Reisen, Sport und LGBTI in einem Startup

De Bernadette Höller, 23. mars 2021

Marcel war über 40 Jahre bei der Zürcher Kantonalbank – zuletzt als HR-Verantwortlicher – bevor er mit QUEERwegS damit angefangen hat, queere Personen in der Natur zu coachen und zu beraten.

Wie und wann bist du auf die Idee gekommen, Coaching für Queers anzubieten?

Vor drei Jahren gab es bei der Zürcher Kantonalbank, meinem Arbeitgeber, ein Neustarter-Seminar. Ziel für uns Teilnehmenden war, sich Gedanken/Strategien zu überlegen, wie man die noch verbleibenden rund 10 Jahren Berufszeit gestalten möchte. Vier Themenfelder reizten mich besonders: Menschen begleiten, Reisen, das Thema LGBTI und Sport. Menschen begleitete ich täglich in meiner Funktion als Human-Resources-Verantwortlicher, Reisen und Sport sind ein grosser Bestandteil meines Privatlebens und das Thema LGBTI ist sowieso Teil meiner Identität. Ich hatte damals aber noch nicht gedacht, dass mich das in die Selbständigkeit führen könnte.

So weit so gut eigentlich – doch so einfach wollte ich es mir jedoch nicht machen und diese wertvollen Inputs verpuffen lassen. Ab jetzt hatte ich Augen und Ohren offen: Ich gründete zusammen mit einigen Sympathisanten in der Zürcher Kantonalbank ein LGBTI-Netzwerk. Das zweite Thema konnte ich verwirklichen, als ich gelesen hatte, dass ein Reisebüro im Nebenamt Reiseleiter suchte. Mittlerweile begleitete ich schon Gruppen im Jura und in Portugal zu Fuss oder mit dem Fahrrad. Also alle Themen umgesetzt… – dachte ich zumindest.

Den letzten und entscheidenden Anstoss bekam ich mit einer Umstrukturierung meines Arbeitsbereiches vor zwei Jahren. Diese brachte mich dazu, nochmals zu hinterfragen: Was will ich wirklich? Und wo liegen meine Stärken? Also nahm ich nochmals die bekannten Themen auf und schnürte mir ein auf mich zugeschnittenes Paket: Berater/Coach in der Natur – für queere Personen, und alle Personengruppen, die sich angesprochen fühlen. Aktiv zu bleiben und mich mit interessanten Persönlichkeiten austauschen zu können. Wenn das Coaching dann noch in einer inspirierenden Gegend stattfinden kann – was gibt es Schöneres! Und der Ideen-Realitäts-Check mittels kleiner Marktrecherche hat gezeigt, dass es in dieser Kombination/Zielgruppe kaum ein Angebot gibt.

Von da war es nur noch ein kleiner Schritt: Vom Beruf zur Berufung – die bevorstehende vorzeitige Pensionierung mit 58 und die Umsetzung in die Selbständigkeit.

Was genau bietest du denn an mit QUEERwegS?

QUEERwegS ist Sparringspartner bei Schwierigkeiten in Beziehungen, bei der Zusammenarbeit oder bei schwierigen Entscheidungen. Wir bieten aber auch Führungsberatung (Selbstführung), berufliche Standortbestimmung & Zukunftsgestaltung, Stärken-Training und das Wiederfinden der eigenen Balance an. Wie der Name schon sagt: Es gibt noch ein explizites Angebot für queere Personen. Alle Dienstleistungen lassen sich problemlos kombinieren. Die Beratung wird mit einer kleineren oder grösseren «Reise», zum Beispiel einer Wanderung oder einer Fahrradtour in der Natur verbunden – und wird so zu einem ganzheitlichen Erlebnis. Die sportliche Leistung steht weniger im Vordergrund, kann aber gut kombiniert werden. Und wer einfach einen kompetenten Reisebegleiter für Outdoor-Aktivitäten sucht (ohne explizite Beratung) wird bei QUEERwegS ebenfalls fündig.

Was hast du beruflich genau gemacht, bevor du QUEERwegS eröffnet hast?

Als gelernter Banker bin ich seit über 40 Jahren bei der Zürcher Kantonalbank tätig – davon rund 30 Jahre im Human Resources.

Was waren deine ersten Schritte, nachdem du die Idee hattest?

So wie man es gemäss Lehrbuch nicht machen sollte: Zuerst hatte ich den Namen für mein Business – dieser liess mich nicht mehr los. Der Name «QUEERwegS» steht für «Queer» und «unterwegs sein» und ist auch Teil meiner Biografie. Danach gab es Brainstormings, Mindmappings und viele Gespräche mit unterschiedlichsten Personen und potenziellen Kunden, um abzuklären, ob ein diesbezügliches Bedürfnis besteht. Auch bei einer Anlaufstelle für Startups holte ich mir Ratschläge bezüglich meines Businessplanes.

Wie lange hat es von der Idee bis zur Gründung gedauert?

Zwei Jahre – bis im Herbst letzten Jahres. Im Moment bin ich bei QUEERwegS nur im Nebenamt tätig, aber ab Ende Jahr kann ich mich zu 100% meinem Startup widmen, da freue ich mich drauf!

Wie hast du QUEERwegS bekannt gemacht?

Ich habe während meiner Zeit bei der Zürcher Kantonalbank ganz bewusst noch keine Werbung gemacht. Sobald ich Ende Jahr nur noch auf QUEERwegS setze, soll nebst der bisherigen Mund-zu-Mund-Werbung auch Social Media für Neukunden-Gewinnung im Vordergrund stehen, verbunden mit PR-Berichten.

Was war die grösste Schwierigkeit auf dem Weg zur Selbstständigkeit?

Nebst meinen noch wenig IT-affinen Fähigkeiten, die mir Schwierigkeiten bei der Website-Entwicklung bereitet haben, waren es die rechtlichen Abklärungen. Und ich habe mich öfters gefragt: wieviel Authentizität und Einzigartigkeit (USP) will ich? Schränkt das den kommerziellen Erfolg ein? Ich habe für mich die Antwort gefunden: Ich will mich als Persönlichkeit und einem glaubwürdigen Angebot vollumfänglich einbringen – der Erfolg definiert sich nicht nur über Geld, sondern auch über positive Erfolgserlebnisse der Kunden.

Was hättest du ganz am Anfang niemals gedacht, was du im Laufe des Neustarts gelernt hast?

Da ich erst am Anfang meines Neustarts stehe, kann ich das noch nicht genau sagen – aber auf jeden Fall ist meine Lernkurve bei meinen IT-Skills sehr, sehr steil!

Wo siehst du QUEERwegS in 5 Jahren?

Noch gibt es keine Ausbau-Pläne, aber vielleicht lässt sich die Reisetätigkeit ausbauen? Oder ein Angebot für Personen mit einem Handicap? Oder…? Auf jeden Fall bin ich offen für weitere Entwicklungen.

Schön wäre es, sagen zu können: QUEERwegS hat Menschen auf ihrem Weg einen Schritt weitergebracht – und das Unternehmen hat sich als Nischenplayer etabliert.

Was würdest du möglichen Neustartern empfehlen, die so ein Projekt angehen wollen?

Genügend Zeit investieren und Durchhaltewillen: Du musst für ein Thema Leidenschaft entwickeln. Betrachte die erste Idee immer wieder aus unterschiedlichen Dimensionen, tausche dich mit wertvollen Ansprechpartnern aus und entwickle dein Projekt weiter.

Lass dich von Rückschlägen nicht entmutigen, sondern schau auf das Positive in deiner Entwicklung. Als ehemaliger Marathonläufer und Triathlet weiss ich, dass es Analogien dazu gibt: Nebst kontinuierlichem Training braucht es mentale Stärke, um erfolgreich zu «finishen».

Worauf bist du heute am meisten stolz?

Die ersten positiven Feedbacks, und dass ich meine Vision verwirklicht habe.

Marcel und QUEERwegS im Web

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