpiration». Kreative Menschen gestalten ihr Leben so, dass sie einerseits diese Inspiration nicht verpassen und andererseits genügend Zeit und Raum haben, um etwas daraus zu machen – gute Ideen «schwitzend» umzusetzen. Am Beispiel von Hannah schauen wir uns hier an, wie eine kreative Lebensgestaltung aussehen kann. Lassen Sie sich inspirieren. Am Ende wartet eine kleine Liste mit Überlegungen, die vielleicht zu einem kreativen Leben führen können.
Noch bevor ein Radio ertönt, eine SMS oder E-Mail gelesen oder die Zeitung geholt wird, setzt sich Hannah – so nennen wir die kreative Persönlichkeit einmal – an den Küchentisch und schreibt in ihr Notizheft (1). Manchmal schreibt sie 3 Minuten, manchmal werden es 30 Minuten und länger. Sie geniesst diese Morgenstunden, wenn der Kopf noch «leer» ist, noch unbehelligt von neuen Informationen.
Sie schreibt spontan, assoziativ. Notiert einfach, was ihr gerade durch den Kopf geht. Manchmal erinnert sie sich an Träume, manchmal lässt sie ein Gespräch vom Vorabend Revue passieren, dann wieder macht sie Pläne für den Tag. Wenn sie später in ihren Aufzeichnungen liest, staunt sie oft darüber. Manchmal entstehen Ideen, die sie weiterverfolgt, dann wieder scheinen ihr die Gedanken unbedeutend und ohne Sinn. Aber sie ist überzeugt: Manche Idee, die bei so einem Gedankensprint entstanden ist, wäre in der Geschäftigkeit des Alltags untergegangen.
Hannah hat für sich herausgefunden, dass sie am Morgen besonders konzentriert arbeitet (2). Wenn immer möglich, erledigt sie darum Fleissarbeit wie Analysen, Auswertungen oder Korrekturen und Textüberarbeitungen morgens. Seit sie selbständig ist, kann sie sich das gut selber einteilen. Früher, als Angestellte war das schwieriger.
Doch damals schon hat sie sich das Recht herausgenommen, die Bürotür zu schliessen, ein «Bitte-nicht-stören»-Schild daran zu hängen, das Telefon umzuleiten und offline zu gehen, wenn sie konzentriert an etwas arbeiten wollte. Zu Beginn fanden das die Kollegen und Kolleginnen zwar etwas «schrullig» - doch mit der Zeit gewöhnten sie sich daran. Einige machten es ihr sogar nach und stellten fest: Sie erreichten bessere Ergebnisse in kürzerer Zeit, wenn sie sich solche «produktive Rückzüge» gönnten und sich ein oder zwei Stunden lang nicht unterbrechen liessen (3).
Hannah schätzt an der Selbständigkeit besonders, dass sie freier über ihre Zeit verfügen kann. Auch den Arbeitsplatz hat sie sich nach ihren eigenen Bedürfnissen und Vorlieben eingerichtet. Sie hat jetzt sogar zwei Arbeitsplätze (4) - nebst dem Küchentisch und dem Sofa, die beide dann und wann auch zum Arbeiten genutzt werden. Der Schreibtisch, an dem sie ihre Fleissarbeiten erledigt ist spartanisch eingerichtet. Nur das Nötigste steht drauf, die Wände sind relativ kahl – nichts, das sie ablenken könnte.
Ganz anders der Raum, wo sie nachdenkt, ihre Projekte entwickelt, schreibt und manchmal ihre Ideen auf einem Blatt Papier visualisiert. Hier gibt es viele Bücher, Bilder, ein paar Figürchen – die sie liebevoll «meine Gedanken-Kobolde» nennt und eine Pinnwand mit Fotos, Notizen, Skizzen.
Kreative Arbeiten erledigt Hannah am liebsten gegen Abend und manchmal bis tief in die Nacht. Dann brennen auch immer ein paar Kerzen. Sie liebt gedämpftes Licht (5), wenn sie nachdenken will. Und wenn sie in den Flow gerät, die Zeit vergisst und es mal wirklich spät wird, kann sie am anderen Tag einfach etwas länger schlafen (6). Auch das ein Vorteil ihrer Selbständigkeit.
Die Meetings, die Ablenkung durch geschäftliche oder private Gespräche mit Kollegen und Kolleginnen waren Hannah als Angestellte oft zu viel. Jetzt in der Selbständigkeit fehlt ihr das manchmal: der Austausch, das Feedback auf ihre Arbeit. Sie liebt es, allein über ihre Ideen zu brüten – doch genauso braucht sie es, mit anderen darüber zu reden, deren Meinung zu hören, eine neue Perspektive auf ihre Arbeit zu erhalten. Doch alles zu seiner Zeit (7).
Wenn Hannah heute neue Impulse braucht, lädt sie Freunde, Arbeitskolleginnen, andere Experten auf ihrem Gebiet zu sich ein. Oder sie trifft sich mit ihnen in einem Café oder zu einem ausgedehnten Spaziergang. Beim Gehen lässt sich so gut reden und denken (8).
Dann präsentiert sie ihnen ihre Ideen, will wissen, was sie davon halten und wie sie dieses oder jenes Problem lösen würden. Dabei wünscht sie sich ehrliches Feedback, konstruktive Kritik. «Allein durch Lob ist eine Sache noch nie verbessert worden», ist ihre Haltung – so sehr sie es auch geniesst, wenn die Qualität ihrer Arbeit anerkannt und geschätzt wird.
Hannah ist ehrgeizig und sucht stets nach der besten Lösung. Immer wieder stellt sie gewohnte Ansätze in Frage und sucht nach neuen, direkteren, einfacheren Wegen, eine Aufgabe zu lösen. Manchmal tauchen während der Arbeit neue Ideen für andere Projekte auf. Jetzt nur nicht ablenken lassen! Schnell schreibt sie die Gedanken in ihr Notizheft, damit sie nicht vergessen gehen. So füllt sie ihren Ideenpool – lässt sich aber nicht von ihrem aktuellen Projekt abbringen. Bis sie mit dem Ergebnis zufrieden ist und das Gefühl hat, ihr Bestes gegeben zu haben (10).
Hat Hannah ein Projekt abgeschlossen, geniesst sie es, etwas ganz anderes zu tun. Sie liest viel, geht ins Museum, ins Theater oder einfach spazieren und hängt ihren Tagträumen nach. Manchmal braucht es solche Ruhezeiten auch mitten in einem Projekt, wenn sie nicht weiterkommt. Schon oft fiel ihr die Lösung gerade dann ein, wenn sie überhaupt nicht ans Problem dachte. Der berühmte Geistesblitz! Doch Hannah weiss: Dieser kommt nicht aus heiterem Himmel, sondern ist das Ergebnis harter Arbeit, intensiver Auseinandersetzung mit einem Thema und grösster Konzentration: 1 Prozent Inspiration, 99 Prozent Transpiration eben.
Man muss nur immer wach sein und bereit.
Schreiben Sie Ihre Gedanken, Ideen und Eindrücke regelmässig auf. Das ist ein guter Weg, das Leben bewusster wahrzunehmen, darüber zu reflektieren und gleichzeitig spontane Einfälle festzuhalten. Halten Sie immer Schreibzeug und Notizheft bereit, denn Ideen kommen oft unverhofft.
Finden Sie heraus, wann Sie kreativer sind. Morgens oder abends? Wenn immer möglich, versuchen Sie den Tagesablauf entsprechend zu gestalten.
Schaffen Sie sich Zeiträume, in denen Sie ungestört arbeiten können. Kein Radio, kein Fernsehen im Hintergrund, gehen Sie offline, schalten Sie das Telefon stumm. Lassen Sie sich nicht ablenken, widmen Sie sich nur einer Sache.
Richten Sie Ihren Arbeitsplatz Ihren Bedürfnissen entsprechend ein oder stellen Sie ihn um. Wenn Sie können, legen Sie verschiedene Orte für verschiedene Tätigkeiten fest. Experimentieren Sie: Wo arbeiten Sie konzentrierter? Was regt Ihre Phantasie besonders an?
Haben Sie gewusst, dass Farben, Licht und Raumgestaltung auf die Kreativität wirken? Helles Licht fördert die Konzentration. Gedämpftes Licht, inspirierende Gegenstände, ein Fenster zum Rausschauen, Bilder regen die Phantasie an. Experimentieren Sie auch hier.
Genug schlafen ist für viele Kreative sehr wichtig. Müdigkeit kann die Kreativität manchmal zwar fördern. Doch wer übernächtigt ist, verliert an Leistungsfähigkeit. Viele schwören auf einen kurzen Mittagsschlaf. Versuchen Sie es doch auch einmal.
Wechseln Sie zwischen Zurückgezogenheit und Zeiten des Austauschs mit anderen. Die grosse Kunst: Kreative Menschen wählen diese Phasen bewusst und lassen sich nicht ständig ablenken und vereinnahmen. Überprüfen Sie Ihre Termine. Müssen Sie so viel um die Ohren haben? Fragen Sie sich immer: Bringt Sie das, was Sie gerade tun, Ihren Zielen näher?
Wenn nichts mehr geht, gehen Sie am besten spazieren. Bewegung regt das Denken an. Verlegen Sie doch einmal ein Meeting in den Park. Diskutieren Sie spazierend im Freien, statt im Sitzungszimmer. Probieren geht über Studieren!
Holen Sie ein ehrliches Feedback und freuen Sie sich über konstruktive Kritik. Vorsicht jedoch vor den Pessimisten und Miesmachern: Lassen Sie sich nicht zu früh den Wind aus den Segeln nehmen. Andererseits: Manchmal hilft die distanzierte Sichtweise anderer, um eine vermeintlich gute Idee richtig einzuschätzen.
Setzen Sie sich kleine Zwischenziele. Durch kleine erreichbare Ziele halten Sie die Motivation hoch. Verlieren Sie dabei aber nicht das grosse Hauptziel aus den Augen. Vor allem: verlieben Sie sich nicht gleich in jede neue Idee. Schreiben Sie sie auf, lassen Sie sie reifen – aber bleiben Sie konzentriert bei Ihrer aktuellen Sache, bis Sie sagen können: Ich habe mein Bestes gegeben.