Durch Anwendungen wie ChatGPT öffnete sich für die grosse Masse das Tor zur praktischen Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI), ob für private oder berufliche Zwecke. Die Anwendungen von KI in der Arbeitswelt sind heute schon vielfältig und viele Unternehmen beschäftigen sich damit, wie sie die Transformation ihrer Abläufe mit und für ihre Mitarbeitenden bestmöglich gestalten können. Mit Ursula Meyerhofer Fahlbusch haben wir im Interview diskutiert, worauf es dabei ankommt.
Der Einbezug von KI ins tägliche Geschäft – und das betrifft öffentliche wie private Arbeitgebende – verändert massiv etwas, weil man a) mehr in Rollen denken muss und b) sich die Aufgaben und die Anforderungen an das, was zu tun ist, rascher ändern. Darauf muss man reagieren. Als Punkt c) ist wichtig, dass der aktuelle Umbruch derzeit überall begonnen hat, aber man weiss noch nicht, was genau sich wo ändern wird. Das erzeugt Unruhe und selbstverständlich Unsicherheit.
«Augen zu» geht hier gar nicht. Man muss reagieren und herausfinden, wo in der eigenen Arbeit mit KI etwas verbessert und erleichtert werden kann. Dabei geht es auch um Wettbewerbsvor- oder nachteile. Das ist alles sehr entscheidend, was da gerade passiert und erfordert hohe – strategisch geleitete – Aufmerksamkeit.
Es ist fesselnd, wie sehr das Thema Kompetenzen derzeit in den Vordergrund rückt. Ich sage zuerst mal, was generell als To-Do ansteht: KI zu nutzen bedeutet zunächst, in Prozessen und Kernkompetenzen der Firma oder der jeweiligen Einheit zu denken. Dieser Fokus ist spätestens jetzt fällig. Der Einsatz von KI erfordert ferner die Zerteilung von Arbeit in spezifische Prozesse. Erst so erschliessen sich Potentiale zum Einsatz von KI.
Was dann kommt, sind die Menschen in der Organisation:
Gibt es eine Bereitschaft und Fähigkeit, überhaupt Veränderungen durchzuführen und zu ertragen?
Wurde erarbeitet, welche Kompetenzprofile vorhanden sind und welche man noch benötigt? Ich denke da auch an Aspekte von Diversity, also das Erkennen von Potentialen in der Vielfalt der Mitarbeitenden.
Im nächsten Schritt müssen Schulungen aufgegleist werden, aber auch das Vertrautmachen mit Technik, um Ängste abzubauen.
Strategisches Vorgehen in der Kompetenzen- und Zukunftsentwicklung ist auch mit der aktiven und positiven Ausrollung einer eigenen Firmenkultur verbunden. Strategie und Kulturarbeit sind der Boden, auf dem nun gehandelt werden muss. Andernfalls besteht die Gefahr, Geld zu verbrennen sowie die Motivation und Hingabe der Mitarbeitenden zu verlieren.
Voraussetzungen ist Vertrauen schaffen und Vertrauen geben. Um dieses Vertrauen zu stützen, können Zukunftsszenarien und Potentiale möglichst gemeinsam und mit vielen diskutiert und erarbeitet werden. Eine KI-unterstützte Welt erträgt es kaum mehr, wenn auf Geheimniskrämerei und Machthierarchie gebaut wird. In manchen Bereichen sind auch die grossen Tech-Firmen gegenüber KI zurückhaltend, z.B. Performance-Bewertungen mittels KI. Wobei gleichzeitig zu sagen ist, dass gerade Vertrieb und Support enorm von KI-Analysen profitieren. Aber: Erst das Vertrauen schaffen, dann gemeinsam den Wandel angehen.
Angst ist der Elefant im Raum.
Ursula Meyerhofer FahlbuschGute Frage. Laut Zahlen aus dem Internet seien 30% ready und 80% «wollen irgendwie» – also möchten zumindest mit Piloten anfangen. Es geht hier ums Dranbleiben und Tun. Fast alle Verbände bieten Unterstützung, indem sie Initiativen gründen, durch die Erfahrungsaustausche stattfinden. Partnerschaften, Netzwerkdenken und Vertrauen sind wichtig. Wenn man achtsam mit Ressourcen umgehen will, geht es fast nicht anders. Kontrolliertes Wagnis könnte eine knappe Umschreibung sein von dem, was jetzt ansteht.
Das passt exakt zu den Überlegungen von oben, ob Firmen bereit sind für die neue Arbeitswelt. Arbeitskräfte bevorzugen zunehmend bunte, abwechslungsreiche Berufslaufbahnen. Und gerade junge Menschen sind sich bewusst, dass sie «irgendwie» bis 70 arbeiten müssen. Wo sind hier die Aussichten für sie? Was bieten Arbeitgebende? Noch tun sich viele Unternehmen schwer mit dieser Realität. Mancherorts wird ab 50+ ohne weiteres Nachdenken oder Verantwortungsgefühl aussortiert. Es ist schlicht auch eine gesellschaftliche Frage, wie man mit Menschen umgeht, die zunehmend in grosser Zahl bis 80 vollumfänglich einsetzbar, lernfähig und kognitiv fit sind. Bereits jetzt sind ¼ der Erwerbstätigen 50+. Es ist erstaunlich, wie sehr dies noch tabuisiert wird. Da gibt es noch viel zu tun.
Die Zeitspanne zwischen 40 und 50 scheint sich — allem Anschein nach — hervorragend dazu zu eignen, sich zu überlegen, was man eigentlich «sonst noch» will im Leben. Also sollte man hier einen Stopp und eine Wende einplanen, wenn einem danach ist. Verschüttete Lebensträume, die nie verwirklicht werden, nützen niemandem etwas.
Ja, und es ist schlicht auch eine gesellschaftliche Frage, wie man mit Menschen umgeht, die zunehmend in grosser Zahl bis 80 vollumfänglich einsetzbar, lernfähig und kognitiv fit sind. Bereits jetzt sind ¼ der Erwerbstätigen 50+. Es ist erstaunlich, wie sehr dies noch tabuisiert wird.
Altersdiskriminierung ist als grosses Stopp-Schild noch eine Exotik, leider, und die Sozialwerke befinden sich lächerliche 100 Jahre im Rückstand, wenn ich an die Guillotine «Pension» denke. Bei der Einführung der Altersrente unter Bismarck war man drei Jahre nach der Pensionierung sowieso, im Schnitt, verstorben. Spannend sind Firmen, bei denen es «drückt», denn sie agieren. Beispielsweise hat die VBZ ein flexibles Rentenalter bis 69 eingeführt.
Die Zeitspanne zwischen 40 und 50 scheint sich hervorragend dazu zu eignen, sich zu überlegen, was man eigentlich «sonst noch» will im Leben.
Ursula Meyerhofer FahlbuschDas ist für mich eine grosse Freude, dass wir mit dem Pool unseren Kandidat:innen 50+ eine Plattform geben können und gleichzeitig Firmen die direkte Zugriffsmöglichkeit zu den Profilen garantieren. Es sind ausgewählte Kandidat:innen – überwiegend Fach- und Führungskräfte –, die alle einen Coaching-Prozess durchlaufen haben und insofern erwiesen fit sind für den Arbeitsmarkt.
Für Firmen haben wir das Angebot kreiert, soziale Verantwortung zu zeigen und obendrein kostengünstig rekrutieren zu können. Dazu kommt, dass so ein Engagement positiv auf das Arbeitgeberbranding einschenkt. Zum Beweis, dass wir in Netzwerken denken, laden wir mehrfach im Jahr zu spannenden Veranstaltungen rund um die aktuelle Arbeitswelt ein. Wir tragen so dazu bei, auf der Basis von Vertrauen unser Job-Hunting für die Kandidat:innen zu betreiben und nachhaltig den Umgang mit Menschen im Erwerbsleben zu prägen.
Ja, mindestens zwei. Ich war lange der Überzeugung, meine berufliche Laufbahn müsste linear sein und nach oben verlaufen. Ich war zweimal in Positionen, bei denen ich aus der Rückschau sagen muss, dass ich den Job zu sehr nach meiner Manier machen wollte. In grossen Organisationen ist das aber zweischneidig, da man auf die Erwartungen von oben eingehen und gleichzeitig die eigene Position strategisch sichern muss. Ich habe inzwischen in einem längeren Prozess mein jetziges Portfolio aufgebaut. Das entspricht meinem Verlangen, vielfältig und «on the job» mit und beim Menschen tätig zu sein. Aktuell finde ich es sehr reizvoll, mich in mehreren, sich ergänzenden Feldern zu bewegen. Und mir ist ein fühlbarer Mehrwert meiner Arbeit für die Gesellschaft wichtig. Für mich zählt jedoch auch, dass mir meine beruflichen Aktivitäten langfristig Raum bieten und nicht irgendwann einfach beendet sind. Ich lebe also ein Patchwork-Portfolio, das noch wachsen darf. Und beruflich habe ich auch noch den einen oder anderen Traum: Wieder im und mit dem Ausland zu arbeiten und unbedingt mobil zu sein, ist so ein Wunschbild.