«Am Alter interessiert mich, dass es irgendwie immer ein Thema ist.»

De Denise Haag, 06. mai 2024

Über einen spannenden Artikel der ETH Zürich sind wir auf Julian Pfrombeck aufmerksam geworden, der sich mit Altersvielfalt und dem Älterwerden in der Arbeitswelt befasst. Überrascht waren wir, als sich herausstellte, dass Julian nicht nur am anderen Ende der Welt wohnt, sondern auch deutlich jünger als die Zielgruppe in seiner Forschung ist. Das hat uns neugierig gemacht und angetrieben, mehr über ihn und seine Studien zu erfahren.

Julian, danke, dass du dir Zeit nimmst für unseren Austausch. Du forschst seit Längerem zu den Themen Arbeit, Alter, Generationenmiteinander und altersdiverse Teams am Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit etc.. Du selbst bist 1990 zur Welt gekommen, gehörst also noch nicht zu deiner Forschungszielgruppe. Wie kommt es, dass dich dieses Themenfeld so interessiert?

Ein grosser Dank gilt meiner Doktoratsbetreuerin Professorin Gudela Grote an der ETH Zürich. Sie hat mich ermutigt, das Thema Alter und demographischer Wandel im Arbeitskontext genauer zu untersuchen. Das ist schon knapp zehn Jahre her. Heute hört man das Thema demographischer Wandel (zum Glück) immer häufiger auch in den Medien. 

Am Alter interessiert mich, dass es irgendwie immer ein Thema ist. Als Kind möchte man oft ein Erwachsener sein. Je älter man wird, desto mehr wünscht man sich, man wäre noch jung – oder halt auch nicht. Ich finde das Thema Alter oder Älterwerden sehr spannend, denn dabei geht es nicht nur um die Zahl, die in Jahren beziffert, wie alt man selbst ist oder andere sind. Mit einem gewissen Alter werden oft auch bestimmte Erwartungen verknüpft. Manche davon sind positiv behaftet – beispielsweise, dass man mit dem Alter erfahrener und vernünftiger wird. Andere aber sind negativ, beispielsweise, wenn es heisst, ältere Menschen seien nicht bereit für Veränderungen. Das Forschungsgebiet Alter schliesst also Themen vom Miteinander, Vorurteilen, Stereotypen, Diskriminierung bis hin zu eignen Erwartungen und Zielen mit ein. 

Gerade wenn es um Altersdiversität am Arbeitsplatz geht, ist das klassische Mentoring «Alt lehrt Jung» oft vertreten bzw. die Norm. Du hast diesbezüglich eine Studie lanciert. Dabei geht es um das Thema, wie - und vor allem wann - die verschiedenen Generationen voneinander lernen. Was waren deine Erkenntnisse? 

Das stimmt! Klassisch herrscht in Unternehmen häufig die Überzeugung, der Wissenstransfer zwischen jüngeren und älteren Beschäftigten sei hauptsächlich einseitig. Doch immer mehr Studien zeigen, dass sowohl Jüngere als auch Ältere vom intergenerationalen Wissenstransfer profitieren können. Genau da setzt unsere Studie an. Wir wollten untersuchen, wie sich das Ersuchen von Wissen, Rat und Ideen von ihren jüngeren Arbeitskolleginnen und -kollegen auf die Motivation und wahrgenommene Arbeitsfähigkeit von älteren Beschäftigten auswirkt. Dazu haben wir über 700 Beschäftigte ab einem Alter von 50 Jahren befragt. Es zeigte sich, dass Beschäftigte, die öfters Wissen von jüngeren Kolleginnen und Kollegen ersuchen, auch mehr lernen und somit motivierter sind, weiterhin zu arbeiten sowie allgemein eine höhere Arbeitsfähigkeit haben. Wir fanden aber auch einen negativen Nebeneffekt. Aufgrund von Normen und sozialen Erwartungen kann gerade bei erfahrenen, älteren Mitarbeitenden das Fragen von jüngeren Kolleginnen oder Kollegen zu Verlegenheit führen. Dieser Effekt zeigte sich vor allem dann, wenn die fragenden Personen selbst Vorbehalte gegenüber intergenerationalem Kontakt hatten.

Vielleicht kann ich noch kurz auf den Begriff «Generationen» eingehen. Denn der ist eigentlich etwas problematisch. In den Medien wird oft von den Generationenunterschieden oder -konflikten gesprochen. Doch wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass da viel aufgebauscht wird. Fakt ist, dass es Alterseffekte gibt, also mit dem Älterwerden ändern sich beispielsweise gewisse Interessen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt auch, dass zeitgeschichtliche Geschehnisse bei der Arbeitsmotivation eine Rolle spielen. Doch unterschiedliche Werte oder Motive Leuten zuzuschreiben, die ein paar Jahre früher oder später geboren wurden, ist problematisch und wenig empirisch fundiert. Das ist jedoch genau das, was beim Konzept Generationen oft gemacht wird. Zum Beispiel gehört man der Generation Y an, wenn man 1996 geboren wurde, und der Generation Z, wenn man schon 2000 geboren wurde. Ich denke, dass wir uns hier von dieser starren Einteilung lösen müssten.

Was heisst das im Hinblick auf die Altersdiversität am Arbeitsplatz? Oder anders gefragt: Welche Learnings können Unternehmen daraus ziehen? 

Sie können daraus schliessen, dass vom Wissensaustausch zwischen jüngeren und älteren Beschäftigten beide Seiten profitieren. Der altersdiverse Wissensaustausch kann motivierend sein und die Arbeitsfähigkeit fördern. Jedoch nur, wenn die Bereitschaft für diesen Austausch da ist. Wer Vorurteile oder starke Normvorstellungen hat, wird sich schwertun, das Wissen oder den Rat von der jüngeren oder älteren Person zu akzeptieren. Um Vorurteile oder gewisse negative Normvorstellungen abzubauen, könnten Unternehmen versuchen, den informellen Kontakt zu stärken. Denn dadurch merkt man oft erst, wie ähnlich man sich sein kann, auch wenn 20 oder 30 Jahre zwischen einem selbst und dem Kollegen oder der Kollegin liegen. 

Ich finde das Thema Alter oder Älterwerden sehr spannend, denn dabei geht es nicht nur um die Zahl, die in Jahren beziffert, wie alt man selbst ist oder andere sind.

Julian Pfrombeck

Eine weitere interessante Studie von dir hat gezeigt, dass eine kurze psychologische Intervention mit positiven Selbstaffirmationen im Bewerbungsprozess helfen kann. 

Die Arbeit zu verlieren oder arbeitslos zu sein, ist für die meisten Menschen keine schöne Erfahrung. Man fühlt sich vielleicht nicht gebraucht, erhält Absagen, hat Ängste und muss sich immer wieder für die nächste Bewerbung neu aufraffen. Das verursacht sehr viel Druck und Stress. An diesem Punkt setzen wir mit unserer Studie an. Wir konnten zeigen, dass Arbeitssuchende, die eine positive Selbstaffirmationsübung gemacht haben, im Anschluss über den Zeitraum von einem Monat mehr Jobangebote erhielten und schneller einen neuen Job fanden als Personen, die diese Übung nicht gemacht haben. 

Wie können wir uns diese Selbstaffirmationsübung vorstellen? 

Die Übung an sich besteht zunächst einmal daraus, aus einer Liste von Werten (zum Beispiel Gesundheit, Sport und Fitness, Natur oder Freude am Lernen) diejenigen herauszusuchen, die einem am wichtigsten sind. Im Anschluss begründet man in einem Text, warum diese Werte für einen persönlich so zentral sind. Dadurch wird einem in Erinnerung gerufen, wer man ist und wofür man steht. Das wiederum kann einen grossen Unterschied im Bewerbungsprozess ausmachen, weil man sich vielleicht traut, sich für eine Stelle mehr zu bewerben, obwohl man zweifelt, ob man wirklich geeignet sein mag. Oder aber man tritt möglicherweise im Bewerbungsprozess selbstsicherer auf und ist damit überzeugender. 

Was waren die Hauptunterschiede zwischen den Generationen? Oder gab es gar keine? 

Zwischen den verschiedenen Altersgruppen haben sich keine Unterschiede gezeigt. Das mag zunächst erstaunlich klingen, aber schliesslich hat man in jedem Lebensalter gewisse Herausforderungen; sei es beispielsweise der Berufseinstieg in jungen Jahren, soziale Erwartungen und finanzielle Verpflichtungen im mittleren Alter oder wahrgenommene Altersdiskriminierung im Alter. 

Unterschiedliche Werte oder Motive Leuten zuzuschreiben, die ein paar Jahre früher oder später geboren wurden, ist problematisch und wenig empirisch fundiert.

Julian Pfrombeck

Anhand deiner Erkenntnisse aus deiner Forschung: Was rätst du Mitarbeitenden in der zweiten Berufshälfte? 

Mitarbeitenden in der zweiten Berufshälfte einen Rat zu geben fällt mir schwer (Stichwort soziale Normen – ich würde mich ja noch knapp in die erste Hälfte einordnen ). Aber das ist vielleicht auch das Stichwort. Ich glaube, man sollte sich vom Alter nicht zu stark beeinflussen lassen. Oft hört man, man sei zu alt für dies und jenes, oder man könne dies und das nicht machen, weil man zu alt (oder auch zu jung) sei. Ob beim Lernen voneinander oder bei der Arbeitssuche: Selbst wenn man auf Hindernisse oder Probleme stösst oder mal seltsam angeschaut wird – das will ich gar nicht klein reden – sollte man sich aufgrund des Alters nicht von seinen Zielen abbringen lassen.

Nach der ETH in Zürich warst du eine Zeit lang an der Columbia University in New York. Seit Oktober 2023 bist du nun als Wissenschaftler an der Chinese University of Hong Kong tätig. Was sind deine Erfahrungen: Gibt es zwischen den verschiedenen Ländern und Kulturen Unterschiede im Hinblick auf dein Forschungsgebiet? 

Ich bin kein Experte, was kulturelle Unterschiede angeht. Aber ich finde das eine spannende Frage. Die allgemeine Annahme mag sein, dass in asiatischen Kulturen alte Menschen mehr wertgeschätzt werden. Es gibt aber Befunde einer Studie, die zeigen, dass diese Annahme nicht unbedingt stimmt. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass eine stärker alternde Gesellschaft mit negativeren Einstellungen gegenüber Älteren einhergeht. Das ist eine wichtige Erkenntnis vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in der Schweiz. Sie zeigt uns, dass es gerade jetzt wichtig ist, aufzuklären und aktiv etwas gegen negative Altersvorurteile und -diskriminierung zu machen.

Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank, Julian.