Wie geht «Lebenslanges Lernen»?

Von Bernadette Höller, 14. August 2023

Daniela Reolon war die letzten Jahre für das Learning & Development bei unserem Loopings Partner Helvetia Versicherungen zuständig und leitet dort seit Anfang des Jahres den Bereich Change & Development. Neben ihrer praktischen Tätigkeit hat sie sich die letzten 4 Monate hinter den Schreibtisch geklemmt und eine (mit Bestnote ausgezeichnete!) Masterarbeit zum Thema «Lifelong Learning» verfasst – Ziel der Arbeit: aufzeigen, wie «Lebenslanges Lernen» in der Praxis zielgerichtet und wirkungsvoll umgesetzt werden kann. Und was Unternehmen konkret tun können, um «Lebenslanges Lernen» in ihren Organisationen zu fördern. Ein Interview.

Erstmal Glückwunsch zum Master, Daniela!

Herzlichen Dank :-)

Wie war es, dich neben deiner Anstellung bei der Helvetia nochmal ins Studi-Leben zu schmeissen?

Insbesondere zu Beginn ging es sehr gut. Ich freute mich darauf, mein Wissen zu erweitern und neue Leute kennenzulernen. Insbesondere der hohe Praxisbezug meiner Ausbildung hat mir einen direkten Transfer ermöglicht. Da ich das Studium am Stück innerhalb von zwei Jahren durchgezogen habe und mein Partner parallel dazu neben seiner Vollzeittätigkeit ebenfalls ein Masterstudium absolvierte, war es für uns beide dann doch eine sehr intensive Zeit. Die Doppelbelastung von Beruf und Ausbildung ist nicht zu unterschätzen, kann jedoch durch transparente Kommunikation und gutes Zeitmanagement wesentlich abgefedert werden.

Wie hast du, mitten im Berufsleben stehend, herausgefunden, was du studieren willst? Und war es schwierig, dann auch ins Machen zu kommen?

Lebenslanges Lernen gehört für mich zum Alltag. Daher habe ich mich, nebst neuen beruflichen Herausforderungen, in regelmässigen Abständen formell weitergebildet. Für mich war klar, dass der nächste Schritt nochmals etwas Grösseres sein sollte. Da mir bisher eine akademische Ausbildung gefehlt hat, war der EMBA-Abschluss für mich das angestrebte Ziel.

Ins Machen zu kommen war für mich einfach – schwierig war dann eher die Wahl, wo ich den EMBA absolvieren sollte. Hier haben mir die Beratung an den verschiedenen Schulen und der Austausch mit Freunden und Bekannten sehr geholfen.

Deine Masterarbeit dreht sich um das Lebenslange Lernen. Der Begriff ist seit einigen Jahren in aller Munde.

Ja, das ist definitiv so. Lebenslanges Lernen war bereits in den 80er-Jahren hoch im Kurs. Heute hat das lebenslange Lernen aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Schnelllebigkeit aus meiner Sicht einen zentralen Stellenwert. Die Entwicklung benötigter Kompetenzen fordert sowohl Arbeitnehmende als auch Arbeitgebende stärker denn je. Viele Unternehmungen haben bereits heute Kompetenzlücken entdeckt oder sehen, dass diese entstehen können. Durch kontinuierliches Lernen fällt es Arbeitnehmenden einfacher, die geforderten Kompetenzen zu entwickeln.

Wie erlebst du die Herausforderungen ganz praktisch bei der Helvetia?

Der Fachkräftemangel macht auch bei uns keinen Halt. Als Helvetia haben wir erkannt, dass die interne Aus- und Weiterbildung ein zentrales Element ist, um dem Mangel zu begegnen. So führen wir in den Bereichen jährlich sogenannte «People Days» durch. Dabei wird geschaut, welche Kompetenzen heute und in Zukunft gefordert sind, wo unsere Mitarbeitenden hinsichtlich dieser Kompetenzen stehen und es werden entsprechende Massnahmen abgeleitet.

Ein Hindernis, welchem wir dabei häufig begegnen, ist das Argument von Mitarbeitenden, dass sie nicht genügend Zeit zum Lernen haben, weil sie das operative Tagesgeschäft zu stark in Beschlag nimmt.

Und wie geht ihr damit um?

Grundsätzlich halten wir uns an das System 70:20:10, also dass ca. 70% des Lernens während der Arbeit, also «on-the-job» geschieht. Hier versuchen wir die konkreten Lernfelder und -fortschritte, zum Beispiel durch Retrospektiven transparenter und sichtbarer zu machen. Das stellt dann auch schon ein erstes Element des sozialen Lernens (20%, near-the-job) dar. Für das Lernen «off-the-job» (10%) bieten wir für einzelne Themen verschiedene Formate mit unterschiedlicher Dauer an. So dass es den Mitarbeitenden ermöglicht, dann zu lernen, wenn es für sie am besten möglich ist.

In deiner Arbeit beschreibst du förderliche Rahmenbedingungen für produktive Lernwege innerhalb von Organisationen. Gibt es einen Punkt, den du diesbezüglich besonders hervorheben würdest?

Für meine Masterarbeit habe ich Interviews mit verschiedenen renommierten Schweizer Unternehmungen geführt. Dabei wurde deutlich, dass der Reifegrad hinsichtlich Lernkultur in Unternehmungen sehr unterschiedlich ist. Um lebenslanges Lernen wirkungsvoll zu implementieren, ist es zentral, da anzusetzen, wo die Unternehmung gerade steht.

Auf Basis der Interviews drängte sich mir dabei die Hypothese auf, dass die Unternehmungen, die eine klare Vision zur Förderung von Lernen vertreten, tendenziell weiter fortgeschritten sind und dabei insbesondere den transversalen Kompetenzen einen grossen Stellenwert anberaumen.

In unserer Arbeitswelt haben wir es fast täglich mit neuen Aufgaben, Prozessen und Tools zu tun – dadurch ist besonders die Bedeutung des informellen Lernens hoch.

Das ist so. Genau genommen lernen wir ständig, ohne dass wir es merken. Unser Smartphone erhält ein Update, wonach Apps und Funktionen anders aussehen oder anders agieren, eine Arbeitskollegin gibt uns einen Tipp, wie wir die Kalendereinstellung standardmässig auf 25 Minuten reduzieren können, wir brauchen im Excel eine Formel und «googeln», wie diese funktioniert oder wir schauen auf youtube ein Video, welches uns erklärt, wie die Methode Design Thinking funktioniert. Das alles tun wir automatisch und lernen dabei Neues.

Dieses informelle Lernen wird in unseren Köpfen jedoch oft nicht als Lernen wahrgenommen. Uns wurde beigebracht, dass Lernen im formellen Setting, zum Beispiel im Unterricht mit einer oder einem Lehrer:in, beim Zusammenfassen von Texten, beim Wälzen von dicken Büchern oder Ähnlichem stattfindet.

Hier ist es wichtig, den Fokus der Mitarbeitenden neu zu setzen und aufzuzeigen, dass Lebenslanges Lernen mehr ist, als nur formelles Lernen. Bei Helvetia machen wir das, indem wir durch Learning Journeys die verschiedenen Möglichkeiten zum Lernen on-, off- und near-the-job aufzeigen.

Was bedeutet das für mich als berufstätige Person mittleren Alters?

Das du nicht zwingend eine zweijährige Weiterbildung absolvieren musst, um neue Kompetenzen zu erwerben. Du kannst das ganz einfach in deinen Arbeitsalltag einbauen, indem du bewusst neue Wege gehst.

Du tust dich zum Beispiel schwer damit, vor vielen Leuten zu sprechen? Biete deinem Team an, dass du das nächste Mal durch das Teammeeting führst oder bewusst ein dir vertrautes Thema den anderen vorstellst. Im Anschluss holst du aktiv Feedback ein. Wovon sind deine Kolleg:innen beeindruckt? Welchen Tipp würden sie dir fürs nächste Mal mitgeben? So kannst du deine Kommunikationsfähigkeit Schritt für Schritt verbessern.

Und was sind vielleicht zwei oder drei Handlungsempfehlungen, die du Personalverantwortlichen und Führungskräften geben würdest, um Lebenslanges Lernen und auch eine Kultur des «Ausprobierens» zu fördern?

Wichtig scheint mir, dass Lernen in der Unternehmung und im Team präsent gemacht wird und legitimiert ist. Sei es zum Beispiel durch das konkrete Zurverfügungstellen von «Lernzeit» oder durch die regelmässigen Durchführung von Retrospektiven.

Hilfreich ist auch, wenn erworbenes Wissen bewusst im Team geteilt wird. So erhält einerseits die Person eine zusätzliche Wertschätzung und die anderen profitieren ebenfalls davon.

Führungskräfte nehmen hinsichtlich der Lernkultur im Team eine zentrale Rolle ein. Es ist daher hilfreich, wenn man seine eigene Haltung sowie die Wirkung auf die Mitarbeitenden regelmässig reflektiert und hin zu einer positiven Lernkultur adaptiert.

Vielen Dank, liebe Daniela! Und frohes Lernen weiterhin!

Helvetia auf der Partnerseite

Zur Helvetia

Auch interessant